Liebe Gemeinde,
„Net gmotzt, isch gnug globt.“ – Diese Philosophie bestimmt uns Schwaben zumindest ein Stückweit. Wenn ich etwas gut finde, dann sage ich einfach gar nichts dazu. Dann wars ja reacht. Wenn ich allerdings etwas entdecke, was man noch besser machen könnte, dann muss ich das ansprechen. Und nur das. Das Positive bleibt unerwähnt.
Das ist nicht die beste Art Feedback zugeben. Es kann für mein Gegenüber ganz schön frustrierend sein, immer nur auf das nicht Gelungene hingewiesen zu werden. Sowohl für die Erziehung, liebe Eltern, als auch für ein Arbeitsverhältnis, sei es auf dem Pfarramt oder sonst wo, ist solch eine Feedbackkultur eher hinderlich und demotivierend.
Lesen wir in den Paulusbriefen, dann könnte man manchmal meinen, Paulus sei ein Schwabe gewesen. In den Gemeinden, denen er schreibt, sieht er viel Verbesserungspotential, das er anspricht. In unserem heutigen Predigttext aus dem ersten Briefes an die Thessalonicher schlägt Paulus jedoch einen ganz anderen Ton an. Ich lese im 1. Kapitel die Verse 2-10 (NGÜ):
2 Es vergeht kein Tag, an dem wir Gott nicht für euch alle danken. Jedes Mal, wenn wir im Gebet vor ihm, unserem Vater, für euch einstehen,
1. Thessalonicher 1, 2-10
3 erinnern wir uns daran, wie entschieden ihr euren Glauben in die Tat umsetzt, zu welch unermüdlichem Einsatz ihr aus Liebe bereit seid und wie standhaft euch die Hoffnung macht, dass Jesus Christus, unser Herr, wiederkommt.
4 Ja, Geschwister, ihr seid von Gott geliebt; wir wissen, dass er euch erwählt hat.
5 Das wurde schon damals deutlich, als wir euch das Evangelium verkündeten: Gott redete nicht nur durch unsere Worte zu euch, sondern auch durch das machtvolle Wirken des Heiligen Geistes und durch die große Zuversicht, die uns erfüllte, sowie überhaupt durch unser ganzes Verhalten euch gegenüber, das euch zeigte, dass es uns um euch ging und nicht um uns selbst.
6 Und ihr habt das Evangelium auch wirklich angenommen, obwohl ihr schweren Anfeindungen ausgesetzt wart, und habt diese mit einer Freude ertragen, wie nur der Heilige Geist sie schenken kann. Damit seid ihr unserem Beispiel und dem Beispiel des Herrn gefolgt
7 und seid selbst zu einem Vorbild für alle Gläubigen in ´den Provinzen` Mazedonien und Achaia geworden.
8 Ja, von eurer Gemeinde aus hat sich die Botschaft des Herrn in ganz Mazedonien und Achaia verbreitet, und nicht nur dort: Es gibt inzwischen kaum noch einen Ort, wo man nicht von eurem Glauben an Gott gehört hätte. Wir brauchen gar nichts mehr darüber zu sagen;
9 überall redet man davon, was für eine Wirkung unser Besuch bei euch gehabt hat. Die Leute erzählen, wie ihr euch von den Götzen abgewandt und dem lebendigen und wahren Gott zugewandt habt, um ihm zu dienen
10 und auf seinen Sohn zu warten, der vom Himmel zurückkommen wird – auf Jesus, den er von den Toten auferweckt hat und der uns vor dem kommenden Gericht rettet.
Paulus schreibt hier nicht wir ein Schwabe. Seine Grundhaltung ist die Dankbarkeit. Er und seine Kollegen Silas und Timotheus beten für die Gemeinde in Thessalonich. Sie halten aber nicht in erster Linie Fürbitte für die Gläubigen, sondern sie danken Gott für das, was sie über die Gemeinde hören. Sie halten sozusagen Fürdank, weil sie dankbar sind für die Art und Weise, wie die Menschen in Thessalonich ihren Glauben leben.
Selbstverständlich war das bei der Mission in Thessalonich nicht gewesen. Paulus und Silas waren dort auf sehr viel Widerstand und Anfeindungen gestoßen, so dass sie sogar in einer Nacht und Nebelaktion aus der Stadt fliehen mussten. Trotz ihres nur recht kurzen Aufenthaltes in der Stadt trug ihre Arbeit aber Früchte. Menschen kamen zum Glauben an Jesus Christus. Sie haben trotz der auch ihnen drohenden Anfeindungen und Verfolgungen die Botschaft von Jesus angenommen. Paulus ist klar, dass das nicht sein Verdienst und nicht allein durch ihre Arbeit möglich war. Er weiß, dass in Thessalonich der Geist Gottes am Werk war und ist. Dieser erfüllte die Gläubigen mit einer großen Freude, mit der sie die schweren Anfeindungen ertragen haben.
