Liebe Gemeinde,
als ich eine pubertierende Teenagerin war, da fand ich es ultra peinlich, in einem Auto mit Stern zu fahren. In meinen Augen fuhren in solchen Autos nur reiche, spießige Rentner durch die Gegend und das hat ja so gar nicht zu mir gepasst. Ich fand das sogar so peinlich, dass wenn mein Opa mir anbot, mich vom Klavierunterricht abzuholen und er mit seinem alten Mercedes kommen wollte, dass ich lieber auch bei Regen das Fahrrad genommen habe. – 10 Jahre später habe ich dann einen Mann geheiratet, der die Autos mit Stern baut und mittlerweile fahren wir deshalb selbst so ein, wie ich früher dachte, spießiges Rentnerauto, das ich zugegeben inzwischen auch ganz gern mag.
Meine Meinung und meine Einstellung gegenüber der Marke hat sich geändert. Ich habe sozusagen einen Sinneswandel durchgemacht. Hatten Sie auch schon einmal einen solchen Sinneswandel? Waren Sie früher beispielsweise überzeugt davon, dass man als Christ die CDU wählen muss und mittlerweile machen Sie ihr Kreuz doch an einer anderen Stelle? Oder Sie waren früher ein überzeugter VFB-Fan und heute feuern Sie lieber Borussia Dortmund an?
In unserem heutigen Predigttext geht es um ein Sinneswandel des Paulus – es geht aber nicht nur einen, nein man muss sagen, es geht um DEN Sinneswandel, der sein Sein völlig verändert und seinem Leben eine 180Grad Wende gegeben hat.
Ich lese aus dem Philipperbrief im 3 Kapitel die Verse 7-14:
7 Aber was mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Schaden erachtet.
Philipper 3, 7-14
8 Ja, ich erachte es noch alles für Schaden gegenüber der überschwänglichen Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn. Um seinetwillen ist mir das alles ein Schaden geworden, und ich erachte es für Dreck, auf dass ich Christus gewinne
9 und in ihm gefunden werde, dass ich nicht habe meine Gerechtigkeit, die aus dem Gesetz, sondern die durch den Glauben an Christus kommt, nämlich die Gerechtigkeit, die von Gott kommt durch den Glauben.
10 Ihn möchte ich erkennen und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden und so seinem Tode gleich gestaltet werden,
11 damit ich gelange zur Auferstehung von den Toten.
12 Nicht, dass ich’s schon ergriffen habe oder schon vollkommen sei; ich jage ihm aber nach, ob ich’s wohl ergreifen könnte, weil ich von Christus Jesus ergriffen bin.
13Meine Brüder und Schwestern, ich schätze mich selbst nicht so ein, dass ich’s ergriffen habe. Eins aber sage ich: Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich aus nach dem, was da vorne ist,
14 und jage nach dem vorgesteckten Ziel, dem Siegespreis der himmlischen Berufung Gottes in Christus Jesus.
Gleich im ersten Vers wird klar, dass Paulus seine Haltung grundlegend geändert hat. Was er früher für einen Gewinn hielt, das hält er jetzt für einen Schaden. Die Begriffe, die Paulus hier benutzt, stammen aus der kaufmännischen Sprache und könnten auch mit Profit und Verlust übersetzt werden. Paulus beschreibt also seine geistliche Transaktion. Das Plus wurde für ihn zum Minus.
Was er früher für einen oder besser gesagt für seinen Gewinn hielt, zählt er in dem Abschnitt vor unserem Predigttext auf. Er war stolz auf eine Beschneidung, auf seine Abstammung vom Stamm Benjamin, auf seine Gesetzestreue als Pharisäer und auf den Eifer und Erfolg, den er als Christenverfolger hatte. Paulus war überzeugt davon, alles richtig zu machen und genauso zu leben, wie Gott das will.
