Predigt_13. März 2022

Liebe Gemeinde,

Das Gebet ist ein Reden des Herzens mit Gott in Bitte und Fürbitte, Dank und Anbetung.“ Diese Definition von Gebet, die vermutlich auf Johannes Brenz zurückgeht, haben die meisten von Ihnen sicher irgendwann einmal im Konfirmandenunterricht auswendig gelernt. Auch einige von Ihnen, liebe Jubilare, können sich sicher daran erinnern.

Ich möchte Sie heute Morgen fragen: Was ist das Gebet für Sie persönlich?

Eine Kraftquelle? Beziehungspflege? Leeres Geschwätz? Oder wohltuendes Ritual?

Wann beten Sie? Was beten Sie und wie beten Sie?

In unserem heutigen Predigttext geht es um ganz besondere Gebete. Wir sehen und hören Jesus dabei zu, wie er in großer Angst und Anfechtung zu seinem Vater im Himmel schreit.  Ich lese aus Matthäus 26, die Verse 36-46:

 36 Da kam Jesus mit ihnen zu einem Garten, der hieß Gethsemane, und sprach zu den Jüngern: Setzt euch hierher, solange ich dorthin gehe und bete. 37 Und er nahm mit sich Petrus und die zwei Söhne des Zebedäus und fing an zu trauern und zu zagen. 38 Da sprach Jesus zu ihnen: Meine Seele ist betrübt bis an den Tod; bleibt hier und wachet mit mir! 39 Und er ging ein wenig weiter, fiel nieder auf sein Angesicht und betete und sprach: Mein Vater, ist’s möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst! 40 Und er kam zu seinen Jüngern und fand sie schlafend und sprach zu Petrus: Konntet ihr denn nicht eine Stunde mit mir wachen? 41 Wachet und betet, dass ihr nicht in Anfechtung fallt! Der Geist ist willig; aber das Fleisch ist schwach. 42 Zum zweiten Mal ging er wieder hin, betete und sprach: Mein Vater, ist’s nicht möglich, dass dieser Kelch vorübergehe, ohne dass ich ihn trinke, so geschehe dein Wille! 43 Und er kam und fand sie abermals schlafend, und ihre Augen waren voller Schlaf. 44 Und er ließ sie und ging wieder hin und betete zum dritten Mal und redete abermals dieselben Worte. 45 Dann kam er zu den Jüngern und sprach zu ihnen: Ach, wollt ihr weiter schlafen und ruhen? Siehe, die Stunde ist da, dass der Menschensohn in die Hände der Sünder überantwortet wird. 46 Steht auf, lasst uns gehen! Siehe, er ist da, der mich verrät.

Matthäus 26, 36-46

In diesem Text steckt sehr viel Bewegung. Jesus läuft dreimal zwischen den drei Jüngern und seinem Gebetsort hin und her. Das äußere Hin- und Her spiegelt die innere Unruhe Jesu wider. Jesus wusste, dass es jetzt auf sein Ende zuging. Er wusste, dass er noch an diesem Abend festgenommen werden würde. Und er hatte Angst. Jesus trauerte und zagte.

Passt das zum Gottessohn? Ja, das passt, denn er war eben auch ganz Mensch. Das sehen wir hier ganz deutlich. Und weil es auch ganz Mensch war, hätte Jesus am liebsten einen Rückzieher gemacht. Weil er ganz Mensch war, kämpfte er in dieser Nacht mit Anfechtung und Angst. Jesus läuft aber nicht weg. Er wird nicht panisch oder kopflos. Nein, er geht ins Gebet. Er bringt seine Gefühle und Gedanken zu seinem Vater im Himmel.

Wir werden uns die Szene in Gethsemane heute Morgen unter drei Fragestellungen anschauen: 1. Wer betet mit Jesus? 2. Was betet Jesus? und 3. Wie betet Jesus?

