Liebe Gemeinde,
heute geht es um Berufung. Nach Wikipedia meint Berufung unter anderem ein Angebot für ein wissenschaftliches, künstlerisches oder politisches Amt oder auch die besondere Befähigung, die jemand als Auftrag in sich fühlt. Auf die Berufung aus unserem Predigttext treffen beide Definitionen allerdings nicht wirklich zu. Man kann, denke ich, weder von einem Angebot, noch von einem besonderen Gefühl der Befähigung sprechen. Aber machen Sie sich selbst ein Bild.
Ich lese unseren Predigttext aus Jeremia 1, die Verse 4-10 (BIBEL):
4 Und des HERRN Wort geschah zu mir:
Jeremia 1, 4-10
5 Ich kannte dich, ehe ich dich im Mutterleibe bereitete, und sonderte dich aus, ehe du von der Mutter geboren wurdest, und bestellte dich zum Propheten für die Völker.
6 Ich aber sprach: Ach, Herr HERR, ich tauge nicht zu predigen; denn ich bin zu jung.
7 Der HERR sprach aber zu mir: Sage nicht: »Ich bin zu jung«, sondern du sollst gehen, wohin ich dich sende, und predigen alles, was ich dir gebiete.
8 Fürchte dich nicht vor ihnen; denn ich bin bei dir und will dich erretten, spricht der HERR.
9 Und der HERR streckte seine Hand aus und rührte meinen Mund an und sprach zu mir: Siehe, ich lege meine Worte in deinen Mund.
10 Siehe, ich setze dich heute über Völker und Königreiche, dass du ausreißen und einreißen, zerstören und verderben sollst und bauen und pflanzen.
Gott beruft Jeremia und für mich hört sich das nicht nach einem Angebot an. Schon bevor Jeremia überhaupt selbst Pläne schmieden konnte, noch als er im Mutterleib war, hatte Gott diese besondere Aufgabe für Jeremia bereits bestimmt. Nun spricht der Herr Jeremia an und teilt ihm seinen Auftrag mit. Die Zeitform, die hier im Hebräischen benutzt wird, verdeutlicht, dass die Erwählung eine beschlossene Tatsache ist. Jeremia erfährt aber erst in diesem Moment davon. Von Anfang an war es jedoch Gottes Plan, Jeremia zu seinem Propheten zu bestimmen. Er sollte in seinen Dienst treten und für ihn das Sprachrohr zu den Menschen sein. Es ist vielmehr eine Beauftragung als ein Angebot.
Aber Jeremia ist nicht begeistert von seiner Aufgabe. Er spürt keine besondere Befähigung für diesen Auftrag. „Ach Herr, ich tauge nicht zu predigen, denn ich bin zu jung.“, entgegnet er Gott. Jeremia hält sich nicht für kompetent genug, um diesen Job zu erfüllen.
Im erstem Moment könnte man meinen, das sei eine billige Ausrede von Jeremia. Man denkt, na klar, der hatte halt andere Pläne und konnte sich mit Sicherheit schon denken, dass der Prophetenjob ganz schön hart sein würde.
Aber vielleicht war es auch nur eine realistische und ganz natürliche Einschätzung von Jeremia.
Wenn er in den Spiegel sah, dann erblickte er da eben einen jungen Mann. Einen, der in seiner Gesellschaft noch nichts zu sagen hatte. Einen, der keine große Lebenserfahrung aufweisen konnte und dem noch jegliche Autorität fehlte. Wie sollte er in Gottes Namen auftreten und sein Wort verkündigen?
Aus menschlicher Perspektive waren Jeremias Zweifel an seiner Berufung absolut nachvollziehbar. Aber Gottes Perspektive ist eine andere. Gott hat scheinbar andere Maßstäbe, was die Berufung betrifft. Wir haben es vorhin auch von Paulus gehört. Gott beruft nach einer anderen Logik, wie wir es tun. Gott nimmt Menschen in seinen Dienst, die wir nicht als Erste-Wahl-Mitarbeiter einstellen würden. Er wirkt durch unscheinbare und scheinbar ungeeignete Menschen. Und so lässt Gott Jeremias Widerspruch nicht gelten. Er hilft ihm stattdessen, seine Blickrichtung zu ändern. Weg von sich selbst und hin zu ihm. Gott wird derjenige sein, der ihn leitet. Der ihm auch die Worte in den Mund legen wird. Gott ist es, der durch Jeremia spricht. Das verleiht ihm Autorität.
Dass diese Berufungsgeschichte am Anfang seines Buches steht, machte den Lesern damals und heute klar, der Mensch ist kein Wichtigtuer, kein sich selbst wichtigmachender Spinner. Dieser Mensch ist ein von Gott erwählter Prophet. Ein Sprachrohr Gottes. Gott wählt den scheinbar Ungeeigneten aus und gibt das Gelingen. Damit liegt der Fokus auf der Botschaft und nicht auf dem Botschafter und Jeremia weiß sich bleibend auf Gott geworfen und von ihm abhängig. Jeremia muss das Heft nicht selbst ihn die Hand nehmen, aber sich von Gott an die Hand nehmen lassen.
Und Gott sichert Jeremia zu, dass er mit ihm geht. Ganz seelsorgerlich und tröstlich spricht Gott ihm zu: „Fürchte dich nicht vor ihnen, denn ich bin bei dir und will dich erretten.“ Seinen Worten lässt Gott sogar noch Taten folgen. Jeremia soll nicht nur hören, dass Gott bei ihm ist, er darf es auch spüren. Gott rührt den Mund Jeremias an und spricht ihm dabei nochmal ganz konkret zu: „Siehe, ich lege meine Worte in deinen Mund.“ Jeremia durfte erleben, er durfte es regelrecht physisch erfahren, dass Gott ihm zur Seite steht. Gott wusste, dass Jeremia diese Stärkung für seinen harten Dienst brauchen würde.
An diese Berührung Gottes würde er sich auch in schwierigen Zeiten, in Zeiten der großen Anfechtung und des Zweifels festhalten können. Denn diese schweren Zeiten würden auf Jeremia zukommen. Das ist in der Zusage schon angedeutet. Wir hören schon mit, dass Gott nicht alle Gefahr von Jeremia fernhalten wird. Denn gäbe es keine Gefahr und keine Widersacher, bräuchte Jeremia auch nicht gerettet zu werden.
Aber Jeremia widerspricht nicht noch einmal. Er lässt sich, nachdem er Gottes Zusage gehört und seinen Beistand erlebt hat, in den Dienst nehmen. Es ist jetzt aber nicht so, dass er dauerhaft Feuer und Flamme für seine Aufgabe wäre und allen Anfeindungen mit großem Gottvertrauen trotzen würde. Nein, wenn wir Jeremias Lebenslauf weiterverfolgen, dann lesen wir immer wieder von Phasen, in denen er große Zweifel an seinem Dienst hat. Sein Leben als Prophet ist auch wirklich kein Zuckerschlecken. Er wird geschlagen und entführt, oft wird er nichts ernst genommen oder sogar gedemütigt. Immer wieder brachte das Jeremia ins Klagen über seinen Job. Aber er hat nicht hin-, sondern sich stattdessen immer wieder in Gottes Arme geworfen.
Gerade im tiefsten Leid kehrt er Gott und seinem Auftrag nicht den Rücken zu, sondern wendet sich an den, der versprochen hat, mit ihm zu gehen und bei ihm zu sein. Da ist dann nicht alles gut, aber da kann Jeremia alles rauslassen. Und Gott lässt das zu. Er hält auch in den Phasen, in denen Jeremia zweifelt und motzt an ihm fest. Er hat ihn von Anfang erwählt, dabei bleibt er. Sein Versprechen mit ihm zu gehen, bricht Gott nicht.
Die Berufung von Jeremia ist eine starke Geschichte. Und auch das ganze Wirken Gottes an und durch Jeremia ist faszinierend und absolut lesenswert. Aber jetzt sind wir ja alle keine von Gott auf so eine besondere Art berufene Propheten. Was können wir mit dieser Geschichte machen? Hat sie uns etwas zu sagen, was für unser Leben, für unseren Alltag relevant ist?
Ich denke, wir müssen dazu nochmal besonders die erste Ansprache an Jeremia in den Blick nehmen. Gott sagt da zu Jeremia: „Ich kannte dich, ehe ich dich im Mutterleibe bereitete, und sonderte dich aus, ehe du von der Mutter geboren wurdest.“
Der Schlüssel zu uns, liegt in den beiden Verben, die hier verwendet werden. Gott kannte oder man kann auch übersetzen erkannte Jeremia. Das hier benutze Verb hat im Hebräischen eine viel größere Bedeutung als nur das, was wir unter kennen oder erkennen im Deutschen verstehen. Wenn Gott einen Menschen erkennt, dann heißt das, dass er ihn ansieht und erwählt, dann heißt das, dass er sich ihm zuwendet und eine Beziehung mit ihm eingehen will. Und dann hat das plötzlich auch etwas mit mir zu tun. Denn auch ich bin von Gott erkannt. Und Sie sind es auch. Gott sieht Sie und mich an. Er will eine Beziehung mit uns haben. Und dafür ist nun das zweite Verb von Bedeutung. Gott hat Jeremia ausgesondert, wörtlich steht hier geheiligt. Und Geheiligte, das sind auch wir. Das Neue Testament macht das ganz deutlich. Durch den Tod und die Auferstehung von Jesus Christus hat Gott uns geheiligt und damit die Möglichkeit zur Beziehung eröffnet. Sie und ich, wir alle sind von Gott erkannt und geheiligt. Wie es auch Jeremia war. Und wie Gott Jeremia in seinen Dienst genommen hat, will er auch uns als Geheiligte in seinen Dienst nehmen. Unseren Dienstauftrag formulierte Jesus vor seinem Weggang ganz klar. Er sagte zu seinen Nachfolgern:
„Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker. Taufet sie auf den Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten, alles, was ich euch befohlen habe.“
Und wie Gott Jeremia seinen Beistand versprochen hat, verbindet auch Jesus diesen Auftrag mit einer Zusage: „Und siehe ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“
Für diesen Dienst sind wir alle von Gott auserwählt. Als seine Nachfolger sind wir berufen seine frohe Botschaft weiterzusagen. Und da können wir jetzt wiederum viel von Jeremias Berufung lernen. Ich möchte 3 Punkte herausgreifen:
1. Gott will uns scheinbar Unbrauchbare gebrauchen
Durch den Tod und die Auferstehung von Jesus Christus sind wir als Christen alle erwählt, erkannt und geheiligt. Gott will auch jeden von uns in seinen Dienst nehmen. Sicher wird er nicht jeden als Gerichtsprediger in die Welt schicken. Aber Botschafter seines Wortes, Verkündiger der guten Nachricht das sind wir alle. Und jetzt denken Sie vielleicht ja schön, aber ich bin zu jung oder zu alt, ich bin zu unfähig oder zu schüchtern. Wenn Gott Sie ansieht, sieht er aber jemand anderen. Er sieht Menschen, die eine Geschichte mit ihm haben und diese weitererzählen können. Er sieht Frauen und Männer, die mit ihrem ganz praktischen Anpacken für andere, von Gottes Liebe erzählen. Er sieht Mitarbeiter, die in verschiedenen Gruppen und Kreisen seine gute Botschaft weitergeben. Er sieht Menschen, die er benutzen möchte. Und er befähigt und stärkt Sie für Ihren Dienst.
