Liebe Gemeinde,
haben Sie Hoffnung? Hoffnung für die verschiedenen Bereiche in ihrem Leben? Hoffnung für unser Land? Und Hoffnung für unsere Welt? Der Duden sagt: Hoffnung ist Vertrauen in die Zukunft und Optimismus in Bezug auf das, was die Zukunft bringen wird. Mit welcher Haltung, welcher Erwartung blicken Sie in die Zukunft?
Es macht einen Unterschied, ob wir Hoffnung haben oder nicht. Das haben Wissenschaftler mit einem zugegeben ziemlich grausamen Tierversuch herausgefunden. Sie haben Ratten in ein glattwandiges Gefäß mit Wasser gesetzt, aus dem diese nicht ohne fremde Hilfe wieder herausgekommen sind. Einen Teil der Ratten haben sie nach einer gewissen Zeit zum Durchatmen kurz an Land gesetzt. Die anderen wurden im Wasser gelassen. Während die Ratten, die nicht kurz an Land geholt worden sind, bereits nach gut 15Minuten aufgegeben haben und ertrunken sind, sind die anderen Ratten, die kurz aus dem Wasser genommen worden waren, über 80 Stunden geschwommen. Das ist ein Faktor von 320. – Hoffnung ist das, was sie unterschieden hat von den anderen Ratten. Sie hatten Hoffnung, dass irgendjemand kommt und sie aus ihrer misslichen Lage befreit. Sie hatten die Aussicht auf Rettung.
Es macht einen Unterschied, ob wir Hoffnung haben oder nicht.
Unser heutiger Predigttext ist ein absoluter Hoffnungstext. Der Prophet Jesaja hat ihn dem Volk Israel in scheinbar hoffnungsloser Situation zugesagt. Ich lese aus Jesaja 9 die Verse 1-6:
1 Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell.
Jesaja 9, 1-6
2 Du weckst lauten Jubel, du machst groß die Freude. Vor dir freut man sich, wie man sich freut in der Ernte, wie man fröhlich ist, wenn man Beute austeilt.
3 Denn du hast ihr drückendes Joch, die Jochstange auf ihrer Schulter und den Stecken ihres Treibers zerbrochen wie am Tage Midians.
4 Denn jeder Stiefel, der mit Gedröhn dahergeht, und jeder Mantel, durch Blut geschleift, wird verbrannt und vom Feuer verzehrt.
5 Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ist auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst;
6 auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich, dass er’s stärke und stütze durch Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit. Solches wird tun der Eifer des HERRN Zebaoth.
Die Menschen zur Zeit Jesajas, aus der unser Text stammt, hatten nicht mehr viel Hoffnung. Sie hatten auch nicht so richtig viel Grund dafür. Denn bevor Jesaja ihnen diese Hoffnungsbotschaft verkündigt, spricht er vom nahenden Gericht Gottes, das wie ein reinigendes Feuer über das Land kommen wird. Und das drohende Gericht war deutlich spürbarer als die Freude und der Jubel aus Jesajas Ankündigung. Es wurde dunkler und nicht heller. Gut, eigentlich war es schon dunkel. Korruption und Unterdrückung der Armen, Rechtbeugung und Götzendienst waren an der Tagesordnung. Hinzu kamen nun die ersten Zeichen des drohenden Gerichts. Im Norden eroberten die Assyrer bereits die ersten Gebiete. Krieg lag in der Luft. Darauf hatte Jesaja das Volk schon hingewiesen. Gott würde die Assyrer als Werkzeug benutzen, um sein Volk zu richten. Viele hatten schon resigniert. Sie hörten Jesaja gar nicht mehr zu. Sie hatten die Hoffnung aufgegeben.
Hoffnungslosigkeit – ein Phänomen, das sich auch in unseren Tagen vor allem in Europa auszubreiten scheint. Immer weniger Menschen schauen positiv in die Zukunft. Wenn sie die Politik, die Wirtschaftslage, das sich verändernde Klima und die weltweiten Flüchtlingsströme sehen, dann macht sie das hoffnungslos. Möglicherweise geht es ihnen auch so.