1. Wer betet mit Jesus?

Nach dem gemeinsamen Passamahl nimmt Jesus alle 11 Jünger mit in den Garten Gethsemane. Den Großteil lässt er nach der Ankunft dort irgendwo im Eingangsbereich zurück. Drei nimmt er noch ein Stückchen weiter mit sich: Petrus, und die zwei Söhne des Zebedäus, das sind Jakobus und Johannes. Diese Drei gehörten zu den ersten Jüngern und diese drei hatte er auch mit auf den Berg genommen, als er verklärt worden war.

Dort hatten sie Jesus in seiner ganzen Hoheit und Herrlichkeit als Gottessohn gesehen, jetzt werden sie Zeugen seiner zutiefst menschlichen Trauer, seiner Angst und seiner Verzweiflung. Vor diesen drei Freunden spricht Jesus seine Gefühle aus:

Meine Seele ist betrübt bis an den Tod.

Matthäus 26, 38b

gesteht er ihnen. Und dann erleben die Drei eine verkehrte Welt. Jesus, der von Matthäus als Immanuel, das heißt „Gott mit uns“ vorgestellt wird, bittet nun seine Jünger:

Bleibt hier und wacht mit mir.

Matthäus 26, 38b

Das dürfte ja kein Problem sein, hatten sie doch gerade erst am Abendessen alle begeistert dem Treueversprechen des Petrus zugestimmt:

Und wenn ich mit dir sterben müsste, werde ich dich nicht verleugnen.

Matthäus 26, 35

hatte dieser im Brustton der Überzeugung versprochen.

Doch schon jetzt scheinen sie sich nicht mehr daran zu erinnern. Zumindest können sie ihr Versprechen nicht halten. Die Freunde versagen als Wegbegleiter und Seelsorger auf ganzer Linie. Sie schlafen ein. Jesus weckt sie wieder. Nicht um seinetwillen, sondern um ihretwillen:

Wachet und betet, dass ihr nicht in Anfechtung fallt! Der Geist ist willig; aber das Fleisch ist schwach.

Matthäus 26, 41

Doch auch während des zweiten Gebetes Jesu schlafen sie wieder ein. Dieses Mal weckt er sie nicht mehr auf. Er weiß, dass er sich auf seine Freunde im Letzten nicht verlassen kann. Sie erkennen den Ernst der Lage nicht und sie sind zu schwach. Jetzt schlafen sie, später fliehen sie und lassen Jesus im Stich. Petrus setzt dem Ganzen am Ende noch die Krone auf, indem er dreimal behauptet, Jesus gar nicht zu kennen.

Was sind das eigentlich für Freunde? Wenn wir die Passionsgeschichte lesen, dann schütteln wir über die drei Schlafmützen und die anderen Jünger den Kopf. Wir ärgern uns über Petrus, den Schwätzer. Und insgeheim denken wir doch, uns wäre das nicht passiert. Wir hätten intensiv mit und für Jesus gebetet und wären ihm bis zum Schluss treu geblieben.

Ist es so? Was sind wir für Freunde?

Wollt ihr mit Jesus Christus, eurem Herrn, leben, im Glauben an ihn wachsen und in seiner Gemeinde bleiben, so antwortet: Ja, mit Gottes Hilfe.“ So oder so ähnlich wurden wir alle bei unserer Konfirmation gefragt. Alle, die von uns konfirmiert sind, haben: Ja, mit Gottes Hilfe geantwortet. Wozu haben wir da eigentlich JA gesagt? Was heißt es, mit Jesus Christus, unserem Herrn zu leben?

Das Lied von Chris Tomlin I will follow beschreibt es so: „Wo du hingehst, werde ich auch hingehen, wo du bleibst, werde ich auch bleiben, wenn du dich bewegst, werde ich mich auch bewegen. Ich werde dir folgen. Wen du liebst, den werde ich lieben, so wie du dienst, werde ich dienen, auch wenn ich diese Leben verliere, werde ich dir folgen.