Das dachte der alte Paulus – bis ihm die Augen aufgegangen sind und er die Dinge im wahrsten Sinne des Wortes mit neuen Augen gesehen hat. In der Apostelgeschichte, wo das Ereignis seiner Bekehrung erzählt wird, heißt es: Es fiel ihm wie Schuppen von den Augen. Er konnte, nachdem er mit Blindheit geschlagen gewesen war, wieder sehen und er erkannte:
„Alles, wofür ich bisher gelebt habe, alles, worauf ich so stolz war, ist nichts wert! Es ist Dreck. Müll. Mist. Es hat mir nur geschadet, weil es mir den Blick auf Jesus versperrt hat. Ich hatte die Hände voller Dinge, die ich selbst Gott bringen wollte, dass ich keine Hand frei hatte, Gottes Gnade in und durch Jesus Christus zu empfangen.“
Was versperrt uns den Blick auf Jesus Christus? Welche Dinge wollen wir zu Gott bringen? Worauf sind wir stolz und was halten wir für unseren Gewinn? Den regelmäßigen Gottesdienstbesuch? Die Spenden, die jeden Monat per Dauerauftrag von unserem Konto weggehen? Die treue Mitarbeit in der Gemeinde oder die Hilfsbereitschaft der kranken Nachbarin gegenüber?
Beim einen oder anderen ist da vielleicht aber auch eine Unsicherheit, ob es denn reicht, was man tut. Möglicherweise sogar das Gefühl, zu wenig Gewinn zu verbuchen. Zu schlecht zu sein, um überhaupt vor Gott zu kommen.
Seit Paulus Jesus kennt, urteilt er anders. Er hat nach seinem Sinneswandel neue Prioritäten. Er findet jetzt etwas ganz anderes lohnens- und lebenswert. Ein Leben für und mit Christus. Ganz oben im Wert steht für ihn nun die allesüberragende Größe der Erkenntnis Jesu Christi als seinen Herrn. Er möchte Christus erkennen, die Kraft seiner Auferstehung erleben, er möchte an den Leiden Christi teilhaben, sodass er ihm sogar bis in sein Sterben hinein ähnlich wird. Jesus Christus ist nun der Dreh- und Angelpunkt im Leben des Paulus. In nahezu jedem Vers unseres Textes schreibt Paulus von ihm. Ihm möchte er ähnlicher werden. Er ist sein Herr!
Dieser Sinneswandel ist keine Eigenleistung des Paulus. Jesus Christus hat dieses Umdenken in ihm gewirkt. Durch ihn sieht er die Dinge nun klar. Die Erkenntnis Jesu Christi als seinen Herrn ist ein Geschenk. Und durch diese überschwängliche Erkenntnis sieht es Paulus jetzt ganz klar: Ich bin gerecht vor Gott, nicht weil ich irgendetwas selbst dazu beigetragen hätte. Nicht aufgrund meiner Leistungen und meines vorbildlichen Lebens nimmt mich Gott an, sondern aus Glauben. Aus Gnade durch Jesus Christus.
Und das gilt auch für Sie und für mich. Aus Gnade durch Jesus Christus sind wir von Gott angenommen. Jesus Christus ist der Dreh- und Angelpunkt. Weil wir glauben, dass Jesus Christus für uns gestorben und auferstanden ist, weil wir sagen, dass er unser Herr und Heiland ist, deshalb spricht Gott uns gerecht. Das ist die gute Nachricht. Du musst und du kannst nichts tun, um vor Gott zu bestehen, weil Jesus Christus alles für dich getan hat. PUNKT oder noch besser drei Ausrufezeichen.
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Manch einem wird jetzt aber vermutlich schon ein Aber auf der Zunge liegen. Aber, der Predigttext geht doch noch weiter. Wenn Paulus das erkannt hat, warum spricht er dann noch von einem Hinterherjagen und einem Siegespreis? Oder auch das Aber, das fragt, ob Gott nicht auch will, dass wir ein ihm gefälliges Leben führen?
Ja, man kann sich jetzt fragen, wo denn nun der Unterschied ist. Am Anfang bekennt Paulus, dass alles von der Gerechtigkeit von Gott durch den Glauben an Christus abhängt und nicht vom eigenen Tun, das dieser Gerechtigkeit nur im Wege steht – und am Ende spricht er aber doch wieder von einem Art Wettlauf und einem Siegespreis. Widerspricht sich das nicht? Wenn Paulus, ja, wenn uns alles in Christus geschenkt ist, warum dann noch einem Ziel hinterherjagen? Warum das Abmühen, um vollkommen zu werden?
