Liebe Gemeinde,
ich muss Sie enttäuschen. Heute, am 6. Januar, dem Tag der Heiligen Drei Könige, geht es gar nicht um drei Könige. Die drei Könige, wie sie vermutlich die meisten von uns in ihrer Krippe stehen haben, kennt die biblische
Überlieferung so nicht. Ich denke, es ist daher zu überlegen, ob wir die Figuren nicht eigentlich aus unseren Krippen herausnehmen müssten. Ich habe die drei aus der Krippe hier unter der Kanzel mal rausgenommen.
(Krippenfiguren auf Kanzelbrüstung stellen.) Was wir mit ihnen machen, ob wir sie zurückstellen oder besser direkt in ihrer Aufbewahrungskiste verstauen, entscheiden wir am Ende der Predigt.
Hören wir nun aber zunächst auf den Predigttext aus dem 2. Kapitel des Matthäusevangeliums. Ich lese die Verse 1-12:
1 Da Jesus geboren war zu Bethlehem in Judäa zur Zeit des Königs Herodes, siehe, da kamen Weise aus dem Morgenland nach Jerusalem und sprachen:
Matthäus 2, 1-12
2 Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, ihn anzubeten.
3 Als das der König Herodes hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem,
4 und er ließ zusammenkommen alle Hohenpriester und Schriftgelehrten des Volkes und erforschte von ihnen, wo der Christus geboren werden sollte.
5 Und sie sagten ihm: In Bethlehem in Judäa; denn so steht geschrieben durch den Propheten (Micha 5,1):
6 »Und du, Bethlehem im Lande Juda, bist mitnichten die kleinste unter den Fürsten Judas; denn aus dir wird kommen der Fürst, der mein Volk Israel weiden soll.«
7 Da rief Herodes die Weisen heimlich zu sich und erkundete genau von ihnen, wann der Stern erschienen wäre,
8 und schickte sie nach Bethlehem und sprach: Zieht hin und forscht fleißig nach dem Kindlein; und wenn ihr’s findet, so sagt mir’s wieder, dass auch ich komme und es anbete.
9 Als sie nun den König gehört hatten, zogen sie hin. Und siehe, der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, ging vor ihnen her, bis er über dem Ort stand, wo das Kindlein war.
10 Da sie den Stern sahen, wurden sie hocherfreut
11 und gingen in das Haus und sahen das Kindlein mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder und beteten es an und taten ihre Schätze auf und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe.
12 Und da ihnen im Traum befohlen wurde, nicht wieder zu Herodes zurückzukehren, zogen sie auf einem andern Weg wieder in ihr Land.
Liebe Gemeinde,
es geht in dem Text nicht um drei Könige – aber es geht um drei Arten von Königen. Da sind zunächst diejenigen, die wir als die eigentlichen drei Könige im Kopf haben: die Weisen aus dem Morgenland. Dann gibt es einen König, der als solcher tatsächlich in Amt und Würden ist, Herodes. Und dann ist da noch einer, der als König der Juden gesucht und verehrt wird, der in der Erzählung aber völlig passiv ist und nicht gerade die Merkmale eines Königs mitzubringen scheint. Es gibt zwar keine drei Könige, aber drei Arten von Königen. Diese werden wir uns jetzt genauer ansehen.
Beginnen wir mit den Weisen, die erst die Tradition zu Königen gemacht hat. Ganz ursprünglich ist im griechischen Text von Magiern aus dem Osten die Rede. Aus ihnen wurden im Laufe der Zeit hauptsächlich wegen der
kostbaren Geschenke, die sie mitbringen, Könige. Auch dass es drei gewesen sein müssen, wurde aus den drei Geschenken abgeleitet. Im 6. Jahrhundert bekamen sie die uns bekannten Namen Kaspar, Melchior und Balthasar.
Später wurden sie dann oft in drei Lebensaltern dargestellt und einer der Drei bekam eine dunkle Hautfarbe. So sollten sie zum einen alle Generationen und zum anderen alle drei bis dahin bekannten Kontinente repräsentieren.
