Liebe Gemeinde,
Gott einmal ganz live begegnen – das wäre doch genial, oder? Einmal wirklich laut und vernehmbar Gottes Reden, seine Stimme zu hören. Oder wie wir es von Johannes in der Schriftlesung gehört haben, eine Vision von ihm zu bekommen, das wäre schon toll. Gott irgendwie ein bisschen greifbarer, fassbarer zu haben.
Wie gut wäre es, wenn mir die Kraft fehlt, weiterzulaufen, Gottes stärkende Hand in meinem Rücken tatsächlich zu spüren. Oder wenn ich mich traurig und einsam fühle, seine tröstenden Arme tatsächlich zu erfahren. Ich wünsche mir das manchmal. Gott so richtig spektakulär mit meinen Sinnen zu erleben. Ich wünsche es mir, weil ich mir dadurch Vergewisserung für meinen Glauben und Stärkung für die alltäglichen Aufgaben erhoffe.
Einer, der das mehrfach erleben durfte, war Mose. Von seiner ersten, besonderen Begegnung mit Gott berichtet der heutige Predigttext aus dem 2. Buch Mose:

1 Mose aber hütete die Schafe Jitros, seines Schwiegervaters, des Priesters in Midian, und trieb die Schafe über die Wüste hinaus und kam an den Berg Gottes, den Horeb.
2 Und der Engel des Herrn erschien ihm in einer feurigen Flamme aus dem Dornbusch. Und er sah, dass der Busch im Feuer brannte und doch nicht verzehrt wurde.
3 Da sprach er: Ich will hingehen und diese wundersame Erscheinung besehen, warum der Busch nicht verbrennt.
4 Als aber der Herr sah, dass er hinging, um zu sehen, rief Gott ihn aus dem Busch und sprach: Mose, Mose! Er antwortete: Hier bin ich.
5 Er sprach: Tritt nicht herzu, zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land!
6 Und er sprach weiter: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Und Mose verhüllte sein Angesicht; denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen.
7 Und der Herr sprach: Ich habe das Elend meines Volks in Ägypten gesehen, und ihr Geschrei über ihre Bedränger habe ich gehört; ich habe ihre Leiden erkannt.
8 Und ich bin herniedergefahren, dass ich sie errette aus der Ägypter Hand und sie aus diesem Lande hinaufführe in ein gutes und weites Land, in ein Land, darin Milch und Honig fließt.
10 so geh nun hin, ich will dich zum Pharao senden, damit du mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten führst.
11 Mose sprach zu Gott: Wer bin ich, dass ich zum Pharao gehe und führe die Israeliten aus Ägypten?
12 Er sprach: Ich will mit dir sein. Und das soll dir das Zeichen sein, dass ich dich gesandt habe: Wenn du mein Volk aus Ägypten geführt hast, werdet ihr Gott dienen auf diesem Berge.
13 Mose sprach zu Gott: Siehe, wenn ich zu den Israeliten komme und spreche zu ihnen: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt!, und sie mir sagen werden: Wie ist sein Name?, was soll ich ihnen sagen?
14 Gott sprach zu Mose: Ich werde sein, der ich sein werde. Und sprach: So sollst du zu den Israeliten sagen: »Ich werde sein«, der hat mich zu euch gesandt.
15 Und Gott sprach weiter zu Mose: So sollst du zu den Israeliten sagen: JHWH, der Gott eurer Väter, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks, der Gott Jakobs, hat mich zu euch gesandt. Das ist mein Name auf ewig, mit dem man mich anrufen soll von Geschlecht zu Geschlecht.

Mose 3, 1-8a und 10-15

Gott zeigt sich Mose auf eine einzigartige und beeindruckende Art und Weise. Mit einem brennenden Busch, der doch nicht verbrennt, macht Gott Mose auf sich aufmerksam. Mose wird neugierig und will sich den Busch genauer ansehen. Und als er näherkommt, da sieht er nicht nur etwas Ungewöhnliches, da hört er auch noch eine Stimme, die seinen Namen nennt. Die Stimme weist ihn darauf hin, dass er sich auf heiligem Boden befindet. Deshalb soll er seine Schuhe ausziehen. So darf Mose diesen besonderen, diesen heiligen Moment nicht nur sehen und hören, nein er kann ihn auch mit seinen bloßen Füßen spüren.
Dass es Gott ist, der mit ihm redet, wird erst dadurch klar, dass er sich ihm vorstellt: „Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs.“ Erst nach dieser Vorstellung scheint Mose klar zu sein, dass er gerade Gott selbst begegnet. Aus Ehrfurcht verhüllt er sein Angesicht. Es ist, also wäre es eine Reizüberflutung für ihn. Die Heiligkeit Gottes zu spüren und Gottes Stimme zu hören, war genug für Mose. Gott auch noch zu sehen, davor fürchtete er sich.
Nach dieser ersten Vorstellung Gottes, nennt er den Grund der Begegnung. Er hat einen Rettungsplan für sein Volk und dabei eine besondere Aufgabe für Mose. Mose soll die Israeliten aus Ägypten hinausführen und damit aus der Sklaverei befreien. Doch das sieht Mose erst einmal ganz anders. „Wer bin ich?“ Wendet er ein. „Wer bin ich schon, so einen großen Auftrag auszuführen?“ Die Nummer schien Mose dann doch zu groß zu sein. Und mit seiner Vorgeschichte, dem Mord an dem ägyptischen Aufseher war sein Interesse insgesamt auch nicht so groß, wieder nach Ägypten zurückzugehen.
Wer bin ich schon? – Kennen Sie diesen Gedanken? Wer bin ich schon, dass ich etwas für Gott tun kann? Wer bin ich schon, dass Gott mich gebrauchen kann und will? – Die Reaktion des Mose erinnert mich an die berühmten Situationen in der Schule oder auch im Konfis, wenn ich nach einem Freiwilligen für eine Aufgabe frage. Plötzlich schauen alle weg und machen sich ganz klein. Jeder versucht so unsichtbar wie möglich zu sein. Reagiere ich auch so, wenn Gott mir eine Aufgabe anvertraut? Wenn Gott mir zeigt, was es zu tun gibt?
Mose kann sich nicht wirklich wegducken. Immerhin steht er alleine vor Gott. Und trotzdem willigt er nicht direkt in Gottes Plan ein. Und Gott lässt das zu. Anstatt Mose zurechtzuweisen und seinen Auftrag mit Nachdruck zu wiederholen, spricht er ihm Mut zu: „Ich will mit dir sein.“ Mit dieser Zusage antwortet Gott auf Moses Zweifel. – Es geht nicht darum, wer Mose ist, sondern wer mit ihm ist.
Es geht nicht darum, wer wir sind, sondern wer Gott ist. Es geht letztlich nicht um unser Selbstvertrauen, sondern um unser Gottvertrauen.
Gott ist da – und er stärkt uns für die Aufgaben, die er uns zumutet. Er begleitet uns in den Herausforderungen, die vor uns liegen.
Mose war mit Gottes Zusage noch nicht zufrieden. Das Versprechen, dass er mitgeht, die ist ihm irgendwie noch zu wenig. Es braucht noch mehr, noch Handfesteres. Dieser Gott muss sich als verlässlicher Partner und Begleiter erstmal noch beweisen. Und so fragt Mose nach dem Namen Gottes. Er will den Auftraggeber genau kennen und benennen können.

Ich werde sein, der ich sein werde.

2. Mose 3, 14

so stellt sich Gott ihm daraufhin vor. Man könnte auch übersetzen:

Ich bin, der ich bin.