In die Hoffnungslosigkeit hinein verkündigt Jesaja seine Botschaft der Hoffnung. Er malt ein helles Bild für die Zukunft. Er spricht von einem großen Licht, das die Finsternis erhellt. Es ist von lautem Jubel und großer Freude die Rede. Die Kriegsgegenstände werden verbrannt. Jesaja kündigt das Ende aller Unterdrückung und allen Krieges an. Wie passt das zusammen? Wie kommt Jesaja dazu, mitten in der heranrückenden Dunkelheit vom Licht zu sprechen?
Jesaja begründet seine hoffnungsvolle Botschaft mit der Geburt eines Kindes. Das Kind ist aber nicht nur irgendein Kind, nein – das Kind wird die Herrschaft auf seiner Schulter tragen.
Und diesem Kind spricht Jesaja ganz besondere Namen zu: Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater und Friedefürst.
Nomen est omen – mit den Namen zeigt Jesaja die Kompetenzen des Kindes auf. Dieses Kind wird mit Recht und Gerechtigkeit ein ewiges Reich des Friedens regieren. Das Kind ist der Grund, warum es hell wird und alle Finsternis zu einem Ende kommen wird. Das Kind ist das Licht am Ende des Tunnels, der Hoffnungsschimmer am Horizont.
Und wie ging es dann weiter? Wurde es hell oder dunkel fürs Volk Israel? Es wurde dunkel. Zuerst eroberten die Assyrer das Nordreich Israel und vertrieben die Menschen aus ihrer Heimat. Später eroberten die Babylonier auch noch das Südreich Juda und führten dort den Großteil der Bevölkerung weg aus ihrer Heimat ins Exil.
Von dem Licht in der Finsternis war nichts zu sehen. Kein Wunderkind, dass für Befreiung und Frieden sorgte war zu sehen. War es nur eine leere Versprechung von Gott gewesen?
Rund 700 Jahre später verkündigt ein Engel den Hirten auf ihren Feldern wieder eine Hoffnungsbotschaft: „Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.“
Und jetzt wird es ganz konkret. Diese Mal gab es tatsächlich ein Kind. Die Hirten finden es wie von dem Engel angekündigt, in einem Stall in Bethlehem. Ob die Hirten die Hoffnungsbotschaft Jesajas kannten und beim Anblick des Kindes gleich an diese dachten, wissen wir nicht. Sie waren jedenfalls von dem was sie hörten und sahen begeistert. So begeistert, dass sie gleich wieder losgezogen sind und allen Menschen davon erzählt haben: „In Bethlehem ist der Retter geboren. Der Christus, er liegt dort in einem Stall. Wir haben ihn gesehen. Jetzt wird alles anders.“ Die Hirten bekamen durch die Begegnung mit dem Kind ganz neuen Lebensmut. Neue Hoffnung. Aber die Leute, die sie hörten, wunderten sich. So berichtet es uns der Evangelist Lukas. Ein Kind im Stall? Das soll der angekündigte Retter sein?
Seit 700 Jahren warten wir und nichts ist passiert. Mittlerweile sind es die Römer die uns beherrschen und drangsalieren. Finsternis und Krieg gab es immer und gibt es immer noch. Und ein Kind im Stall soll daran etwas ändern? Der Hoffnungsfunke ist nicht direkt auf alle übergesprungen.
Und das ist ja irgendwie auch nachvollziehbar. 2000 Jahre später müssen wir doch sagen, die Hirten haben übertrieben. Die Skeptiker sollten Recht behalten. Ja, es ist ein Kind geboren. Und ja, das mit der Geburt war auch eine besondere Geschichte. Bis heute ist es eine schöne und irgendwie auch romantische Geschichte. Alle Jahre hören wir sie gerne wieder.