Luther bezeichnet die Magier aus dem Osten als Weise. Damit ordnet er ihnen bereits eine Eigenschaft zu. Die Magier sind weise, weil sie offensichtlich die Sterne lesen und deuten können. Aber sie sind es auch aus einem anderen Grund. Sie sind weise, weil sie sich leiten und führen lassen. Weil sie nicht in ihrer Bequemlichkeit verharren, sondern sich aufmachen und dem Phänomen, das sie entdeckt haben, auf den Grund gehen. Sie sind bereit, über ihren eigenen Horizont hinauszublicken und loszuziehen.
Und gleichzeitig mag uns der Grund des Aufbruchs zunächst etwas befremdlich sein. Sterne, Astronomie, Astrologie und auch die ursprüngliche Bezeichnung Magier – all das macht uns als aufgeklärte Menschen misstrauisch. Nicht ohne Grund sind wir Menschen gegenüber, die ihr Leben an den Sternen orientieren, eher skeptisch. Die ersten Leser des Matthäusevangeliums waren es auch. Warum wählt Gott diese Art der Führung? Ich denke, Gott hat die Magier auf eine für sie verständliche Art und Weise angesprochen. Denn mit dem Stern ging den Weisen ein Licht auf und was sie sahen, war ihnen so einleuchtend, dass sie tatsächlich losgezogen sind. Gott hat auf eine Art zu ihnen gesprochen, die sie verstanden haben. Und er hat es so deutlich getan, dass sie sich auf den Weg gemacht haben. Ihre menschliche Logik und nicht der Stern führt sie zunächst nach Jerusalem. Es ist gut nachvollziehbar, dass sie den neuen König der Juden zuerst im Umfeld des Herrscherhauses in Jerusalem suchen. Dort finden sie ihn zwar nicht, werden aber doch auf die richtige Spur gebracht. Interessanterweise nicht durch den Stern und auch nicht durch ihre eigenen Überlegungen, sondern durch das biblische Wort wird den Weisen der richtige Geburtsort des Kindes offenbart. Als die Weisen dann schließlich beim Kind ankommen, der Stern stehen bleibt und sie das Ziel der göttlichen Führung erreicht haben, freuen sie sich mit großer Freude, wie unser Text betont. Sie erleben eine wahre Sternstunde. Die Weisen fallen vor dem Kind nieder und beten es an. Das war von Anfang an ihr Ziel gewesen. Und wenn ich mir das bildlich vorstelle, dann beeindruckt mich das ungemein. Fremde, angesehene und vermutlich sehr wohlhabend gekleidete Männer knien vor einem Kind in ärmlichen Verhältnissen und beten es an. Das sagt mehr über die Bedeutung dieses Kindes aus als vieles andere. Denn wäre dieses Kind nur irgendein Kind, dann wäre es Gotteslästerung, sich vor ihm niederzuwerfen. Das Kind muss also göttlich, ja das Kind muss Gott selbst sein. Vermutlich war dieser Moment für die Weisen die größte Sternstunde ihres Lebens, denn keine andere Begegnung wird sie so nachhaltig geprägt und verändert haben, wie die Begegnung mit dem Kind. Keine andere Begegnung ändert und prägt unser Leben so entscheidend, wie die Begegnung mit dem lebendigen Gott.
Das Erstaunliche dabei ist, dass die Weisen aus dem Osten keine Juden waren. Es waren Heiden aus der Fremde, die in dem Kind zuerst den König erkannt und ihn angebetet haben. In der Schriftlesung haben wir vorhin gehört, dass genau das vom Propheten Jesaja schon angekündigt worden war. Völker, die aus der Ferne vom Licht, vom Glanz der Herrlichkeit Gottes angezogen werden, geben mit ihren Geschenken und ihrer Anbetung Gott die Ehre.
Vermutlich ist einigen von Ihnen noch das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach im Ohr, das unser Kirchenchor am dritten Advent aufgeführt hat. Im fünften Teil heißt es darin:
Wohl euch, die ihr dies Licht gesehen,
Es ist zu eurem Heil geschehen!
Mein Heiland, du, du bist das Licht,
Das auch den Heiden scheinen sollen,
Und sie, sie kennen dich noch nicht,
Als sie dich schon verehren wollen.