Und das ist das Zweite, was wir bei Jeremia sehen.
2. Gott rüstet uns für unseren Dienst aus.
Immer wieder gibt er uns die nötige Wegzehrung und Kraft. Er ist es, der uns die Worte in den Mund legt. Er ist es, der uns hilft, seiner Art entsprechend zu leben und zu handeln. Wie Jeremia als Prophet ein Sprachrohr war, sind auch wir Rohre für das göttliche Handeln. Alles, was wir an Taten und Worten, an Liebe und Zuwendung, an Vergebung und Gerechtigkeit weitergeben können, empfangen wir zuerst von Gott. Auch aus diesem Grund, hat uns unser Herr Jesus Christus aufgetragen das Abendmahl zu feiern. Wir tun das, um uns an sein Leiden und Sterben für uns zu erinnern und seine Hingabe zu erfahren. Es reicht manchmal nicht, das nur kognitiv, nur im Kopf zu wissen.
Die Gnade, das Geschenk seiner Hingabe müssen wir auch immer erleben, so wie Jeremia Gott erlebt hat. Im Abendmahl schmecken und spüren wir den Tod unseres Herrn, um ganzheitlich zu begreifen, dass wir angenommen sind. Dass wir erkannt und geheiligt sind. Und so ist das Abendmahl auch Kraftquelle und Wegzehrung für unseren Dienst, denn auch das sehen wir als dritten Punkt bei Jeremia:
3. Es ist nicht immer bequem in Gottes Dienst zu stehen.
In einer Zeit der oft falsch verstandenen Toleranz macht man sich nicht immer beliebt, wenn man Gottes Wort verkündigt. Heute soll doch jeder glauben, was er will. Glaube ist Privatsache und jeder lässt jeden stehen. Das ist aber nicht Toleranz, sondern Gleichgültigkeit. Das Wort Mission ist zum Unwort geworden und die pluralistische Weltsicht, in der jeder Weg zu irgendeinem Heil führt, gilt als weltanschaulich neutral und ideologiefrei. Wenn wir als Christen aber den Auftrag unseres Herrn ernstnehmen, dann können wir nicht schweigen. Dann müssen wir auch gegen den Mainstream von seiner Zuwendung in Jesus Christus zu uns Menschen sprechen.
Dann dürfen wir Gottes Wort nicht so verbiegen und hindrehen, dass es mit allen anderen Religionen zusammenpasst, denn das was Gott in Jesus Christus getan hat, ist einzigartig und einmalig. Und ich meine, es ist wert, dass es jeder Mensch hört. Und wenn es dabei unbequem wird, dann können wir uns wie Jeremia in Gottes Arme werfen.
Abschließend möchte ich eine andere Definition für den Begriff Berufung vorschlagen:
Berufung meint, dass Gott zu einem Menschen in Beziehung tritt und diesen in seinen Dienst nimmt, um seine frohe Botschaft vielen anderen Menschen weiterzugeben. Für diesen Dienst wird der Berufene bestens ausgestattet und kann sich während der Ausübung trotz aller Widrigkeiten der Begleitung durch den Auftraggeber gewiss sein. Berufung ist kein Angebot und kein Gefühl, keine Bürde und auch keine Überforderung. Von Gott berufen zu sein, ist ein Privileg.
Amen.
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In Gottes Dienst zu stehen ist ein Privileg. Er ist es, der durch uns wirkt. Und so singen wir nun gemeinsam das Lied unter der Nummer 497: Ich weiß, mein Gott, daß all mein Tun. Die Strophen 1.2.5.9+14)
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Die Predigt wurde am 29. Juli 2018 in der Stadtkirche St. Veit in Waldenbuch gehalten.
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