Liebe Gemeinde,
in der Adventszeit flattern sie alle nach und nach ins Haus. Bei manchen denkt man „Achja, alle Jahre wieder“, bei anderen fragt man sich, woher die einen kennen und die Adresse haben. Sie wissen, was ich meine. Ich rede von Bettelbriefen. Okay, der Begriff ist zu abschätzig. Ich meine die Briefe, von Missionswerken, Diakonischen Einrichtungen, NGOs, vielleicht der Kirchengemeinde und anderen Einrichtungen, die von Spenden leben. Alle oder zumindest die meisten machen eine super Arbeit. Alle brauchen Geld dafür. Und alle würden sich über einen Weihnachtsgruß in monetärer Form sehr freuen. Wie geht man damit um? Wie gehen Sie damit um? Jeder bekommt ein bisschen? Oder jedes Jahr die gleichen drei ein bisschen mehr und die anderen dafür nichts? Wieviel ist überhaupt angemessen? Und reicht es nicht, wenn ich die Werke mit meinem Dauerauftrag das ganze Jahr über beschenke? Braucht es da noch ein Weihnachtsgeschenk? Das sind Fragen, die viele nur mit sich selbst, dem Partner und vielleicht noch dem Hauskreis diskutieren. Über Geld reden wir nicht gerne.
Paulus redet beziehungsweise schreibt über Geld. Unser heutiger Predigttext ist ein „Bettelbrief“ von Paulus an die Korinther. Man könnte auch sagen: Der Apostel betreibt fundraising. Es geht um Geld für die Gemeinde in Jerusalem. Die Christen in Korinth sollen ihre Glaubensgeschwister in Jerusalem finanziell unterstützen. Das hatte Paulus bereits in seinem letzten Brief geschrieben. Jetzt kündigt er an, dass Titus und andere Brüder bald nach Korinth kommen werden, um die Sammlung zu Ende zu bringen. Die Spendenkampagne läuft also auf ihren Höhepunkt zu und Paulus gibt alles, um die Korinther zu motivieren. Ich lese 2. Korinther 8, 7-9:
7Ihr habt doch alles im Überfluss: Glaube, die Fähigkeit zu reden, Erkenntnis, großen Einsatz und die gegenseitige Liebe, die wir in euch geweckt haben. So sollt ihr auch zu dieser Hilfe für Jerusalem im Überfluss beitragen.8Ich sage das nicht als Befehl. Vielmehr weise ich auf den Einsatz anderer hin,um zu prüfen, ob eure Liebe echt ist.9Ihr wisst ja, welche Gnade uns unser Herr Jesus Christus erwiesen hat: Obwohl er reich war, wurde er arm für euch. Denn durch seine Armut solltet ihr reich werden.
2. Korinther 8, 7-9
I. „Ihr habt doch alles im Überfluss“ – Paulus beginnt nicht, indem er den Korinthern die Not der Christen in Jerusalem vor Augen malt. Er fängt bei den Korinthern an. Nicht beim Mangel, sondern beim Überfluss setzt er an. Zuerst einmal sollen die Korinther daran erinnert werden, wie gesegnet sie sind und wie gut es ihnen geht. Ein spannender Ansatz, den wir doch eher selten in den Schreiben finden, die in den letzten Wochen bei uns im Briefkasten waren. Und doch würde der Satz von Paulus vermutlich auch auf viele von uns zutreffen: „Ihr habt doch alles im Überfluss.“ Ja, wenn wir es recht bedenken, haben wir mehr als genug. In diesen Tagen muss man eher aufpassen, dass es kein „zu viel“ wird. Zu viel Braten, zu viel Plätzchen, zu viel Likör und bei den Kindern zu viele Geschenke. Uns geht es gut. Etwas, woran wir durchaus auch immer wieder erinnert werden müssen, so wie Paulus die Korinther erinnert. Allerdings geht es Paulus gar nicht um den äußeren Wohlstand der Korinther. Nicht um ihre finanzielle Situation und nicht um ihren materiellen Besitz. Und auch nicht um ihre im Vergleich zur Jerusalemer Gemeinde „sichere“ Situation. Nein, er listet andere Dinge auf, die die Korinther im Überfluss haben: Glaube, die Fähigkeit zu reden, Erkenntnis, großen Einsatz und gegenseitige Liebe. Paulus zählt den geistlichen Reichtum oder man könnte vielleicht auch sagen, den inneren Wohlstand der Gemeinde auf. Warum tut er das, wenn es ihm doch eigentlich ums Geld geht? Paulus zeigt damit zwei Dinge: Erstens: Was die Korinther wirklich reicht macht, sind Gaben, die sie geschenkt bekommen haben. Sie können sich nichts darauf einbilden. Sie sind überreich Beschenkte. Als solche sollen sie nun auch zweitens ihren materiellen Reichtum teilen. Für Paulus ist das die logische Folge. Wenn in einer Gemeinde Glaube, Liebe und Erkenntnis im Überfluss vorhanden sind, dann zeigt sich dieser Überfluss auch an der ganz praktischen, in diesem Fall finanziellen Hilfe für andere. Das gehört zusammen. Denn, so argumentiert Paulus weiter, letztlich ist das Geben für andere wie ein Prüfstein. Daran kann man erkennen, ob die Liebe „echt“ ist.