Wie hell, wie klar muss nicht dein Schein,
Geliebter Jesu, sein!
Die Begegnung der Weisen mit dem Heiland wurde für sie zum Heil. Sie waren die ersten, die aus den Völkern gekommen sind, die vom Schein Jesu angezogen wurden. Heute gehören auch wir zu denen, die ursprünglich Heiden waren und sich dann zum Kind aufgemacht haben. Auch uns ist das zum Heil geschehen.
Die Weisen zogen verändert und schließlich auch auf einem anderen Weg in ihre Heimat zurück. Damit durchkreuzten sie die Pläne des Herodes. Im Traum hatten sie die Weisung dazu erhalten. Sie folgten dieser Weisung und hörten auf Gott statt auf Herodes, den eigentlichen König, dem sie doch in seinem Herrschaftsgebiet hätten gehorchen müssen. Doch die Begegnung mit dem Kind hat ihre Prioritäten neu geordnet.
Nehmen wir nun diesen König Herodes, den einzigen König mit dem tatsächlichen Amt, in den Blick. Das Auftauchen der Weisen und ihre Frage nach dem neugeborenen König der Juden versetzen ihn in Schrecken. Und ich denke, das ist ganz gut nachvollziehbar. Herodes war ein großer Herrscher. Sein Herrschaftsgebiet war weit ausgedehnt und er war darum bemüht, dieses zu halten. Er zeigt mit seinem Verhalten eine ganz menschliche Angst. Herodes hat Angst um sein Ansehen und um seine Stellung in der Gesellschaft. Er hat Angst, dass ein anderer nun ins Rampenlicht treten wird. Er hat Angst, dass er vom neuen König der Juden in den Schatten gestellt werden könnte. Deshalb will er versuchen, das Licht des vermeintlichen Konkurrenten auszulöschen. Schon in der heimlichen Nachfrage und in dem Auftrag, den er den Weisen gibt, deutet sich an, dass er Böses im Schilde führt.
Doch wie die eigentlichen Machtverhältnisse aussehen, bringt ebenfalls das Weihnachtsoratorium sehr treffend zum Ausdruck:
Nur ein Wink von seinen Händen
Stürzt ohnmächtger Menschen Macht.
Hier wird alle Kraft verlacht!
Spricht der Höchste nur ein Wort,
Seiner Feinde Stolz zu enden,
O, so müssen sich sofort
Sterblicher Gedanken wenden.
Das Weihnachtoratorium spricht dabei nicht vom mächtigen Herrscher Herodes. Nein, es beschreibt den Heiland. Wie beruhigend und tröstlich, sind diese Gedanken, wenn wir die Machtverhältnisse in unserer Welt anschauen. Gerade auch jetzt am Beginn des neuen Jahres, von dem noch keiner weiß, was es bringen wird. Auch wenn das Böse scheinbar viel Macht innehat, wenn sich Intrigen, Hass und Gewalt in unserer Welt finden, so ist das alles doch letztlich machtlos. Die Kraft der ohnmächtigen Menschen wird von der göttlichen Macht verlacht.
Zurecht? Schauen wir uns diesen dritten König genauer an. Tatsächlich zeigt der König der Juden ja zunächst keine große Stärke. In der Geschichte ist er völlig passiv. Er scheint eher ein kleines Licht zu sein. Aber er ist der Grund, warum die Weisen sich auf die Reise machen und das Ziel ihrer Anbetung. Und er ist derjenige, der Herodes ganz schön in Stress versetzt. Die jüdischen Gelehrten bestätigen seine große Bedeutung, indem sie seine Geburt in Bethlehem verheißen und ihn damit als den Christus, den erwarteten Messias ausweisen.
Der König der Juden – so wird Jesus von den Weisen genannt. Diesen Titel erhält Jesus im Matthäusevangelium noch einmal. Das ist es, was am Ende über seinem Kreuz steht. Der König der Juden – was ist das für ein König? Schon als Kind reisen fremde Weise aus der Ferne an, um vor ihm niederzufallen und ihn anzubeten. Der mächtige Herodes bangt aufgrund von ihm um seine Macht. Aber statt in einem Königreich, statt in Macht und Pracht endet er am Kreuz. Das sind keine glorreichen Herrschaftsaussichten. Und das Kreuz ist wahrlich kein bequemer Thron. Ein gescheiterter König?
Nein, denn auch wenn es zur Stunde der Kreuzigung dunkel wurde und sein Licht und sein Glanz scheinbar von der Finsternis verschlungen wurden, so strahlt doch am Ostermorgen das Auferstehungslicht auf. Und der Auferstandene spricht dann aus, was in der Erzählung von seiner Geburt schon angelegt ist:
Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.
Matthäus 28, 18b
sagt er. Er ist es, der als wahrer Herrscher, als wahrer König eingesetzt ist. Gegen ihn sind alle anderen Könige und Herrscher letztlich machtlos. Die menschliche Macht wird zurecht von der göttlichen ausgelacht. Jesus Christus hat mit seinem Sterben und Auferstehen den Tod und damit alles Böse und Widergöttliche besiegt und sich als wahrer König erwiesen. Auch wenn es diese Mächte noch in unserer Welt gibt, steht seit seiner Auferstehung fest, wer am Ende der Zeit siegen und herrschen wird: Jesus Christus. Weder die Trumps und Erdogans dieser Welt, noch der ständig mit mir unzufriedene Chef oder der Lehrer, der mich auf dem Kicker hat, haben das letzte Wort. Jesus Christus ist es, der im Regiment sitzt.
Der dritte König in der Geschichte ist kein kleines Licht – er ist das Licht, das in die Welt gekommen ist und die göttliche Herrlichkeit offenbart hat. Und er wird nicht nur das Licht und der König für das Volk Israel sein, nein er will der König aller Völker, unser aller König sein. Das zeigt sich darin, dass sich bei seiner Geburt schon die Völker auf dem Weg zu ihm gemacht haben. Christus hat einen universellen Herrschaftsanspruch.
Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden, darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker.
Matthäus 28, 18b + 19a
– So spricht der Auferstandene weiter. Die Darstellung der Weisen in unterschiedlichen Lebensaltern und auch repräsentativ für die Erdteile ist eine richtig gute Idee. Denn alle Menschen, egal welchen Alters und welcher Herkunft sind gerufen, diesen König anzubeten. Auch Sie und ich ganz persönlich sind dazu gerufen. Zugegeben etwas kitschig, aber doch treffend, drückt es das Weihnachtsoratorium aus:
Ein Herz, das seine Herrschaft liebet
Und sich ihm ganz zu eigen gibet,
Ist meines Jesu Thron.
Gebe ich mich diesem König hin? Lass ich mein Herz zu seinem Thron werden? Bin ich bereit, mein Leben an diesem König und seinen Maßstäben auszurichten?
Für mich sind die Weisen darin ein Vorbild. Sie machen sich auf die Suche nach dem König und werfen sich vor ihm nieder. Sie geben ihm die kostbarsten Geschenke und lassen sich von ihm verändern.
Liebe Gemeinde, bleibt noch die Frage zu klären, was wir nun mit den drei Königen in unseren Krippen machen? – Ich denke, wir sollten sie durchaus in unseren Krippen stehen lassen. Auch ich werde die Drei jetzt gleich wieder an ihren Platz stellen. Vielleicht können sie uns zukünftig an die drei Arten von Königen erinnern. An den einen, den bösen, weltlichen König, der aber letztlich machtlos ist, weil Jesus Christus am Kreuz die Machtverhältnisse endgültig geklärt hat. An den einzig wahren König, der am Anfang noch als Kind in der Krippe liegt, am Kreuz auf seinen Thron gesetzt wird und als Auferstandener alle Herrschaft innehat.
Und an die Weisen, die sich auf die Suche gemacht haben und am Ende anbetend vor dem König niedergefallen sind. Diesen weisen König will ich mir zum Vorbild nehmen und mich auch auf die Suche machen und dann vor dem Kind anbetend niederknien. Amen.
–
Die Predigt wurde am 6. Januar 2019 in der Stadtkirche St. Veit in Waldenbuch gehalten.
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