Puh, das ist ein ganz schön großes Versprechen, das wir da gegeben haben. Haben wir da in unserem jugendlichen Leichtsinn nicht wie Petrus und die Jünger den Mund etwas zu voll genommen?

Ich meine, Ja und Nein. Ja, weil wir es aus uns nicht schaffen, Jesus so nachzufolgen. Weil er es nicht schaffen, zu lieben und zu dienen, wie er liebt und dient. Weil wir es nicht hinkriegen, ihm immer nachzufolgen. Weil wir nicht besser und nicht treuer sind als die Jünger.

Und Nein, weil wir nicht geantwortet haben „Ja, wir schaffen das“, sondern „Ja, mit Gottes Hilfe.“ Mit Gottes Hilfe – das heißt, im Vertrauen darauf, dass er uns hilft, ihm nachzufolgen. Dass er uns prägt, verändert und nach seinem Willen formt. Und mit Gottes Hilfe heißt auch mit seiner Treue und Vergebungsbereitschaft, die kein Ende kennt.

Auch wenn wir in unserer Nachfolge, in unserem Jüngersein, schon häufig gescheitert sind und noch häufig scheitern werden, hat Jesus dafür gesorgt, dass uns unsere Untreue vergeben ist. Das hat er getan, auch wenn der Mensch Jesus große Angst vor diesem Schritt hatte. Und damit kommen wir zur zweiten Frage:

2. Was betet Jesus?

Was ist der Inhalt seiner Bitte? Jesus bittet seinen Vater, dass der Kelch an ihm vorüber gehe. Der Kelch ist in der Sprache der Bibel ein Bild für das Gericht und den Zorn Gottes. Das Gericht, das die Menschen verdient haben, weil sie sich gegen Gott entschieden haben und aufgrund dieser abgelehnten Beziehung ihre scheinbare Freiheit und Unabhängigkeit zum Bösen und Schlechten benutzen. Gott kann und will aber all das Schlechte und Böse in dieser Welt nicht einfach so stehen lassen, weshalb es ein Gericht und eine Strafe braucht.  Diese Strafe nimmt Jesus auf sich. So ist es Gottes Plan. Damit macht er für alle Menschen einen Neuanfang mit Gott möglich. Das ist die Grundlage für die unendliche Vergebungsbereitschaft Gottes.

Jesus kennt seine Aufgabe. Er weiß, dass er die Schuld der Welt auf sich nehmen wird. Und gerade deshalb überfällt ihn im Garten Gethsemane die Angst und Trauer. Ganz Mensch hat er Angst, vor dem, was da auf ihn zukommt. In enger Verbindung zu seinem Vater, wendet er sich in seiner Verzweiflung an ihn.

Was tun wir, wenn wir innerlich unruhig und bewegt sind. Wenn uns die Angst überfällt? Wenn wir die Nachrichten ausschalten müssen, weil wir all das Leid nicht mehr aushalten? Wenn uns die Last der Welt oder auch unsere persönliche Situation zu schaffen macht?

Von Jesus können wir lernen, alles zu Gott zu bringen. Auch die Dinge, die uns unmöglich erscheinen. Es gibt nichts, was wir Gott nicht anvertrauen können. Vor Gott können wir unser Herz ausschütten. „Das Gebet ist ein Reden des Herzens in Bitte und Fürbitte, Dank und Anbetung“ – und ich meine, was hier ergänzt werden kann, in Klage und Frage! Auch das gehört zu unserem Glauben und auch das können wir vor Gott aussprechen. Die Psalmen machen es uns vor.