Vielleicht könnte man es so sagen: Paulus ist, bevor ihm Gott die Augen geöffnet hat, in die falsche Richtung gerannt. Der Weg war hart, er hat ihn aber meistens gut bewältigt und darauf war er sehr stolz. Er lief auf diesem Weg aber immer von Christus weg. Und dann hat Gott ihm die Augen geöffnet und nochmal auf die Startlinie gestellt. Dieses Mal aber mit dem Blick in die richtige Richtung. Jetzt hat Paulus Jesus Christus als seinen Herrn erkannt und läuft von nun an auf dem Weg des Glaubens. Das Ziel dieses Weges ist die himmlische Berufung. Die Gemeinschaft mit Gott.
Auf dem Weg geht es darum, Christus immer mehr zu erkennen und ihm immer ähnlicher zu werden. Das ist es, was Paulus ergreifen will. Und er ist so selbstkritisch und reflektiert, dass er sieht, dass er das noch nicht erreicht hat. Er ist noch nicht vollkommen.
Aber er ist ein von Christus Ergriffener. Und das ist das Entscheidende. Jesus hat Paulus zu seinem Eigentum gemacht und erwählt hat. Und er hat einen Plan mit ihm, er will ihn in sein Abbild umgestalten. Das hat Paulus verstanden und das ist es, was ihn antreibt. Er ist so ergriffen und man könnte auch sagen begeistert von Jesus und dem, was er für ihn getan hat, dass er nun alles für Jesus tun will. Er kann sich nicht bequem zurücklehnen und sagen: „Christus hat ja alles für mich getan, ich muss nichts mehr tun und ruhe mich auf meiner Erlösung durch Jesus aus.“ Nein, er ist so begeistert, dass er nicht stillstehen kann. Sein Ergriffensein ist es, was in antreibt, was ihm die Kraft zum Laufen oder wie er sagt zum Jagen verleiht.
Paulus hat eine Entscheidung getroffen: Er will nach vorne schauen, sich nach dem ausstrecken, was vor ihm liegt und das Alte hinter sich lassen. Seine alten Verdienste, auf die er einst so stolz war, die lässt er hinter sich und strebt stattdessen der himmlischen Berufung entgegen. Er blickt auf das große Ziel: Die himmlische Gemeinschaft mit Gott. Einmal ganz nah bei Jesus sein.
Und wie jeder Sportler nochmal richtig Power bekommt, wenn er das Ziel vor Augen hat, ist es auch für Paulus Antrieb und Motivation, seinen Blick auf das Ziel zu richten. Wer von Jesus ergriffen ist, der strebt voran.
Paulus ist auf der Zielgeraden und wir sind es auch. Auch wir sind von Christus ergriffen und damit erwählt, ihm ähnlich zu werden. Auch wir können das Alte hinter uns lassen. Jesus stellt auch uns neu auf die Startlinie mit Blick in die richtige Richtung. Und dann ist es an uns, loszulaufen, dem Siegespreis entgegen. Was wir dann tun, tun wir aber nicht mehr als Getriebene, sondern als Ergriffene.
Und wie wir uns in diesem Rennen machen, hat keine Auswirkung auf unseren Status bei Gott. Wir sind durch unseren Glauben an Jesus Christus gerecht. Punkt.
Wenn diese Botschaft unser Herz berührt, wenn Jesus Christus uns ergreift und begeistert, dann können auch wir nicht mehr stillsitzen oder stehenbleiben. Dann laufen auch wir unserer Berufung entgegen und werden von Christus umgestaltet. Dann werden auch wir angezogen vom Ziel und gelockt von dem Siegespreis, weil wir uns so freuen, einmal ganz nah bei Jesus Christus, unserm Herrn und Heiland zu sein. Amen.
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Die Predigt wurde am 18. August 2018 in der Stadtkirche St. Veit in Waldenbuch gehalten.
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