Liebe Gemeinde,
Träume können manchmal ganz schön aufregend sein. Manch einer erlebt bei Nacht so viel, dass er morgens erschöpfter aufwacht als er abends eingeschlafen ist. Vielleicht kennen Sie solche Nächte. Manche Träume sind auch so aufwühlend, dass man sehr lange braucht, um sie zu verarbeiten und man oft noch lange über sie nachdenkt.
Gott benutzt Träume, um zu den Menschen zu sprechen. Vor allem in der arabischen Welt berichten das immer wieder Menschen, die zum Glauben an Jesus finden, dass dieser im Traum zu ihnen gesprochen hat.
Auch in der Bibel finden wir das. Gott benutzt Träume, um zu den Menschen zu sprechen. Unser heutiger Predigttext ist ein solcher Traum. Es ist ein sogenannter prophetischer Traum, in dem Gott seinem Diener Daniel Dinge über die Zukunft zeigt. Und da geht es ganz schön ab, wie Sie gleich selbst hören werden.
Ich lese aus Daniel 7 die Verse 1-14:
Belschazzar war der König von Babylonien. In seinem ersten Regierungsjahrhatte Daniel einen Traum. Er hatte eine Vision, als er auf seinem Bett lag. Er schrieb auf, was er geträumt hatte. Das ist sein Bericht: Ich, Daniel, hatte in der Nacht eine Vision. Ich sah vier Winde. Die kamen aus den vier Himmelsrichtungen und wühlten das große Meer auf. Aus dem Meer stiegen vier große Tiere herauf, jedes anders als die anderen. Das erste Tier war einem Löwen ähnlich und hatte Flügel wie ein Adler. Ich sah, wie ihm seine Flügel ausgerissen wurden. Es wurde vom Boden aufgehoben und wie ein Mensch auf seine Füße gestellt. Ihm wurde menschlicher Verstand gegeben. Dann sah ich ein zweites Tier. Dieses Tier ähnelte einem Bären, und es stand an einer Seite aufrecht. In seinem Maul hatte es drei Rippen, sie waren zwischen seinen Zähnen. Man sagte zu ihm: »Steh auf, friss viel Fleisch!« Dann sah ich ein anderes Tier, das einem Panther ähnelte. Auf seinem Rücken hatte es vier Flügel, die aussahen wie die Flügel eines Vogels. Es hatte vier Köpfe, und ihm wurde Macht gegeben. Dann sah ich in der nächtlichen Vision ein viertes Tier. Es war fürchterlich, schrecklich und sehr mächtig. Seine Zähne waren groß und aus Eisen. Es fraß und zermalmte alles, und was übrigblieb, zertrat es mit den Füßen. Es war ganz anders als die Tiere vor ihm, und es hatte zehn Hörner. Ich betrachtete die Hörner. Plötzlich wuchs zwischen ihnen ein anderes, kleines Horn hervor. Da wurden drei von den ersten Hörnern ausgerissen. Auf dem Horn waren Augen, die den Augen eines Menschen ähnelten. Es hatte einen Mund, der großspurig redete. Ich sah, dass Throne aufgestellt wurden und der Hochbetagte sich setzte. Seine Kleidung war weiß wie Schnee, und sein Kopfhaar war wie reine Wolle. Sein Thron bestand aus lodernden Flammen, und dessen Räder waren aus Feuer. Ein Strom aus Feuer floss von ihm weg. Tausendmal Tausend dienten ihm, eine unzählbare Menge stand vor ihm. Es wurde Gericht gehalten, und Bücher wurden geöffnet. Ich sah hin, weil das Horn so großspurig redete. Da sah ich, dass das Tier getötet wurde. Sein Körper wurde vernichtet und dem brennenden Feuer übergeben. Auch den übrigen Tieren wurde ihre Macht genommen. Denn die Länge ihres Lebens war auf die Stunde genau festgesetzt. In der nächtlichen Vision sah ich einen, der mit den Wolken des Himmels kam. Er sah aus wie ein Menschensohn. Er kam bis zu dem Hochbetagten und wurde vor ihn geführt. Ihm wurden Macht, Ehre und Königsherrschaft gegeben. Die Menschen aller Völker, aller Nationen und aller Sprachen dienen ihm. Seine Macht ist eine ewige Macht, sein Königreich wird nicht zugrunde gehen.
Daniel 7, 1-14
Liebe Gemeinde,
Daniel träumt. Sein Traum beginnt mit vier Winden, die ein großes Meer aufwühlen. Aus diesem Meer kommen dann nacheinander vier große und furchteinflößenden Monstertiere, die sich im Laufe des Traumes verändern. Ich weiß nicht, wie bildlich Ihre Vorstellung dieser Wesen ist – für mich übersteigen sie meine Vorstellungskraft. Auch Daniel kann nur Vergleiche ziehen, um zu beschreiben, was er in seinem Traum gesehen hat. Die tierähnlichen Wesen sehen aus wie ein Löwe mit Adlerflügeln, wie ein aufrechter Bär, wie ein Panter mit vier Köpfen und vier Flügeln und dann noch dieses große, vierte schreckliche Tier mit Zähnen aus Eisen und zehn beziehungsweise dann elf Hörnern. Daniel war sicher schweißgebadet in der Nacht seines Traumes.
Wie das bei Träumen so ist, gibt es auch in Daniels Traum einen plötzlichen Szenenwechsel. In einer neuen zweiten Szene werden Throne aufgestellt. Ein Hochbetagter mit schneeweißer Kleidung setzt sich auf einen Flammenthron mit Feuerrädern. Umgeben wird er von einer unzählbaren Menge. Bücher werden geöffnet und der Hochbetagte agiert offensichtlich als Richter.
An dieser Stelle tritt nun das vierte Tier aus der ersten Szene des Traumes wieder auf. Ein Großmaul, wie sich zeigt. Dieses Tier wird vernichtet, die anderen Tiere werden entmachtet – wie genau schreibt Daniel nicht auf.
Danach kommt die dritte Szene. In dieser Szene kommt einer, der aussieht wie ein Menschensohn, wörtlich übersetzt wie eines Menschen Sohn, mit den Wolken des Himmels zu dem Hochbetagten. Dieser Menschensohn erhält Macht, Ehre und Königsherrschaft. Es heißt, alle Völker aller Nationen und Sprachen dienen ihm. Seine Macht ist eine ewige Macht und sein Königreich wird nicht zugrunde gehen.
Puh, was machen wir mit diesem Traum? Mit dieser Vision? Wie ist er zu verstehen und hat er noch eine Bedeutung für uns?
Versuchen wir, uns dem ganzen anzunähern. Die vier furchtbaren Tierwesen sind, das bekommt Daniel selbst in einem späteren Teil des Traumes noch erklärt, vier Königreiche, die groß werden, Macht bekommen, gewaltvoll herrschen und wüten und dann aber doch zugrunde gehen.
Diese Reiche können unterschiedlich betitelt werden und es gibt verschiedene Zuordnungen, die unter anderem auch davon abhängen, wie man das Danielbuch datiert. Damit wollen wir uns heute Morgen nicht aufhalten. Es geht vielmehr um die Grundbotschaft, die dahinter liegt. Und die lautet:
Alle irdischen Reiche sind vergänglich, egal wie groß und mächtig sie im Augenblick auch aussehen mögen. Die Mächtigen kommen und gehen. Das war im Alten Orient nicht anders als in unserer modernen Welt. So sah das 20. Jahrhundert beispielsweise den Aufstieg und Niedergang des Dritten Reiches und des Sowjetreiches. Es sah den Zerfall des British Empire und den Aufstieg Amerikas zur Weltmacht. In unserer Gegenwart erleben wir, wie China sich zu mit Riesenschritten zu einer neuen Weltmacht entwickelt. Die Reihe der Weltreiche scheint kein Ende zu nehmen.
Und schaut man sich diese Entwicklungen an, muss man sagen, dass ein umfassender Fortschrittsglaube nicht haltbar ist. Die Herrscher werden nicht immer „vernünftiger“, friedvoller und demokratischer. Nein, die Reiche, die kommen und gehen sind mal mehr und mal weniger hässlich. Unsere Welt wandelt sich nicht zum Besseren.
Die Mächtigen kommen und gehen, nur um neuen Mächtigen Platz zu machen, die es noch viel toller treiben. Sie treten mit allumfänglichen Herrschaftsansprüchen an – oftmals großspurig wie das vierte Tierwesen.
Und doch gilt für alle diese Reiche und Mächte das gleiche, wie für die vier Bestien gilt: Die Länge ihres Lebens war und ist auf die Stunde genau festgesetzt.
Diesen vergänglichen Reichen steht einer gegenüber, dessen Reich endlos ist.
Seine Macht ist eine ewige Macht, sein Königreich wird nicht zugrunde gehen.
Daniel 7, 14b
So heißt es über den Menschensohn. Während die bestalischen Wesen aus dem Meer von unten aufsteigen, kommt der Menschensohn mit den Wolken des Himmels von oben. Er kommt zu dem sogenannten Hochbetagten und erhält von ihm Macht, Ehre und Königsherrschaft. Der Hochbetagte ist Gott, der Schöpfer höchstpersönlich. Dass er als alter Mann beschrieben und als hochbetagt oder auch uralt bezeichnet wird, soll zeigen, dass er der Ewige ist. Die Macht, die der Menschensohn von Gott erhält, hat eine andere Qualität als jede andere Macht.
Die Länge ist zwar auch definiert – aber sie ist eben nicht auf ein paar Jahre oder ein Menschenleben festgelegt, sondern sie ist für die Ewigkeit angesetzt.
Seine Macht ist eine ewige Macht und sein Königreich wird nicht zugrunde gehen.
Daniel 7, 14b
Dieser Menschensohn – wer ist das? Wer bekommt diese ewige Macht? Wir Christen wissen, dass Jesus sich genauso bezeichnet hat. Er selbst hat sich den Titel „Menschensohn“ aus dem Danielbuch zu eigen gemacht und damit darauf hingewiesen und gesagt: „Ich bin der von dem Daniel geträumt hat. Ich bin der, der nicht wie alle anderen Herrscher irgendwann einmal, spätestens nach 80 oder 90 Jahren wieder von der Bildfläche verschwinden wird. Nein, ich bin der, der von dem Hochbetagten, von Gott höchstpersönlich, die Königsherrschaft bekommt und dann über alle Völker, Nationen und Sprachen herrscht und regiert.“
Jesus tritt mit dem Herrschaftsanspruch des Menschensohnes auf. Das haben viele, die ihn so reden gehört haben, verstanden. Sie kannten Daniels Traum und wussten, welcher Machtanspruch mit der Bezeichnung Menschensohn verknüpft ist. Dass Jesus das für sich in Anspruch nahm, löste zweierlei aus.
Für die eine Gruppe, zu der hauptsächlich die religiöse Elite gehörte, war es eine absolute Anmaßung, dass Jesus so über sich redete. Sie stellten ihn als Hochstabler, Wichtigtuer und Gotteslästerer hin und hatten insgeheim immer Angst um ihre eigene Stellung und Macht.
In einer zweiten, kleineren Gruppe weckte Jesus große Hoffnungen durch seine Selbstbezeichnung als Menschensohn. Sie hofften darauf, dass er sein Reich aufbaut. Und regiert. Und herrscht. Sie hofften, dass Jesus in die Fußstapfen des großen König Davids tritt und es wieder einen Königreich Israel mit einem großen König gibt.
Doch dann an Karfreitag sind alle ihre Hoffnungen am Kreuz mit Jesus gestorben. Wird wohl nichts mit dem neuen Reich. Die Herrschaft der römischen Besatzer wird bleiben. Das was dann wohl ein Missverständnis das mit dem Menschensohn. Offensichtlich hatten sie Jesus zu Unrecht mit dem Menschensohn aus Daniels Traum in Verbindung gebracht.
Doch Jesus bleibt nicht tot. Nach drei Tagen überwindet er dessen Macht. Denn
seine Macht ist eine ewige Macht und sein Königreich wird nicht zugrunde gehen.
Daniel 7, 14b
Und genau deshalb kommt auch nach Ostern Himmelfahrt. Das musste so sein – denn Gottes Plan mit seinem Sohn, dem Menschensohn, war nicht Königreich, sondern Himmelreich – nicht Weltmacht, sondern Vollmacht.
Seine Macht ist eine ewige Macht, sein Königreich wird nicht zugrunde gehen.
Jesus Christus ist eben nicht nur Herr über Jerusalem oder Israel ist. Nein, dieser König ist der Herr der ganzen Welt – der Herr über alle Herrscher, Mächtigen und Reiche mit einem ewigen Herrschaftsanspruch.
Die Frage ist nur:
Warum spüren wir nichts von dieser Herrschaft? Warum lässt Gott diese Monster groß werden, warum gibt er ihnen überhaupt Macht? Das ist doch die Frage, die uns anspringt, wenn wir die Geschichtsbücher oder auch die Tageszeitungen aufschlagen.
Der Text gibt uns darauf keine Antwort. Aber er sagt uns, dass ihre Herrschaft in jedem Fall eingegrenzt ist. Die Zeit, in der sie wüten dürfen, ist genau festgelegt. Im 2. Kapitel des Danielbuches lesen wir: Er setzt Könige ab und setzt Könige ein.
Dass sie wüten dürfen ist und bleibt eine Anfechtung für uns.
Und trotzdem meine ich, es macht schon jetzt einen entscheidenden Unterschied, ob wir um diese Herrschaft Jesu wissen und an sie glauben, oder ob wir nur das weltliche Chaos vor Augen haben.
Es macht einen Unterschied, ob wir ständig auf eine gute Entwicklung der Umstände und weltpolitischen Verhältnisse hoffen und dabei immer wieder enttäuscht werden, oder ob trotz aller Entwicklungen und Umstände in dem Wissen ruhen können, dass Gott die absolute Kontrolle hat und Jesus Christus im Regiment sitzt.
Durch unseren Glauben sind wir schon jetzt mit Jesus Christus, mit dem, der alle Macht in Händen hält, verbunden. Und er greift auch jetzt schon ein. Wir können ihn um alles bitten und dabei das Vertrauen haben, dass ihm nichts unmöglich ist. Wir wissen schon jetzt, dass wir mit Jesus auf der Siegerseite stehen. Wir wissen, dass der irdische Wahnsinn ein gutes Ende haben wird und jeder Albtraum ein Happy End haben wird. Das macht uns unabhängig, souverän und handlungsfähig. Das gibt uns Kraft – auch wenn das reale Elend damit nicht weggezaubert ist.
Der Theologe Hennig Keine schreibt: „Himmelfahrt der Festtag, an dem die Angstfreiheit gefeiert wird.“ – Ja, wir müssen keine Angst mehr haben, weil Jesus Christus herrscht. Gott öffnet den Himmel und entmachtet die Bestien. Einmal wird er das vollständig tun, aber er tut es auch schon jetzt. Gott richtet und rückt zurecht. Er sieht dem Unrecht ins Auge. Jesus herrscht jetzt und heute. Im Großen über alle Herren, Machthaber, Befehlsgeber und Präsidenten dieser Welt und im Alltäglichen über unsere Rektoren, Abteilungsleiter, Chefs. Über die, die uns Angst machen und die, die uns demütigen und einschüchtern wollen. Die Mächtigen kommen und gehen – seine Macht ist eine ewige Macht und sein Königreich wird nicht zugrunde gehen.
Wir leben anders im Jetzt. Und gleichzeitig leben wir auf die Rückfahrt Jesu, auf sein Wiederkommen hin und sehnen uns nach dem Tag, an dem alles Chaos, alle Gewalt und Machtwillkür ein Ende haben wird.
Wir leben dem entgegen, dass Jesus Christus, der Menschensohn auch einmal wieder auf diese Welt kommen wird und dann ewig sichtbar unter uns herrschen und regieren wird.
Dann hat definitiv und endgültig die letzte Stunde der Herrscher dieser Welt geschlagen. Dann wird die Himmelfahrt auf den Kopf gestellt. „Dieser Jesus, der von euch weg in den Himmel aufgenommen wurde, wird wiederkommen.“ – Direkt bei seiner Himmelfahrt haben das die Boten angekündigt. Und Jesus selbst kündigte seine Wiederkunft mit folgenden Worten an: Der Menschensohn wird für alle sichtbar am Himmel erscheinen. Alle werden es sehen: Der Menschensohn kommt mit großer Macht und Herrlichkeit.“
Jesus hat kein One-Way-Ticket gebucht und genießt seit seiner Himmelfahrt bis in alle Ewigkeit seinen gemütlichen Himmelthron. Nein, er regiert schon jetzt und zu seiner Zeit wird er wiederkommen. Anders als bei seiner Himmelfahrt werden dann nicht nur ein paar dabei sein, sondern für alle wird es sichtbar sein.
Der Traum Daniels beginnt wie ein furchtbarer Albtraum, doch er hat ein Happy End. Das Chaos ist beendet, der Menschensohn übernimmt die Herrschaft:
Ihm wurden Macht, Ehre und Königsherrschaft gegeben. Die Menschen aller Völker, aller Nationen und aller Sprachen dienen ihm. Seine Macht ist eine ewige Macht, sein Königreich wird nicht zugrunde gehen.
Daniel 7,14
Das feiern wir heute – und darauf bauen wir auch Morgen. Amen.
–
Der Gottesdienst wurde an Christi Himmelfahrt, den 26. Mai 2022, in Ruit am Bürgerhaus im Rahmen des Musikvereinfestes gehalten.
No responses yet