Jesus formuliert in seiner Situation eine Bitte. Er tut das allerdings nicht mit einer Anspruchshaltung im Stil „Ich will aber.“, sondern in einer Haltung der Unterordnung. Das bringt uns zur dritten und letzten Frage:

3. Wie betet Jesus?

„Mein Vater, ist’s möglich, so gehe dieser Kelch an mit vorüber; doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst.“

Matthäus 26, 39b

– Jesus liegt auf seinem Angesicht und spricht seine Bitte vor seinem Vater aus. Was auffällt ist, dass er seine Bitte unter einen zweifachen Vorbehalt stellt: „Ist’s möglich“ fängt er an und hört mit den Worten auf: „doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst.

Und es fällt auf, dass sich seine Bitte verändert: Sein zweites und wohl auch drittes Gebet formuliert er so:

Mein Vater, ist’s nicht möglich, dass dieser Kelch vorübergehe, ohne dass ich ihn trinke, so geschehe dein Wille!

Matthäus 26, 42b

Jesus betet und beim Gebet verändert sich seine innere Haltung und damit seine Bitte. Man kann sagen, er betet sich in den Willen seines himmlischen Vaters hinein. Das ist eine spannende Haltung, die er uns hier beibringt. Uns in den Willen des himmlischen Vaters hineinzubeten. Das heißt, wir kommen mit unseren Bitten und dem, womit wir hadern, zu Gott.

Wir sagen es ihm wieder und wieder. Und dabei verändert unser Gebet manchmal nichts an der eigentlichen Situation, aber es verändert uns.

Von Jesus im Garten Gethsemane beten zu lernen, heißt auch zu erkennen, dass die eigenen Bitten, und seien sie in noch so guter Absicht vorgebracht, nicht zwingend deckungsgleich mit Gottes Willen sind. Und dabei müssen wir einsehen, dass wir Gottes Willen offenbar nicht immer verstehen. Es erschließt sich uns oft der Sinn im Hier und Jetzt noch nicht. Und trotzdem verändert es uns, wenn wir im Gebet lernen, unseren Willen Gottes Willen unterzuordnen. Jörg Zink schreibt: „Wer den Willen Gottes bejaht, hat damit nicht seine Not überwunden. Er hat noch keine Deutung für seine Schwertmut und sein Elend. […] Er weiß noch lange nicht, dass es ein Durchkommen gibt, ein Ziel, eine Befreiung […]. Er glaubt es. Das ist, am Maß des Elends gemessen, wenig. Es ist aber das Größte, das er in dieser Welt erlangen wird.

Dem betenden Jesus gibt dieses Bejahen die Kraft, den nächsten Schritt zu gehen. Nachdem er dreimal mit seinem Vater gesprochen hat, ist er bereit, dem Entgegenzugehen, was nun auf ihn zukommt.

Steht auf, lasst uns gehen! Siehe, er ist da, der mich verrät.

Matthäus 26, 46

sagt er zu seinen Jüngern. Wir wissen, wie es weitergeht. Jesus wird verhaftet, verurteilt und gekreuzigt. Er trinkt den Kelch. Und so wird der Kelch des Gerichtes zum Kelch des Heils – so wie Jesus zuvor beim Passamahl angekündigt hatte und wie wir es jedes Mal in Erinnerung rufen, wenn wir Abendmahl feiern:

Trinket alles daraus, denn das ist mein Blut des neuen Bundes, das für euch und für viele vergossen wird zur Vergebung euerer Sünden.

Matthäus 26, 28

Jesus trinkt den Kelch. Für seine Freunde, die ihn im Stich lassen und für uns, die wir ihm immer wieder untreu werden, für die, die ihn verraten, für die, die ihn ans Kreuz schlagen, und für die, die ihn anspucken. Für dich und für mich. Er stirbt für uns und zeigt uns damit dass und wie sehr Gott uns liebt. Und dass ist auch der Grund, warum wir seinem guten Willen trotz und in allem vertrauen können. Weil er uns liebt.

Amen.

Die Predigt wurde am 13. März 2022 in der Auferstehungskirche in Ruit im Rahmen einer "goldenen Konfirmation" gehalten. 
Tags

No responses yet

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert