Liebe Gemeinde,
was haben die „großen“ Menschen dieser Welt, die Obamas, Trumps, Merkels und Macrons gemeinsam? Was verbindet diejenigen, die Menschen überzeugen oder sogar begeistern und mitreißen können?
Ich glaube, etwas, das diese Menschen verbindet, ist die kluge Rede. Manche von ihnen bestechen mit diplomatisch ausgeklügelten und scheinbar sehr weisen Worten. Andere überzeugen die Massen mit einem gewaltigen Auftreten und einer überwältigenden Rhetorik, die den eigentlichen Inhalt eher zweitrangig werden lässt.
Mit gut gewählten Worten und einer überzeugenden Art des Vortrags kann unglaublich viel erreicht werden. Ein gutes Beispiel dafür ist, wie ich finde, der frühere amerikanische Präsident Obama. Der erhielt für seine Reden und Ankündigungen den Friedensnobelpreis, noch bevor er seinen Worten Taten folgen ließ. Ich möchte das jetzt gar nicht bewerten, aber was ich sagen will ist, dass eine kluge Rhetorik erstmal fast unabhängig vom Inhalt die Massen überzeugen und mitreißen, aber auch polarisieren und blenden kann.
Ganz anders Paulus. Seine Art zu reden und zu predigen, war nicht wirklich mitreißend. So wird in der Apostelgeschichte beispielsweise berichtet, dass bei einer seiner langen Predigten ein junger Mann namens Eutychus, der am Fenster saß, sogar eingeschlafen und aus dem Fenster gefallen ist. Und im 2 Korintherbrief wird deutlich, dass die Korinther die Briefe des Paulus durchaus stark und beeindruckend fanden, aber seine Persönlichkeit beim Liveauftritt auf sie eher schwach und kläglich gewirkt hat. Mit seiner Person und seiner Rhetorik konnte Paulus die Menschen wohl nicht mitreißen.
Ich frage mich, warum erwählt und gebraucht Gott einen scheinbar so wenig begabten Redner für eine so wichtige Botschaft? Warum hat Paulus nicht wenigstens einen Grundkurs in Rhetorik besucht und sich mit einfachen Kniffs und Tricks weitergeholfen? Seine Briefe zeigen ja, dass er eigentlich durchaus wortmächtig war. Warum hat er dieses Potential in seinen Live-Predigten nicht eingesetzt? 
Im heutigen Predigttext gibt uns Paulus selbst eine Antwort auf diese Fragen.
Ich lese aus 1. Korinther 2 die Verse 1-10:

1 Auch ich, meine Brüder und Schwestern, als ich zu euch kam, kam ich nicht mit hohen Worten oder hoher Weisheit, euch das Geheimnis Gottes zu predigen.
2 Denn ich hielt es für richtig, unter euch nichts zu wissen als allein Jesus Christus, ihn, den Gekreuzigten.
3 Und ich war bei euch in Schwachheit und in Furcht und mit großem Zittern;
4 und mein Wort und meine Predigt geschahen nicht mit überredenden Worten der Weisheit, sondern im Erweis des Geistes und der Kraft,
5 auf dass euer Glaube nicht stehe auf Menschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft.
6 Von Weisheit reden wir aber unter den Vollkommenen; doch nicht von einer Weisheit dieser Welt, auch nicht der Herrscher dieser Welt, die vergehen.
7 Sondern wir reden von der Weisheit Gottes, die im Geheimnis verborgen ist, die Gott vorherbestimmt hat vor aller Zeit zu unserer Herrlichkeit,
8 die keiner von den Herrschern dieser Welt erkannt hat; denn wenn sie die erkannt hätten, hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt.
9 Sondern wir reden, wie geschrieben steht (Jesaja 64,3): »Was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben.«
10 Uns aber hat es Gott offenbart durch den Geist; denn der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen Gottes.

1. Korinther 2, 1-10

Paulus war nicht der charismatische, mitreißende Typ, den die Korinther sich vielleicht gewünscht hätten. Er wusste selbst, dass er nicht so glanzvoll und rhetorisch gewieft wie manch andere griechische Redner auftrat. Er entschuldigt sich aber nicht dafür, dass er es nicht besser kann, sondern betont, dass er sich bewusst von den tollen und erfolgreichen Rednern seiner Zeit abgrenzt. Er hatte ein anderes Ziel. Während diese vor allem mit ihrer Person bei den Mächtigen und Einflussreichen der Zeit punkten und damit auch finanziell profitieren wollten, wollte Paulus sich nicht selbst ins Zentrum stellen. Ihm ging es nicht um seine eigene Person und auch nicht um sein eigenes Ansehen – er wollte allein Jesus Christus, den Gekreuzigten ins Zentrum rücken.
Die Botschaft sollte die Menschen begeistern und überzeugen und nicht der Botschafter. Sein Ziel war es den Gekreuzigten ins rechte Licht zu setzen und nicht sich selbst möglichst gut zu präsentieren.

