Liebe Gemeinde,
Da sitzt er nun. Hinter dicken Gefängnismauern auf lehmigen Boden. Unglaublich heiß und stickig ist es in seiner Zelle. So hatte er sich sein Lebensende sicher nicht vorgestellt. Dabei hätte er es sich doch denken können… Sich in die Familienangelegenheiten des Herrschers Herodes einzumischen, das war riskant. Aber er konnte auch nicht einfach so zusehen. Das Verhältnis zwischen Herodes und seiner Schwägerin ist ein Skandal. Das musste er diesem selbstgerechten Machtmenschen sagen. Seine Aufgabe ist es, Umkehr und Buße zu predigen und die Menschen auf ihre Irrwege hinzuweisen – da kann er auch beim Herrscher keine Ausnahme machen. Auch zum Schutz des ganzen Volkes. Jemand der Kritik an Herodes übt, macht sich natürlich nicht beliebt. Aber dass er ihn gleich ins Gefängnis werfen würde, damit hatte er nicht wirklich gerechnet. Er weiß nicht genau, wie lange er noch leben wird. Aber er weiß, dass seine Tage gezählt sind. Herodes wird ihn hinrichten lassen.
Ich lese aus Matthäus 11:
2 Johannes hörte im Gefängnis vom Wirken Christi. Er schickte einige seiner Jünger zu ihm
Matthäus 11, 2-6
3 und ließ ihn fragen: »Bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen anderen warten?«
4 Jesus gab ihnen zur Antwort: »Geht zu Johannes und berichtet ihm, was ihr hört und seht:
5 Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden geheilt, Taube hören, Tote werden auferweckt, und den Armen wird ´Gottes` gute Botschaft verkündet.
6 Und glücklich zu preisen ist, wer nicht an mir Anstoß nimmt.«
Diese eine Frage lässt Johannes in seinen letzten Tagen einfach nicht los: Wer ist dieser Jesus?
War er nur ein besonderer Mensch? Ein Vorbild? Nur Jesus aus Nazareth und nicht der erhoffte Jesus Christus, der angekündigte und erwartete Retter? Ein besonderer Mensch war er auf jeden Fall. Schon seine Geburt war außergewöhnlich. Ohne Zweifel auch sein Leben. Seine Taten waren groß, seine Worte weise. Aber war das alles?
Oder war es er wirklich? Der Messias? Der von Gott in den alten Schriften angekündigte Retter?
Wer ist dieser Jesus? Johannes muss das unbedingt vor seinem Tod noch klären: »Bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen anderen warten?«
Johannes treibt diese Frage so um, weil sie für ihn existentiell ist. An dieser Frage entscheidet sich für ihn alles: Die Sinnhaftigkeit seines ganzen Lebens und Tuns. Hat es sich gelohnt, mein Leben? Ich hab alles auf diese eine Karte, diesen einen Mann gesetzt – war es die richtige bzw. war er der Richtige? Trägt das, was ich glaube, auch noch in den Stunden der Todesangst? Gibt es Hoffnung über mein irdisches Leben hinaus?
Johannes selbst hatte ihn angekündigt. Er hatte seine Aufgabe von Gott darin gesehen, dem erwarteten Messias den Weg zu bereiten. Er hatte Jesus getauft und schon bevor er im Gefängnis war, hatte er Jesu Taten mit eigenen Augen gesehen und seine Worte gehört. JA, er hatte geglaubt, dass dieser der erwartete Retter ist. Aber jetzt war er sich nicht mehr sicher. Seine Jünger erzählten ihm bei ihren Besuchen zwar immer wieder von dem, was Jesus so tat, aber trotzdem begann er zu zweifeln. Er hatte irgendwie noch mehr von diesem Jesus erwartet.
Eine Veränderung der politischen Verhältnisse. Oder zumindest, dass er ihn nicht so im Gefängnis sitzen lässt. Wie konnte es sein, dass er, der Wegbereiter des Retters und Verkündiger einer neuen Zeit, dass er selbst nun nicht aus seiner Situation gerettet wurde? Er zweifelt. Deshalb muss Johannes das klären, bevor er stirbt. Wer ist dieser Jesus?
Die Antwort, die Jesus Johannes ausrichten lässt, wirkt im ersten Moment total unbefriedigend. Eigentlich antwortet er gar nicht auf die ihm gestellte Frage. Hat er die Frage nicht verstanden? Liegt hier eine misslungene Kommunikationssituation vor? Jesus bekommt eine JA/ Nein – Frage gestellt. Aber anstatt einfach JA oder Nein zu antworten, verweist er auf seine Taten.
4 Jesus gab ihnen zur Antwort: »Geht zu Johannes und berichtet ihm, was ihr hört und seht:
Matthäus 11, 4-6
5 Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden geheilt, Taube hören, Tote werden auferweckt, und den Armen wird ´Gottes` gute Botschaft verkündet.
6 Und glücklich zu preisen ist, wer nicht an mir Anstoß nimmt.«
Im ersten Moment denkt man, dass Jesus Johannes ausrichten lässt, was er eigentlich schon weiß. Von den Taten hatten ihm die Jünger JA schon berichtet. Aber Jesus formuliert seine Antwort ganz bewusst so. Er will viel mehr sagen, als einfach nur: JA, ich bin es. Jesus greift hier ein Zitat aus dem Alten Testament auf. Aus JesaJA 35. Wir haben den Text vorhin als Lesung gehört. Er wusste, dass Johannes den Text, vermutlich sogar die ganze Schrift des JesaJAs auswendig kannte. Und er wusste, dass Johannes die Antwort verstehen würde und sie ihm mehr Halt und Hoffnung geben konnte als ein einfaches JA.