Aber die von Jesaja groß angekündigte Wende blieb aus. Bis heute bleibt sie aus. Was hat dieses Kind in der Krippe schon verändert? Recht, Gerechtigkeit, Frieden? In der Welt ist nicht allzu viel davon zu erkennen. Die Finsternis nimmt viel, gefühlt immer mehr Raum in unserer Welt ein. Welche Bedeutung hat das Kind in der Krippe? Welche Auswirkung hat Weihnachten auf unser Leben?
Wie sieht es denn bei Ihnen aus, wenn Sie die Lichter am Christbaum wieder wegmachen und die Kerzen wieder in den Keller tragen? Wie sieht es in 4 Stunden aus, wenn von der großen Bescherung nur noch ein großer Geschenkpapierhaufen übrig ist? Ist dann noch was von dem angekündigten Licht zu spüren? Hat das Kind, hat die Weihnachtsbotschaft dann noch etwas mit Ihrem Leben zu tun? Welche Bedeutung hat das Kind in der Krippe für Sie? Gibt es Ihnen Hoffnung?
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Wir hören ein Orgelstück.
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Liebe Gemeinde,
das Kind in der Krippe ist allemal Grund zur Hoffnung. Ja, es ist der Hoffnungsträger schlechthin. Ohne das Kind hätten wir tatsächlich keinen Grund, optimistisch in die Zukunft zu schauen. Aber weil Jesus geboren ist, weil Gott in ihm zu uns auf die Erde gekommen ist, deshalb kann uns nichts mehr unsere Hoffnung nehmen. Deshalb können wir trotz allem, was scheinbar dagegenspricht, voller Vertrauen in die Zukunft schauen und gehen.
Um zu verstehen, warum das Kind Grund zur Hoffnung gibt, müssen wir die ganze Geschichte in den Blick nehmen. Wir müssen bei Jesaja anfangen, beim Kind im Stall einen Zwischenstopp machen und dann über unser Heute einen Blick auf das Kommende werfen. Denn als Christen glauben und hoffen wir, dass die Ankündigung von Jesaja tatsächlich einmal ganz wahr werden wird. Wir hoffen auf das Ende von jeglichem Krieg und ein Reich des ewigen Friedens. Diese Hoffnung verbinden wir mit der Ankündigung, dass Jesus einmal wiederkommen wird. Und er wird dann sein Reich vollends aufrichten – so wie es im Text verheißen ist.
Vielleicht können wir es mit einer Triologie, einem Roman oder einem Film in drei Teilen vergleichen.
Der erste Teil hat sich lange vor der Geburt Jesu abgespielt. Eben unter anderem zur Zeit von Jesaja, der die Hoffnungsbotschaft verkündigt hat. Gott hat beschlossen und dann auch ankündigen lassen, dass er seinen Sohn in die Welt schicken wird, um mit ihm die Machtverhältnisse neu zu ordnen und Hoffnung in diese Welt zu bringen. Um den Grundstein für eine heile Beziehung zu seinem Volk Israel, aber auch zu allen anderen Völkern und Menschen zu legen.
Der zweite Teil hat sich dann vor gut 2000 Jahren ereignet. Das angekündigte Kind ist geboren. Dieser Teil der Triologie steht heute an Weihnachten im Vordergrund. Uns ist ein Kind geboren – ein Kind mit besonderen Kompetenzen und besonderen Namen. Wenn wir den ganzen zweiten Band, das heißt nicht nur die Geburt des Kindes, sondern auch das Leben und Wirken des erwachsenen Jesus in den Blick nehmen, dann können wir die besonderen Kompetenzen erkennen. Dann können wir durchaus viele Zeichen der Hoffnung entdecken. Denn Jesus war gerade für die da, die scheinbar keine Hoffnung mehr hatte.