Ich will das mal mit diesem kleinen Spot verdeutlichen. Ein bei den Korinthern und auch bei uns heute noch schnell begeisternder Redner, der will selbst im Scheinwerferlicht stehen. Der will den Applaus und die Zustimmung der Massen, der will beliebt, berühmt und bekannt sein. Er redet mit hohen, weise klingenden Worten und bietet eine gut inszenierte Show.
Solche Redner waren den Korinthern bekannt und so einen Stil hatten sie auch von Paulus erwartet. Der machte es aber bewusst anders. Er schreibt:

1 Als ich zu euch kam, kam ich nicht mit hohen Worten oder hoher Weisheit, euch das Geheimnis Gottes zu predigen.
2 Denn ich hielt es für richtig, unter euch nichts zu wissen als allein Jesus Christus, ihn, den Gekreuzigten.

1. Korinther 2, 1+2

Paulus hatte den Spot ganz bewusst allein auf Jesus Christus, allein auf ihn, den Gekreuzigten gerichtet. Er hat keine begeisternde Show abgezogen und wollte nicht selbst im Scheinwerferlicht stehen. Er hat stattdessen bewusst die Rolle des Scheinwerferhalters eingenommen und den Spot auf Jesus Christus, den Gekreuzigten gerichtet.
Im ersten Moment klingt das ganz plausibel, finde ich. Paulus will den Inhalt und nicht sich selbst in den Vordergrund stellen. Das können wir von ihm lernen.
 – Aber es stellt sich doch die Frage, warum dazu die Form schlecht sein muss? Würde das Licht auf den Gekreuzigten nicht noch heller scheinen, diesen noch besser in Szene setzen, wenn die Predigt des Paulus argumentativ überzeugend, spannend und begeisternd wäre?
Ich frage mich, gerade jetzt wo ich meine ersten Gottesdienste und Predigten mache, was das für meine Art zu predigen heißt. Ist man ein guter Prediger, wenn man ein schlechter Redner ist? Soll ich rhetorische Stilmittel, schöne Formulierungen und gute Argumente lieber weglassen?
Und ich denke, wir müssen uns fragen, was das für unsere Gemeindearbeit im Ganzen heißt? Keine besonderen Gottesdienste mehr? Keine ansprechenden Veranstaltungen?
Zu diesen Fragen möchte ich vier Gedanken aus dem Predigttext mit Ihnen teilen:


1. Glaube braucht das richtige Fundament!

Ich glaube, Paulus konnte sehr wohl gut und überzeugend argumentieren. Schon in unserem Predigttext, aber auch in seinen Briefen insgesamt wird das deutlich. Aber er hat es bei seinen Predigten in Korinth bewusst nicht getan. Als Begründung für diese Entscheidung schreibt er:

Auf dass euer Glaube nicht stehe auf Menschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft.

1. Korinther 2, 5

Glaube braucht das richtige Fundament. Eine tolle Predigt kann uns begeistern und mitreißen. Christen, die von ihren Erlebnissen mit Gott erzählen, können uns begeistern. Aber die Grundlage unseres Glaubens muss Christus und nicht ein überzeugender Christ sein.Verstehen Sie mich nicht falsch, ich halte das alles für unglaublich wichtig und richtig. Und ich bin mir sicher, dass Gott überzeugende und von ihrem Glauben begeisterte Christen benützt, um noch mehr Nachfolger zu gewinnen und ich glaube auch, dass wir alle dazu aufgerufen sind, uns in diesem Sinne benutzen zu lassen.  Aber wenn wir menschliche Glaubensvorbilder zur Grundlage unseres Glaubens machen, dann kann dieser ganz schön ins Wanken gekommen. Was ist zum Beispiel, wenn einer zwar überzeugend redet, wir aber irgendwann feststellen, dass er nicht überzeugend lebt? Was macht das dann mit unserem Glauben? Menschen können enttäuschen – Christus bleibt überzeugend.Nicht weil mich ein Christ oder eine christliche Veranstaltung beeindruckt hat, folge ich Jesus nach, sondern weil mich Gottes Kraft ergriffen hat. Das setzt letztlich auch jede Predigt, die Events und Aktionen in unserer Kirche ins richtige Verhältnis. Zum einen können wir uns fragen: Dienen die Aktionen und Events in unseren Gottesdiensten dem Ziel, den Spot auf Christus zu werfen oder setzen wir nur verschiedene Lichtakzente, Highlights und stellen den Gekreuzigten damit in den Schatten? Und was bleibt, wenn die Lichter nach den Veranstaltungen ausgehen? Zum anderen ist diese Erkenntnis aber auch entlastend, da nicht wir mit unserem Tun den Glauben in andere Menschen legen können, sondern Gottes Kraft selbst das stabile und bleibende Glaubensfundament gründet.


