Liebe Gemeinde,
„Bis bald!“ – „Bis nächste Woche!“ – „Bis zum nächsten Mal!“ – „Bis nächstes Jahr!“
Wenn wir uns verabschieden, verknüpfen wir das häufig mit der Aussicht auf ein Wiedersehen. Wir tun das, um besser mit dem Abschied und der damit verbundenen Trennung zurecht zu kommen. Mit der Trauer über den Abschied verbinden sich dann schon die Hoffnung und die Vorfreude auf ein Wiedersehen.
Um Abschied und Wiedersehen, Trauer und Freude geht es auch in unserem heutigen Predigttext. Es ist ein Abschnitt aus einer Abschiedsrede, mit der Jesus seine Jünger auf das Bevorstehende vorbereitet hat.
16 Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht mehr sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen. 17 Da sprachen einige seiner Jünger untereinander: Was bedeutet das, was er zu uns sagt: Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen; und: Ich gehe zum Vater? 18 Da sprachen sie: Was bedeutet das, was er sagt: Noch eine kleine Weile? Wir wissen nicht, was er redet. 19 Da merkte Jesus, dass sie ihn fragen wollten, und sprach zu ihnen: Danach fragt ihr euch untereinander, dass ich gesagt habe: Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen? 20 Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet weinen und klagen, aber die Welt wird sich freuen; ihr werdet traurig sein, doch eure Traurigkeit soll zur Freude werden. 21 Eine Frau, wenn sie gebiert, so hat sie Schmerzen, denn ihre Stunde ist gekommen. Wenn sie aber das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an die Angst um der Freude willen, dass ein Mensch zur Welt gekommen ist. 22 Auch ihr habt nun Traurigkeit; aber ich will euch wiedersehen, und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen. 23 Und an jenem Tage werdet ihr mich nichts fragen.
Johannes 16, 16-23a
Die Jünger sind mit den Ankündigungen Jesu überfordert. Sie verstehen nicht, was er ihnen sagen möchte. Was meint er, wenn er von der kleinen Weile redet? Und wo geht er hin?
Aus unserer Perspektive ist das deutlich leichter zu verstehen. Jesus spricht von seinem Tod und seiner Auferstehung. Für uns liegt das auf der Hand. Wir haben den großen Vorteil, dass wir alles aus österlicher Perspektive, im Licht der Auferstehung betrachten können. Vor drei Wochen erst haben wir das Osterfest wieder gefeiert. Wir kommen von Ostern her. Deshalb bestimmen uns nicht Fragen, Unsicherheit und Traurigkeit. Uns prägt die Freude. Denn die, so macht es Jesus deutlich, steht am Ende. Diese Freude werden wir nun in drei Punkten genauer betrachten.
1. Der Grund der Freude
„Ich will euch wiedersehen und euer Herz soll sich freuen.“
Johannes 16, 22
Das Wiedersehen mit Jesus ist der Grund der Freude.
In einigen Gegenden in Ostdeutschland wird in der Passions- und Osterzeit pro Gemeinde nur ein Gottesdienst gefeiert. Es gibt schlichtweg vielmehr Kirchen und Gemeinden als Pfarrpersonen. Viele besuchen dann nur den einen Gottesdienst in ihrer Gemeinde – das kann dann Gründonnerstag, Karfreitag oder Ostern sein. Je nach dem, was in diesem Jahr angeboten wird. Das Problem dabei ist, dass entweder die Trauer ohne Hoffnung oder die Freude ohne Begründung, ohne Hintergrund bleibt. Karfreitag und Ostern gehören untrennbar zusammen. Das eine geht nicht ohne das andere.
Zu einem Wiedersehen gehört zwangsläufig ein Abschiednehmen. Im Fall von Jesus ist das nicht nur eine räumliche Trennung, nein, es scheint eine ewige Trennung zu sein. Ein Abschiednehmen am Kreuz und am Grab. Die Freunde Jesu werden weinen und klagen. Ihr Herz wird gebrochen, ihre Hoffnungen werden zerstört. Aber damit endet die Geschichte nicht. Nein, Jesus Christus bleibt nicht tot. Das Grab an Ostern war leer. Jesus ist auferstanden. Er lebt. Seine Jünger haben ihn wiedergesehen. Das ist der Grund der Freude, die Jesus seinen Jüngern ankündigt und die wir schon kennen und haben. Jesus lebt! Macht das etwas mit Ihnen?
Ist diese Botschaft für Sie Grund zur Freude? Und wie unterscheidet sich die Freude über die Auferstehung Jesu von allen anderen Freuden? Damit kommen wir zum zweiten Punkt:
2. Die Art der Freude
Freuen kann man sich ja über viele Dinge. Über tolles Frühlingswetter, über einen Anruf oder einen Brief, über den Sieg seiner Fußballmannschaft und noch vieles mehr. Schön, wenn kleine Dinge das Gefühl der Freude in uns auslösen. Leider ist es aber mit den Freuden des Alltags oft so, dass sie nicht unbedingt von Dauer sind. Das Gefühl der Freude wird häufig schnell von anderen Dingen überlagert und verdrängt. Wie schnell holt uns eine Nachricht in unserem Newsfeed oder eine Schlagzeile in der Zeitung wieder auf den Boden der Tatsachen zurück?