Er heilte Kranke, kümmerte sich um Ausgestoßene und Verachtete. Von sich selbst sagte er: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern das Licht des Lebens haben.“ Jesus wurde für viele Menschen zu einem Licht. Ja, für viele, die Jesus begegnet sind, wurde es hell. Und viele setzten ihre Hoffnung auf ihn. Manche dachten, dass er nun auch politisch alles umwerfen würde. Dass er das Reich der Gerechtigkeit und des Friedens aufbauen würde. Aber in Teil 2 der Triologie passiert das noch nicht. Jesus legt in diesem Teil erstmal die Grundlage für Frieden. Indem er am Kreuz stellvertretend für alle Menschen gestorben ist. Nur deshalb ist Friede zwischen Gott und uns Menschen möglich. Und nur auf dieser Grundlage kann sich echter Friede zwischen uns Menschen ausbreiten. Nur weil jetzt Frieden zwischen Gott und uns Menschen möglich ist, ist auch Frieden zwischen unter uns möglich.
Jesus Christus hat Licht in unsere Welt gebracht. Und er hat den Grundstein gelegt, der Frieden überhaupt möglich macht. Aber trotzdem gibt es noch keinen Frieden in unserer Welt. Es gibt trotzdem noch viel Finsternis. Grund, die Hoffnung aufzugeben?
Nein, denn es gibt noch einen dritten Teil! Das in Teil 1 angekündigte hat sich in Teil 2 nur teilweise erfüllt. Es muss also noch einen dritten Teil geben. Der dritte Teil, das große Finale steht noch aus. Jesus Christus wird eines Tages wiederkommen und dann wird er sein Reich und seine Herrschaft endgültig aufrichten. Alles Widergöttliche wird dann besiegt und vernichtet und Frieden wird auf ewig herrschen. Finsternis wird es dann endgültig nicht mehr geben. Recht und Gerechtigkeit werden herrschen. Jesus selbst wird der gerechte Herrscher mitten unter uns sein. Dann wird der Zustand erreicht, von dem Jesaja bereits gesprochen hat. Das Volk, das im Finstern wandelt, wird sieht ein großes Licht sehen, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, wird es hell scheinen.
Und bis dahin? Ist das eine Vertröstung, die die biblische Botschaft in ihrer Glaubwürdigkeit retten soll. Die uns Hoffnung einreden soll, wenn alles hoffnungslos scheint?
Nein, ich denke, das ist mehr als eine Vertröstung. Denn das Licht strahlt uns, die wir in der Trilogie irgendwo zwischen Teil 2 und Teil 3 stehen, von beiden Seiten entgegen. Und das kann unsere Situation im Hier und Jetzt verändern. Im zweiten Teil, an Weihnachten hat sich bereits ein Teil der Hoffnungsbotschaft von Jesaja erfüllt. Deshalb haben wir Hoffnung, dass sich eines Tages auch der Rest erfüllen wird. Und weil wir Hoffnung haben, können wir heute anders leben. Die Hoffnung gibt uns Kraft und Mut für die Herausforderungen, mit denen wir jetzt konfrontiert sind. Wir müssen nicht in das große Klagen der Schwarzmaler einstimmen. Wir leben aus und in der Hoffnung. Wir Christen sind Hoffnungsträger.
Und weil wir Frieden mit Gott haben – deshalb können wir Friedensbotschafter für diese Welt sein. Und weil wir glauben, dass mit Jesus Christus das Licht in die Welt gekommen ist, können wir heute und jetzt unsere Welt heller machen.
Lassen Sie uns das ausstrahlen und leben. Nicht nur in der Weihnachtszeit. Lassen Sie uns auch noch leuchten, wenn alle Kerzen der Weihnachtszeit wieder im Keller verpackt sind. Lassen Sie uns wie die Hirten nicht schweigen, sondern von der Hoffnung, der Botschaft, von der wir leben, weitererzählen.
Amen.
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Die Predigt wurde an Heilig Abend 2018 in der Stadtkirche St. Veit in Waldenbuch gehalten.
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