Auffällig finde ich, dass Paulus nicht von Stolz redet. Es geht ihm nicht um seine großartige Missionsarbeit unter den Thessalonichern. Es geht ihm auch nicht darum, die Thessalonicher als besonders begabte und tolle Christen herauszustellen. In seiner Dankbarkeit wendet er sich an Gott. Gott war es, der durch seinen Geist an den Thessalonichern gewirkt hat. Die Art, wie Paulus die Thessalonicher lobt, beugt falschen Stolz vor. Dabei hätten die Gemeinde und auch Paulus allen Grund stolz zu sein. Schließlich ist die Gemeinde eine Art Aushängeschild in der ganzen Provinz.
Die Gemeinde hat eine beachtliche Außenwirkung. Die Leute in der ganzen Provinz sehen, dass sich in ihrem Leben etwas verändert hat. Die Menschen haben sich von ihren Göttern und Götzen ab und dem lebendigen Gott zugewandt. Und sie sind mit einer neuen Hoffnung erfüllt. Sie leben in der Erwartung, dass Jesus, der Sohn Gottes, der gestorben und auferstanden ist, wiederkommen und im Endgericht für sie einstehen wird. Das hat die Grundhaltung, ja das ganze Leben der thessalonischen Christen grundlegend verändert. Paulus weiß jedoch, dass auch das nicht sein Verdienst und auch nicht der Verdienst der Gemeinde ist. Er weiß, dass auch hier der Geist Gottes am Werk ist. Deshalb ist er nicht mit Stolz, sondern mit tiefer Dankbarkeit erfüllt.
Er ist dankbar, dass Gott unter den Thessalonichern wirkt und so viel Gutes entstehen lassen hat und immer noch lässt.
Die Haltung des Paulus ist eine Grundhaltung, die wir einüben können. In unseren Familien, an unserem Arbeitsplatz und in unserer Gemeinde. Dankbarkeit. Den Blick dafür schärfen, was gut ist und gut läuft und wo Gott Gelingen schenkt.
Wie es auch unser Wochenspruch sagt:
Lobe den Herrn meine Seele und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.
Psalm 103,2
Viel zu oft und viel zu schnell gerät das Gute in Vergessenheit. Wir sehen oder erwähnen es nicht mehr, weil wir es für selbstverständlich halten. Aber wenn wir genau hinschauen, dann erkennen wir so vieles, wofür wir dankbar sein können. Im familiären Alltag: Danke, dass unser Kind gesund ist. Danke, dass es neugierig ist und Fragen nach Gott und der Welt stellt. Danke, dass es Freunde hat.
Oder am Arbeitsplatz: Danke, dass ich einen Arbeitsplatz habe. Danke, dass ich genug Geld verdiene, um meine Familie zu versorgen.
Und auch im Bereich der Gemeinde. Danke, dass wir in Freiheit Gottesdienst feiern können. Danke, dass wir Mitarbeitende haben, die ihren Glauben an Jesus Christus aktiv leben und weitergeben wollen.
Danke, dass wir in einer reichen Gegend leben und viele Menschen haben, die unsere Gemeinde auch finanziell tragen und unterstützen. Das alles nehmen wir oft als selbstverständlich hin. Das ist es aber nicht.
Ich finde es spannend, dass wir, wenn wir für andere beten, meist nur bitten. Fest verankert im Gottesdienst ist die Fürbitte. Den Fürdank, wie in Paulus hier praktiziert, gibt es so nicht.
Er findet sich aber in der Bibel nicht nur bei Paulus. Ganz prominent taucht er in den Psalmen auf. Die alten Lieder und Gebete lassen sich abhängig vom Inhalt verschiedenen Gattungen zuordnen. Eine dieser Gattungen fasst die Lob- und Dankpsalmen zusammen. Auch Psalm 103, aus dem der Wochenspruch stammt, gehört in diese Gruppe. Die Lob- und Dankpsalmen danken und loben in erster Linie Gott für sein Tun und Sein. Dadurch, dass sie aber in der Gemeinde mit und vor vielen Leuten gesungen wurden, erfüllten sie noch einen anderen Zweck. Nicht im stillen Kämmerlein haben die Menschen Gott für dein Tun gedankt, sondern öffentlich vor der ganzen Gemeinde. Damit erinnerten sich die Menschen gegenseitig an die großen Taten Gottes und gewannen so neuen Mut für die gegenwärtigen Herausforderungen.
Wenn einer erzählt, wie wunderbar Gott in seinem Leben gewirkt hat, dann kann das auch zur Hoffnung für den anderen werden. Er wird daran erinnert, dass Gott nicht stumm und weit weg ist, sondern dass er wirkt und gegenwärtig ist.
Wie wäre es, wenn wir uns öfter erzählen würden, was Gott uns Gutes getan und geschenkt hat? Wenn wir uns berichten, wofür wir dankbar sind, statt ständig auf unsere Baustellen hinzuweisen? Dabei soll es nicht um ein Schönreden gehen. Und ja, auch das andere, die Bitte und die Fürbitte, das Klagen und das gegenseitige Ermahnen hat einen Platz, aber es muss nicht immer den ganzen Raum einnehmen.
Lassen Sie uns versuchen und mit der Grundhaltung der Dankbarkeit, mit dem Motto des Wochenspruchs in diese Woche zu starten:
Lobe den Herrn meine Seele und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.
Psalm 103,2
Amen.
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Die Predigt wurde am 2. September 2018 in der Stadtkirche St. Veit in Waldenbuch gehalten.
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