Liebe Gemeinde,
wie Sie in der Schriftlesung bereits gehört haben, geht es heute um Bodenqualitäten. Wir auf der Filderebene müssten uns damit ja bestens auskennen.
„Die Parabraunerden der Filder zählen zu den fruchtbarsten Böden Deutschlands.“ So sagt es Wikipedia. Die großen, leckeren Krautköpfe belegen es. Ein guter Boden bringt gute und vor allem auch reichliche Ernte. Doch selbst auf der Filderebene ist es so, dass nur der Samen Frucht bringen kann, der auch auf den guten Ackerboden fällt. Samen, der neben den Acker auf den Weg oder in die Dornen fällt, kann nicht richtig aufgehen und bringt keine Frucht. Entweder weil die Vögel ihn fressen oder weil die Dornen die kleinen Pflänzchen bereits ersticken. Und was auf felsigen Boden fällt, kann nicht richtig wurzeln und geht deshalb früher oder später wieder ein.
Das, was Jesus sagt, leuchtet sogar jemand, wie mir, der von Landwirtschaft nicht viel Ahnung hat, ein. Doch Jesus wollte mit seinem Gleichnis ja keinen Vortrag über Ackerbau halten. Das ist uns allen klar. Auch seinen Jüngern war das sicher bewusst. Trotzdem haben sie aber nicht so ganz verstanden, worauf Jesus denn eigentlich hinauswollte. Und so fragten sie Jesus, was er denn jetzt mit dem Gleichnis sagen wollte. Auch uns kommt diese Nachfrage zu gute. So haben wir nicht nur das Gleichnis, sondern auch eine Erklärung von Jesus, wie denn seine Geschichte vom Sämann zu verstehen ist.
9 Es fragten ihn aber seine Jünger, was dies Gleichnis bedeute. 10 Er aber sprach: Euch ist’s gegeben, zu wissen die Geheimnisse des Reiches Gottes, den andern aber ist’s gegeben in Gleichnissen, dass sie es sehen und doch nicht sehen und hören und nicht verstehen. 11 Das ist aber das Gleichnis: Der Same ist das Wort Gottes. 12 Die aber an dem Weg, das sind die, die es hören; danach kommt der Teufel und nimmt das Wort von ihrem Herzen, damit sie nicht glauben und selig werden. 13 Die aber auf dem Fels sind die: Wenn sie es hören, nehmen sie das Wort mit Freuden an. Sie haben aber keine Wurzel; eine Zeit lang glauben sie, und zu der Zeit der Anfechtung fallen sie ab. 14 Was aber unter die Dornen fiel, sind die, die es hören und gehen hin und ersticken unter den Sorgen, dem Reichtum und den Freuden des Lebens und bringen keine Frucht zur Reife. 15 Das aber auf dem guten Land sind die, die das Wort hören und behalten in einem feinen, guten Herzen und bringen Frucht in Geduld.
Lukas 8, 9-15
Liebe Gemeinde,
in einer Konfirmandengruppe erleben alle das gleiche, hoffentlich spannende Programm. Alle können ihre Fragen zum Glauben loswerden. Alle erleben eine gute Gemeinschaft. Alle, und das ist das Wichtigste, hören und studieren gemeinsam Gottes Wort. Der Same wird reichlich ausgesät. Nach der Konfirmation sieht es oft aber so aus:
Der eine konnte die ganze Zeit schon nichts mit dem allem anfangen, hat es aber trotzdem durchgezogen. Nach der Konfirmation ist er einfach nur froh, mit dem Laden Kirche und dem Drumrum nichts mehr zu tun zu haben.
Der andere war zunächst Feuer und Flamme, aber kaum ist die Konfi-Zeit vorbei, finden die Freunde die Kirche uncool und er selbst geht bald schon auch nicht mehr hin.
Die Dritte ist halt immer so im Stress. Fürs Bibellesen bleibt neben Lernen und den ganzen Hobbies nicht mehr so viel Zeit. In den Jugo schafft sie es einfach nicht mehr. Oft muss sie Sonntagabends einfach dringend noch etwas für die Schule fertig machen.
Ein vierter Konfirmand hat wirklich Feuer für Jesus gefangen. Voller Begeisterung will er weitergeben, was er gehört hat. Er engagiert sich nun in der Kinderkirche und geht gern in den Jugendkreis.
Die Pfarrerin fragt sich: WARUM??