Jesus verspricht eine Freude, die anders ist. Die niemand und nichts wieder nehmen kann. Es ist eine Freude, die größer ist als alle Umstände. Eine Freude, die auch noch im größten Leid da ist. Auch dann, wenn wir eine schlechte Diagnose bekommen. Wenn wir am Grab stehen. Wenn scheinbar alles zum Heulen ist. „In dir ist Freude, in allem Leide.“, so dichtet es Cyriakus Schneegaß Ende des 16. Jahrhunderts.
Warum ist das so? Warum ist die Osterfreude größer als alles Leid? Warum ist sie unzerstörbar und unverlierbar? – Weil sie mehr ist als ein Gefühl. Sie ist die Gewissheit, dass Jesus Christus auferstanden ist und damit allem Bösen, Lebensfeindlichen und Tödlichem endgültig die Macht genommen hat. Ja, noch haben diese Dinge einen gewissen Spielraum. Noch gibt es Leid – auch in unserem Leben. Aber wir wissen: Am Ende siegt das Leben.
Jesus verwendet als Vergleich das Bild einer Frau, die ein Kind zur Welt bringt. Während der Geburt hat sie große Schmerzen. Aber wenn sie dann nach der Geburt ihr neugeborenes Kind in den Armen hält, sind diese Schmerzen schnell wieder vergessen. Sie freut sich so über das neue Leben, dass alles andere in den Hintergrund tritt. Viele Mütter beschreiben die Geburt ihrer Kinder tatsächlich so. Und wäre es nicht so, gäbe es vermutlich nur Einzelkinder auf dieser Welt.
Noch liegt diese Welt in den Wehen. Noch ist Vieles schmerzhaft und beängstigend. Aber am Ende steht das neue Leben. Das Leben in der Gegenwart Gottes, das im Buch der Offenbarung als ein Leben ohne Tränen, Leid, Schmerz, Geschrei und Tod beschrieben wird. Darauf leben wir zu und davon leben wir schon jetzt. Freudig. Hoffnungsvoll. Getröstet.
3. Die Folge der Freude
„Und an jenem Tage werdet ihr mich nichts fragen.“
Johannes 16, 23a
, sagt Jesus ganz am Ende unseres Predigttextes zu seinen Jüngern. Man überliest diesen Satz schnell und doch steckt eine wichtige Botschaft in ihm: Am Tag des Wiedersehens, am Tag der Auferstehung ist alles klar.
Alle Zweifel, alle Warum- und Wie- Fragen sind dann mit einem Mal irrelevant. Die Freude ist das, was zählt. Tatsächlich lesen wir in den Evangelien nichts von Fragen, die die Jünger Jesus nach seiner Auferstehung gestellt haben. In der Gegenwart Jesu ist ihnen alles klar. Sie müssen nichts mehr wissen. Das Wesentliche ist offensichtlich für sie.
Haben Sie auch so eine Liste mit Fragen, die Sie Gott auf jeden Fall stellen wollen, wenn sie einmal bei ihm sind? Das können sehr theologische Fragen sein, wie zum Beispiel: „Warum hat Gott die Schlange geschaffen, die den Menschen letztlich verführt hat?“ Es können aber auch ganz persönliche, biographische Fragen sein: „Warum musste ich dadurch?“ „Warum hast du mein Beten und Flehen damals nicht gehört?“ „Warum hat mein Sohn den Weg zum Glauben nicht gefunden?“
Ich bin gespannt, ob wir die Fragen noch stellen werden, oder ob es uns geht, wie den Jüngern und all unsere Fragen im Angesicht Jesu Christi völlig irrelevant für uns sind. Ob uns vielleicht auch alles plötzlich ganz klar ist.
Die wesentlichsten Fragen des Lebens hat Gott mit Ostern schon beantwortet. Er ist derjenige, der die Macht über Leben und Tod hat. Am Ende steht das Leben. Der Weg zu ihm ist frei und eine Beziehung zu ihm ist möglich. Er liebt uns mit absoluter Hingabe und ist für uns. All das ist seit Ostern zweifelsfrei geklärt. Darüber müssen wir uns den Kopf nicht mehr zerbrechen und uns vielmehr darüber freuen.
Liebe Gemeinde, ich wünsche Ihnen, dass Sie in, aus und von der Osterfreude leben. Der Freude, die in der Auferstehung Jesu begründet ist, die unzerstörbar und unverlierbar ist und die, die wichtigsten Fragen in unserem Leben beantwortet. Ich wünsche Ihnen, dass diese Freude tief in Ihrem Herzen verankert ist und Ihr Leben prägt. Und ich wünsche mir, dass wir diese Freude ausstrahlen. Denn wir haben einen Auftrag für diese Welt. Wir sind Freudenboten und Hoffnungsträger. Deshalb lassen Sie uns die freudige Osterfreude in die Welt hinaustragen. Zu unseren pessimistischen Nachbarn und grummeligen Arbeitskollegen. In die Kliniken und Gefängnisse. Auf die Friedhöfe und in die Trauerkapellen. Jesus lebt. Er ist gestorben und auferstanden. Deshalb haben wir eine begründete Freude in uns, die uns auch im größten Leid trägt. Denn wir wissen: Einmal, da werden wir bei ihm sein. Bis dahin leben erfüllt von der Osterfreude und in Vorfreude auf das ewige Leben in seiner Gegenwart. Amen.
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Die Predigt ist ein Vorschlag für eine Prädikantenpredigt für den 30.4.2023
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