II. Das mag manchem von uns irgendwie aufstoßen. Paulus will am Spendenaufkommen für Jerusalem prüfen, ob die Liebe der Korinther echt ist. Und das auch noch im Vergleich zu anderen. Er ist sich bewusst, dass er die Spende nicht erzwingen oder befehlen kann, aber im ersten Moment fragt man sich doch, ob das nicht die angenehmere Form wäre. Das Vorgehen von Paulus wirkt doch wie, wenn er die Korinther durch die Hintertür unter Druck setzt. Ist es nicht seltsam – oder sogar manipulativ die Liebe am Geld zu messen? Wie würden Sie reagieren, wenn Ihnen Ihre Kirchengemeinde so etwas schreiben würde? „Liebes Gemeindemitglied, wir sammeln für unsere Jugendarbeit. Sie sind überreich beschenkt und ein treues Gemeindeglied. Wir können Sie nicht zwingen, etwas zu spenden, aber wir würden gerne prüfen, ob Ihre Liebe echt ist. Von anderen treuen Mitgliedern unserer Gemeinde haben wir bereits einiges erhalten.“
Manch einer würde sich vermutlich tatsächlich angespornt fühlen: „Ja, wenn das so ist, dann werde ich jetzt mal einen großen Betrag überweisen. Schließlich will ich ja zeigen, dass ich ein treues und gutes (und frommes) Gemeindemitglied bin. Da kann ich mit den anderen locker mithalten.“
Andere würden solche Zeilen eher stutzig machen, vielleicht sogar verärgern: „Die Gemeindeleitung will anhand meiner Spende die Echtheit meiner Liebe überprüfen. Geht’s noch? Wie meine Beziehung zu Jesus aussieht, geht erstens niemanden etwas an und hat doch zweitens nichts mit meiner Spendenbereitschaft zu tun.“
Warum argumentiert Paulus so? Wie kommt er darauf, dass die Gabe etwas mit dem Erweis von Liebe zu tun hat?
III. Christus ist für ihn das Vorbild und der Beleg seiner Argumentation.
Ihr wisst ja, welche Gnade uns unser Herr Jesus Christus erwiesen hat.
2. Korinther 8, 9a
Paulus erinnert die Korinther an das, was Jesus Christus für sie getan hat. „Obwohl er reich war, wurde er arm für euch. Denn durch seine Armut solltet ihr reich werden.“ Die Begründung, warum echte Liebe sich im Tun erweist, ist das vorbildliche Handeln Jesu für uns. Er hat uns in unserer Verlorenheit nicht nur mitleidig von weitem angesehen. Er hat nicht nur mitfühlend an uns gedacht. Nein, er hat sich von seinem Vater in diese Welt schicken lassen, um unser Schicksal zu wenden. Seine Liebe für uns wurde zur Tat. Er wurde arm für uns. Arm, weil er als Gottes Sohn, Mensch wurde. Seine Herrlichkeit beim Vater tauscht er gegen die menschliche Ärmlichkeit. Und dabei wählt er nicht einen Palast, sondern einen Stall. Keine Königsmutter, sondern eine normale junge Frau. Keine angesehenen und wichtigen Leute als Freunde, sondern Fischer, Zöllner und andere, die nicht unbedingt zur Oberschicht zählen. Er wird bedroht, beschimpft und sogar angespuckt. Am Ende stirbt er wie ein Verbrecher am Kreuz. Jesus hat durch seine Hingabe gezeigt, was echte Liebe ist. Er wurde arm für uns, dass wir durch seine Armut reich werden. Weil sich Christus auf diesen Weg eingelassen hat, haben wir nun alles im Überfluss. Glaube, Erkenntnis, Liebe – das alles ist nur möglich, weil er diesen Weg gegangen ist. Weil Jesus Christus als Mensch auf dieser Erde gelebt hat, gestorben und auferstanden ist, werden wir in Ewigkeit bei und mit ihm leben. Das macht uns wirklich reich.
Echte Liebe erweist sind in der Tat. Sie ist umfassend und betrifft das ganze Leben und damit eben auch alle Lebensbereiche. Wenn Christus für uns alles gegeben hat, wie können wir dann beim Spenden knausrig sein? Wenn Liebe Hingabe bedeutet, wie können wir dann beim Geben zurückhaltend sein, wenn andere unsere Hilfe brauchen? Paulus argumentiert nicht irgendwie hinterlistig oder frech. Nein, er zieht nur logische Schlüsse und erinnert die Korinther und uns, an unseren Reichtum und den größten Geber überhaupt. Weil Jesus Christus für uns aus Liebe alles gegeben hat, erweist sich echte Liebe auch in der Gabe für andere.
Zugegeben sind die eingangs gestellten Fragen damit noch nicht beantwortet. Sie erinnern sich: Wem gebe ich wann wieviel? usw. Da empfehle ich zu Hause mal die Bibel zur Hand zu nehmen und unter anderem das ganze 8. Kapitel im zweiten Korintherbrief zu lesen. Aber das Grundsätzliche ist geklärt und es passt hervorragend zu Weihnachten: Christus schenkt sich uns. Das ist Liebe. Deshalb schenken wir großzügig weiter – und vergessen dabei vor allem diejenigen nicht, die nicht alles im Überfluss haben. Damit bringen wir die Liebe Christi in die Welt.
Amen.
Die Predigt ist Teil der Predigtvorlage für den Prädikantendienst - "Reihe ohne Punkt" für den 26.12.2023
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