In einer christlichen Familie wird jeden Morgen gemeinsam die Losung gelesen und gebetet. Die Kinder hören von Anfang an biblische Geschichten. Die Oma singt christliche Kinderlieder mit ihnen. Alle durchlaufen das Programm von Kinderkirche, über Jungschar bis hin zum Jugendkreis. Alle Kinder wachsen in der Gemeinde auf. Zwei der drei Kinder finden zu einem eigenen Glauben an Jesus Christus. Sie sind auch als Erwachsene noch in der Gemeinde aktiv. Einer entscheidet irgendwann, dass ihm das alles doch ziemlich suspekt ist. Als er seinen ersten Gehaltszettel bekommt und die Kirchensteuer sieht, entschließt er aus der Kirche auszutreten. Glaube, das ist nichts für ihn. Die Eltern fragen sich: WARUM??
Eine große Menge war wieder einmal um Jesus versammelt. Aus jeder Stadt waren sie zu ihm geeilt, so heißt es am Anfang des Predigttextes. Sehr viele wollte den skurrilen Wanderprediger, der große Wunder tat, sehen. Jesus war in aller Munde. Den musste man ja mal persönlich hören und erleben, um auch mitreden zu können. Immer wieder lesen wir von großen Menschenansammlungen um Jesus. Aber von Massenbekehrungen berichten die Evangelisten nicht wirklich. Längst nicht alle, die Jesus zugehört haben, waren Feuer und Flamme. Nicht alle, die seine Wunder gesehen haben, erkannten ihn auch als den Sohn Gottes, als Gott selbst. Die Jünger Jesu fragten sich und auch ich frage es mich heute: WARUM?
Jesus gibt seinen Jüngern damals und uns heute mit dem Gleichnis vom Sämann und seiner Erklärung eine Antwort auf dieses Warum.
Dabei wird zuerst einmal deutlich, dass es nicht am mangelnden Samen liegt. Der Bauer war kein Schwabe. Seinen Samen verteilt er nicht sparsam und pingelig genau nur auf dem guten Ackerboden. Nein, er streut ihn großzügig, ja aus schwäbischer Perspektive regelrecht verschwenderisch aus. Ohne vorherige Prüfung der Bodenqualität. Bei der Aussaat berechnet er noch nicht den Ertrag. So fällt der Samen auf jegliche Art von Boden.
Der Same ist das Wort Gottes. So erklärt es Jesus. Dieses Wort wird überall laut. Viele, ja alle sollen und können es hören. Das ist erstmal völlig unabhängig davon, wie es dann aufgenommen wird.
Ob es zu Ertrag kommt, ob der Same Frucht bringt oder nicht, liegt an der Bodenbeschaffenheit. Ob ein Mensch, der Gottes Wort hört, zum Glauben an Jesus Christus findet, hängt davon ab, ob es in sein Herz dringt oder nicht. Das ist die Antwort Jesu auf die Frage nach dem Warum. Nicht alle, die Gottes Wort hören, finden zum Glauben, weil der Same eben nicht immer die Chance hat, zu keimen und zu einer reifen, fruchtbringenden Pflanze heran zu reifen. Nicht alle Böden eignen sich zum Anbau. Nicht alle Herzen sind bereit, Gottes Wort anzunehmen.
Mit dieser Erklärung nimmt Jesus den Druck von unseren Schultern. Nicht die Eltern sind letztlich verantwortlich, wenn ihr Kind trotz christlicher Erziehung nicht zu einem eigenen Glauben findet. Und nicht die Pfarrerin oder der Jungendkreismitarbeiter ist schuld, wenn ein junger Mensch der Kirche und dem Glauben den Rücken zukehrt. Letzten Endes liegt es nicht in menschlicher Hand, auf welchen Boden der Same fällt und ob ein Mensch zum Glauben findet. Das entlastet.
Gleichzeitig heißt es aber nicht, dass unser Tun umsonst ist. Es ist wichtig, dass wir uns als Sämänner benutzen lassen. Wir sind beauftragt zu säen. Und zwar nicht schwäbisch sparsam, sondern verschwenderisch und großzügig. Es ist nicht unsere Aufgabe, irgendwelche Bodenproben zu nehmen oder Bodenqualitäten zu prüfen. Gottes Wort muss überall gehört werden. Deshalb ist es wichtig, dass wir unseren Kindern und Enkeln von Jesus erzählen. Deshalb machen wir Jungschar und Konfis, und deshalb gehen Menschen in die ganze Welt und verkündigen die frohe Botschaft. Auch der scheinbare Misserfolg soll uns dabei nicht entmutigen. Beim Aussäen schauen wir allein auf die Saat. Nicht auf den Acker und auch noch nicht auf die Ernte. Die Saat, das Wort Gottes, ist von unvergleichlicher Qualität. Wir haben die beste Botschaft der Welt: Gott will Beziehung mit dir. Deshalb ist Jesus Christus ist für dich gestorben und wieder auferstanden. Diese Botschaft ist einmalig und diese Botschaft muss überall laut werden.
So weit, so gut. Aber finden Sie diese Antwort befriedigend? Ich nicht wirklich. Für mich verschiebt sich hier die Warum-Frage nur. Zwar beantwortet Jesus die Frage, warum der Same manchmal nicht aufgeht. Aber dann stellt sich doch die Frage, warum nicht alle Böden gleich gut sind? Warum gibt es Disteln und warum sind manche Böden felsig? Warum sind manche Menschen offen und bereit für Gottes Wort und andere nicht?
Das Gleichnis selbst sagt darüber nichts aus. Auffällig sind allerdings zwei sich auf den ersten Blick widersprechende Aussagen, die Jesus im Zusammenhang mit dem Gleichnis macht:
Auf der einen Seite ist da das ermahnende Ende des Gleichnisses: Wer Ohren hat zu hören, der höre! Das geht in die gleiche Richtung wie der Wochenspruch.
Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verstockt eure Herzen nicht.
Hebräer 3, 15
Das hebt den aktiven Teil hervor. Im Bild gesprochen: Sei ein guter Boden. Nimm meinen Samen auf. Bring Frucht.
Auf der anderen Seite sagt Jesus aber zu seinen Jüngern: „Euch ist’s gegeben, zu wissen die Geheimnisse des Reiches Gottes, den anderen ist’s aber gegeben in Gleichnissen, dass sie es sehen und doch nicht sehen und hören und nicht verstehen.“ Hier klingt es so, als verschleiere Jesus seine Botschaft ganz bewusst für einen inneren Kreis, für die Eingeweihten und Auserwählten. „Euch ist’s gegeben.“ – das ist eine eindeutig passive Formulierung. So wie es eben den Filderböden gegeben ist, fruchtbar zu sein und dem trocknen Wüstenboden in der Sahara das nicht vergönnt ist.
Und hier stoßen wir auf eine Spannung in unserem christlichen Glauben, die wir vermutlich nie ganz auflösen können. Der Text selbst beinhaltet diese Spannung.
Einerseits sind wir aufgefordert, zu hören, unsere Herzen für Gott zu öffnen, unsere Böden vorzubereiten und Gottes Wort in uns aufzunehmen.
Andererseits ist Glaube aber auch ein Geschenk. Ein guter Boden ist keine Eigenleistung. Wenn Gottes Wort wirklich in mein Herz dringt und ich an Jesus Christus als meinen Retter und Erlöser glauben kann, dann ist das ein Geschenk Gottes.
Das darf mich niemals stolz, sondern immer nur dankbar machen. Deshalb müssen wir prüfen, wie wir über die Menschen denken und reden, die ohne Jesus Christus unterwegs sind. Belächeln wir den Esoteriker oder suchen wir ein Gespräch auf Augenhöhe mit ihm? Ärgern wir uns über die Konfis, die wir nach der Konfirmation nie wiedersehen oder beten wir für sie?
Warum manchen das Geschenk des Glaubens vergönnt ist und anderen nicht, ist, meines Erachtens aus menschlicher Perspektive letztlich nicht zu beantworten. Mein damaliger Studienleiter im Albrecht-Bengelhaus, Pfarrer Uwe Rechberger sagte einmal, dass es mit der Erwählung so ist, wie mit einem Hochzeitsantrag. Wenn ein Mann eine Frau fragt, ob er sie heiraten möchte, dann sagt sie hoffentlich JA und freut sich aus tiefstem Herzen. Sie fragt nicht, was mit den 4 Milliarden anderen Frauen ist, die der Zukünftige ja jetzt nicht ausgewählt hat, sondern freut sich, dass sie die Braut sein darf. Ich finde diesen Vergleich hilfreich. Unsere Rolle ist die der erwählten Braut.
Und dennoch schmerzt es uns natürlich, wenn Menschen, die uns am Herzen liegen, den Weg zu Jesus nicht finden. Und es ermüdet uns, wenn aus unserer Aussaat so wenig Frucht entsteht. Wenn alle Kraft und Zeit, die wir in die Gemeindearbeit stecken, manchmal so vergeblich scheinen.
Jesus sagt uns zu: „Bittet so wird euch gegeben“. Aus dieser Verheißung ist die Bitte für guten Boden, für offene Herzen nicht ausgenommen. Gott kann aus jedem Boden einen guten Boden machen. Er ist es, der den Samen aufgehen lässt. Deshalb lassen Sie uns ihn immer wieder beten: Für unsere Kinder und Enkel, für unsere Freunde. Für die Konfis. Und nicht zuletzt auch für uns selbst und unseren eigenen Ackerboden.
Amen.
Die Predigt wurde im Gottesdienst am 7. Februar 2021 in Ruit gehalten.
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