Jesus sagt damit: „JA- JA ich bin es. Ich bin derjenige, den die Propheten angekündigt haben. Ich bin der, auf den du gewartet hast. Und weil ich es bin, erfüllen sich in mir auch alle Zusagen Gottes. Johannes, du kannst dich voll darauf verlassen, Gottes Zusagen gelten alle. Im Leben und auch darüber hinaus.“
Jesus zeigt durch sein Leben und Tun, dass er das JA Gottes ist. Paulus bringt das im 1. Kapitel des 2. Korintherbriefes wie folgt auf den Punkt:
19 Denn der Sohn Gottes, Jesus Christus, den wir in eurer Mitte verkündet haben – ich selbst und Silvanus und Timotheus – , hat nicht JA und Nein zugleich verkörpert; in ihm ist vielmehr das JA Wirklichkeit geworden.
2. Korinther 1, 19+20
20 Was immer Gott an Zusagen gemacht hat – in seiner Person finden sie alle ihre Erfüllung. Er ist das JA, und deshalb sprechen wir auch unter Berufung auf ihn zur Ehre Gottes das Amen.
Im Mittelpunkt alles göttlichen Handelns steht Jesus Christus, der Sohn Gottes. In ihm macht Gott wahr, was er im Alten Testament durch die Propheten zugesagt hat. An Weihnachten, als Gott in seinem Sohn in diese Welt gekommen ist, ist das JA Gottes zu uns Menschen Wirklichkeit geworden. So wirklich und real, dass es schreiend und mit vollen Windeln in der Krippe lag.
In dem Kommen Jesu in diese Welt wird die Zusage wahr, dass Gott zu seinen Menschen steht. Trotz allem. Er verwirft die Menschen nicht, obwohl sie ihm so oft den Rücken zukehren, obwohl sie so leben, als gäbe es ihn nicht.
Er zieht sich nicht trotzig zurück, sondern gibt Gott für unsere Rettung alles. Er schickt seinen Sohn in die Welt, der durch sein Tun, das JA Gottes lebt und durch seinen Tod am Kreuz dieses endgültig und ein für alle Mal besiegelt.
In der Taufe wird uns dieses göttliche JA ganz persönlich zugesprochen. Wenn wir ein kleines Kind taufen, dann sprechen wir ihm zu, dass Gott JA zu ihm sagt, egal, was in seinem Leben kommen wird, egal, wie oft es Gott den Rücken zukehren wird. Gott leistet sozusagen Vorschub. Sein JA steht fest. Seine rettende Hand bleibt immer ausgestreckt. Jederzeit kann sich das Kind auf dieses JA berufen, das heißt die rettende Hand Gottes ergreifen. Wenn ich das Angebot Gottes, sein JA zu mir für mich persönlich annehme, seine rettende Hand ergreife, dann sage ich auch JA zu Gott. Oder um es mit den Worten des Paulus zu sagen, dann sage ich Amen zu Gottes Angebot. Das heißt ich anerkenne, dass Gott in Jesus JA zu mir sagt, dass er mein Retter und Erlöser ist.
Gott zwingt uns nicht, sein Angebot anzunehmen. Aber mal ganz im Ernst – wer kann dieses Angebot ausschlagen? Wenn Jesus JA sagt, wie können wir dann noch nein sagen? Das Angebot ist so verlockend, dass ich nicht nein sagen kann. Das ist wie wenn ich ein Kind an Weihnachten frage, ob es das große und wunderschön verpackte Geschenk unter dem Weihnachtsbaum haben möchte oder nicht. Welches Kind sagt da nein? Warum sollte es das tun?
Wie viel weniger können wir nein sagen, wenn es nicht nur um irgendein Geschenk, sondern um das einmalige und göttliche Geschenk, das Angebot seiner Rettung geht.
Johannes ist nun ganz ruhig. Er hat keine Angst mehr vor seinem Tod. Er weiß, dass Jesus der ist, auf den er gewartet hatte. Auf ihn kann er bauen – im Leben um im Sterben. Jesus ist das JA Gottes, das hat er nun verstanden. Deshalb kann er Amen sagen. Zu Jesus als seinem Retter und auch zu seinem Leben und zu seinem bevorstehenden Tod. Er glaubt, dass ihm das JA Gottes auch noch über den Tod hinaus gilt. Er glaubt, dass Jesus sein Erlöser und Retter ist.
Und Sie? Was glauben Sie? Wer ist dieser Jesus für Sie? War er nur ein toller Mann, den Sie sich zum Vorbild nehmen? Oder ist er ist der Retter und Erlöser? Auf den Sie sich deshalb im Leben und im Sterben verlassen können?
Ich möchte Sie ermutigen, das JA Gottes in Ihr Leben hineinsprechen zu lassen. Vielleicht gerade jetzt in der Advents- und Weihnachtszeit es ganz neu im Kind in der Krippe zu entdecken. Und ich wünsche Ihnen, dass Sie immer wieder Amen zu diesem Kind, JA zu unserem Retter sagen können.
Amen.
–
Die Predigt wurde am 10. Dezember 2017 in der Stadtkirche St. Veit in Waldenbuch gehalten.
No responses yet