2. Mose 3, 14

Diese doch sehr seltsame Namensnennung hat mit dem geheimnisvollen uns bis heute in seiner Bedeutung nicht ganz geklärten Namen Gottes zu tun: JHWH. Den Juden ist der Name Gottes so heilig, dass gar er nicht ausgesprochen werden darf. Und da wir von diesem Namen nur die Konsonanten überliefert haben, ist bis heute auch nicht ganz klar, wie er auszusprechen ist.  Gott gibt mit diesem Namen etwas von sich preis. Er offenbart sich Mose und verhüllt sich gleichzeitig doch auch wieder ein stückweit.
Mose überzeugt die Namensnennung Gottes nicht wirklich. Im Laufe des Gespräches bringt er noch zwei weitere Einwände vor, bis er schließlich, ich denke, man kann sagen, immer noch nicht voller Begeisterung aber immerhin dann doch auf Gottes Auftrag einlässt.
Wie geht es Ihnen mit dieser Namensnennung? „Ich bin, der ich bin.“ Oder „Ich werde sein, der ich sein werde.“ – Die Rückfragen zu diesem Namen liegen auf der Hand: Ja, wie ist Gott denn? Und wie wird er denn sein? Wie können wir auf diesen Gott vertrauen und darauf, dass er uns bei den Aufgaben, die vor uns liegen, begleitet?
Ich denke, indem wir in der Geschichte, die Gott mit den Menschen schreibt, weitergehen. Denn Gott bleibt nicht geheimnisvoll verborgen. Er wird Mensch und damit sichtbar, hörbar, erlebbar und ganz greifbar. Vorhin haben wir es im Hymnus aus dem Kolosserbrief gebetet: Christus ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes. Der geheimnisvolle „Ich werde sein, der ich sein werde.“ war in Jesus Christus leibhaft unter den Menschen. Mit seinem Sein und seinem Tun hat er gezeigt, wie sein Vater, wie Gott ist. In Jesus ist uns die Treue und die Liebe Gottes offenbart worden. Und auch wenn wir Jesus selbst nicht erlebt und gesehen haben, so haben wir doch die Bibel, die von Jesus, von der Menschwerdung Gottes erzählt und zeugt. Im Sein und Tun Jesus Christi erkennen wir Gott selbst. Und wir erkennen, dass auf Gott Verlass ist. Wenn er verspricht, mitzugehen, dann ist das eine Zusage, die gilt – und zwar uns heute noch genauso wie damals Mose.
Gott begegnet uns heute nicht in brennenden Büschen und auch Visionen sind eher selten. Aber er begegnet uns – in und durch sein Wort, indem so viel Ermutigendes und Tröstendes steht.
Er begegnet uns, indem er uns Menschen an die Seite stellt, mit denen wir unseren Glauben und auch unsere Zweifel teilen können. Er begegnet uns durch einen Liedvers oder eine Melodie, die scheinbar plötzlich und zufällig im Ohr haben. Und er begegnet uns, wenn wir gemeinsam das Abendmahl feiern. Wenn wir das Brot und den Wein bzw. den Traubensaft sehen und schmecken, dann erinnern wir uns daran, wer Christus ist und was er für uns getan hat. Wenn wir das Abendmahl feiern, ist er selbst gegenwärtig. Er gibt uns neue Kraft für die Aufgaben, die vor uns liegen. An seinem Tisch werden wir erfrischt und gestärkt. Wir werden vergewissert, dass er da ist und dass er mit uns geht – hinein in unseren Alltag. Er ist da, bei den Herausforderungen, die vor uns liegen. Wir müssen nicht ängstlich fragen: „Wer bin ich denn?“ oder „Was kann ich denn schon?“ – Wir können uns mutig von Gott gebrauchen lassen – nicht, weil wir sind, wie wir sind, sondern weil er ist, wer und wie er ist.
Amen.

Die Predigt wurde am 27. Januar 2019 in der Stadtkirche St. Veit in Waldenbuch gehalten.

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