2. Ein zweiter Gedanke: Der Botschafter entspricht der Botschaft

Nach menschlichen und weltlichen Maßstäben ist Paulus wie gesagt ein schlechter Botschafter. So zu predigen, dass die Leute einschlafen, ist ehrlich gesagt nicht mein Ziel. Paulus wirkt schwach und nicht wirkmächtig. Und doch hat er in seiner Schwachheit unzählige Gemeinden gegründet. Er hat die Botschaft von Jesus Christus in drei Missionsreisen weit gestreut und er hatte trotz seiner Schwachheit eine große Autorität in den Gemeinden. In seiner Schwachheit entspricht Paulus der Botschaft, die er verkündet. Er predigt von Jesus Christus, dem Sohn Gottes, dem Retter der Welt, der elendig und leidend am Kreuz gestorben ist. Die menschliche Weisheit sieht das genauso. Für die Juden war und ist es bis heute ein Anstoß, dass dieser gekreuzigte der angekündigte Messias sein sollte und für die Griechen und für viele Menschen bis heute eine Torheit, etwas absolut Unverständliches, dass ein Mensch Gott gewesen sein soll und dass dieser auch noch für uns sterben musste.

Aus menschlicher Perspektive ist Paulus ein schlechter Redner und man fragt sich, warum Gott diesen ausgewählt hat. Aus der Perspektive Gottes ist er ein sehr wichtiges Werkzeug. Genauso ist es mit dem Kreuz. Aus menschlicher Perspektive ist Jesus ein Verlierer und Versager. Ein verkappter Revolutionär, der am Kreuz seine Mission endgültig verloren hat. Aus der Perspektive des Glaubens, hat Jesus am Kreuz nicht verloren, sondern gesiegt.  Während die, die Jesus ans Kreuz brachten, dachten, das Tun Jesus zu beenden, haben sie es vollendet.  Die Herrlichkeit Gottes, die Mose, wie wir vorher in der Schriftlesung gehört haben, unbedingt sehen wollte, wird am Kreuz sichtbar – an dem Ort, wo sie aus menschlicher Logik am wenigstens zu erwarten ist.


3. Und damit komme ich zu einem weiteren Gedanken: Vom Glauben kann man niemanden überzeugen.

In Tübingen werden alle zwei Jahre die sogenannten Hochschultage angeboten. Das ist eine Veranstaltung, die von Studenten organisiert wird, mit dem Ziel anderen Studierenden den Glauben näher zu bringen. Zu diesem Veranstaltungsformat gehören drei oder vier Abendveranstaltungen, zu denen Redner eingeladen werden, die im Stil der universitären Lehre, das heißt vor allem argumentativ den Studenten den Glauben näherbringen wollen. Das sind echt immer super Abende mit tollem Rahmenprogramm, einer guten Band und wirklich auch authentischen Rednern, die auf solche Veranstaltungsformate spezialisiert und argumentativ total fit sind. Ich habe die Hochschultage immer als sehr wertvoll und gut erlebt und ich bin mir sicher, dass sie auch viele Studierende zum Nachdenken gebracht haben. – Aber man merkt an solchen Abenden auch, dass es argumentative Grenzen gibt, wenn es um den Glauben geht. Mehrmals ging es mir so, dass ich einen Redner begeisternd fand und seine Argumentation mir total einleuchtete, mein nichtgläubiger Kommilitone, den ich mitgeschleppt hatte, aber alles andere als überzeugt war.

Im Predigttext wird klar, warum das so ist. Paulus spricht von zwei Arten der Weisheit. Von der Weisheit dieser Welt und von der Weisheit Gottes.

Während die Weisheit dieser Welt nach Paulus vergänglich ist, man könnte auch sagen, dem Zeitgeist und den aktuellen philosophischen Strömungen unterworfen ist, ist die Weisheit Gottes schon vor aller Zeit vorherbestimmt. Und sie ist, so schreibt Paulus: Im Geheimnis verborgen. Es ist spannend, dass hier der Begriff „Geheimnis“ und nicht „Rätsel“ steht, weil das viel über die Art der göttlichen Weisheit aussagt. Sie ist eben kein Rätsel, das man mit viel nachdenken lösen oder durch intellektuelle Höhenflüge erklären kann. Die göttliche Weisheit ist ein Geheimnis. Etwas, das einem offenbart werden muss. In das man eingeführt werden muss.
Und genau deshalb kann sie mit den Mitteln der menschlichen Weisheit, das heißt mit guter, argumentativer Rede auch nicht vollständig vermittelt werden.
Dass Jesus Christus am Kreuz gestorben und wieder auferstanden ist und was das für uns heißt, das können wir letztlich nicht begreifen und es mit der menschlichen Logik auch nie völlig erfassen. Wie gesagt, diese Botschaft ist auch für viele Menschen heute noch anstößig und unbegreiflich, weil es etwas Neues ist, etwas Unvergleichliches, etwas, dass keine Analogie in der Geschichte hat. Und wenn etwas keine Entsprechung hat, dann fehlen uns oft die richtigen Maßstäbe, um es zu messen und es einzuordnen. Wir lernen, in dem wir an Bekanntes anknüpfen. Aber woran sollen wir diese Botschaft anknüpfen? Es ist etwas völlig Neues. Kein Auge hat es zuvor gesehen, kein Ohr hat es gehört, zitiert Paulus aus dem Jesajabuch.
Aber wie können wir es denn fassen? Auf Prediger, die uns überzeugen und begeistern, sollen wir uns nicht berufen. Argumentativ können wir vom Glauben genauso wenig überzeugen, wie man auch niemanden zum Glück zwingen kann. An Bekanntes können wir nicht anknüpfen.


4. Die Antwort gibt der vierte und letzte Punkt: Der Geist macht den Unterschied.

Paulus schreibt:

Uns aber hat es Gott offenbart durch den Geist; denn der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen Gottes.  

1. Korinther 2,10

Unser menschlicher Verstand kann die Weisheit Gottes, das Geheimnis vom Tod Jesu Christi nicht von sich aus begreifen, wenn nicht der Geist Gottes ihn ergreift.
Von dieser Botschaft kann der Botschafter nicht mit Redekunst überzeugen. Die Botschaft selbst muss überzeugen.
Es geht Paulus aber nicht um eine grundsätzliche Verneinung des menschlichen Intellekts. Wir haben von Gott einen Verstand bekommen und den sollen wir auch nützen. Aber wir müssen uns dessen bewusst sein, dass er seine Grenzen hat. Die Tiefen Gottes können wir nicht durch menschliche Weisheit und intensives Nachdenken erforschen, wir müssen in diese vom Geist Gottes eingeführt werden. Er muss sie uns offenbaren. In V11 schreibt Paulus, dass niemand weiß, was in Gott ist, als allein der Geist Gottes. In all unserem Nachdenken und Reden über Gott macht also der Geist den Unterschied.
Was heißt das alles jetzt für uns?
Die Aufgabe von uns Christen ist es, mit unserem Reden und Tun auf Christus hinzuweisen. Ich denke, wir müssen dafür unser bestmöglichstes geben. So lange die Lichtrichtung stimmt und wir uns nicht selbst dabei in Szene setzen, ist das richtig. Aber ob bei anderen Glauben entsteht oder nicht, ist nicht von uns, von unseren menschlichen Argumentationen und Aktionen abhängig, sondern allein vom Wirken des Geistes. Ein Glaube, der auf der Kraft Gottes, auf Jesus Christus gründet, der ist gewirkt vom Geist.
Das ist herausfordernd und entlastend zugleich. Herausfordernd finde ich es, weil ich mich in meinem Aktionismus ausbremsen lassen muss. Weil ich erkenne, dass es wichtiger ist, um das Wirken des Geistes zu bitten und auf seine Gegenwart zu vertrauen als noch eine gute Idee zu haben oder noch eine kreative Aktion zu planen.
Entlastend finde ich es, weil es letztlich nicht an mir hängt, ob Menschen Jesus Christus, den Gekreuzigten als ihren Herrn und Heiland erkennen. Denn Gott kann in und trotz meiner Schwäche wirken. Und so möchte ich mir der Zusage schließen, die Paulus selbst von Gott zugesprochen bekommen hat:

Meine Gnade ist alles, was du brauchst, denn meine Kraft kommt gerade in der Schwachheit zur vollen Auswirkung.

2. Korinther 12, 9

Amen.

Die Predigt wurde am 14. Januar 2018 in der Stadtkirche St. Veit in Waldenbuch gehalten.
Category
Tags

No responses yet

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert