Liebe Gemeinde,
„Die ist ja süß. Also das Gesicht, das ist ja ganz die Mama.“ Oder: „Oh euer kleiner ist aber goldig, auf jeden Fall ganz der Papa.“ – Liebe Gemeinde, kennen Sie diese Sätze? Vor allem die Taufeltern dürften Aussagen dieser Art in der letzten Zeit öfter gehört haben. Wir gehen davon aus, dass Kindern ihren Eltern ähnlich sind. Bei Babys und Kleinkindern wird das meist an mehr oder weniger offensichtlichen äußeren Merkmalen festgemacht. Später sind es auch Charakterzüge, die wir scheinbar mit unseren Eltern gemeinsam haben. „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“ – so sagt es der Volksmund. An den endeckten Ähnlichkeiten wird mal mehr und mal weniger dran sein, aber dass wir unseren Eltern ähnlich sind, ist schon biologisch, in unseren geerbten Genen so angelegt. Wir ähneln unseren Eltern – ob wir das wollen oder nicht.
Als Christen sind wir nicht nur die Kinder unserer Eltern, sondern wir sind auch Kinder Gottes. Es müsste also auch eine gewisse Verwandtschaft zwischen uns und unserem himmlischen Vater bestehen. Über diese Ähnlichkeit schreibt Petrus in seinem ersten Brief an verschiedene Gemeinden in Kleinasien. Ich lese aus dem 1.Kapitel dieses Briefes die Verse 13-17:

13 Darum umgürtet eure Lenden und stärkt euren Verstand, seid nüchtern und setzt eure Hoffnung ganz auf die Gnade, die euch dargeboten wird in der Offenbarung Jesu Christi.
14 Als gehorsame Kinder gebt euch nicht den Begierden hin, in denen ihr früher in eurer Unwissenheit lebtet;
15 sondern wie der, der euch berufen hat, heilig ist, sollt auch ihr heilig sein in eurem ganzen Wandel.
16 Denn es steht geschrieben (3. Mose 19,2): »Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig.«
17 Und da ihr den als Vater anruft, der ohne Ansehen der Person einen jeden richtet nach seinem Werk, so führt euer Leben in Gottesfurcht, solange ihr hier in der Fremde weilt;

1. Petrus 13-17

Wie der Vater so der Sohn oder die Tochter. So wie der, der uns berufen hat heilig ist, sollen auch wir als seine gehorsamen Kinder in all unserem Wandel, das heißt in all unserem Sein und Tun heilig sein. An unserem Heiligsein soll nach Petrus die Verwandtschaft zwischen uns Gotteskindern und unserem himmlischen Vater sichtbar werden.
Heilig – Was ist das eigentlich? Der Begriff begegnet uns in vielen verschiedenen Zusammenhängen. Vom Fußball oder vom Golf kennen wir den „Heiligen Rasen“, aus dem Katholischen Kontext sind uns verschiedene Heilige bekannt und vielleicht kennt der ein oder andere von Ihnen auch das „Heilige“ und gute Geschirr der Oma, das nur zu ganz besonderen Anlässen auf den Tisch kommt und auf gar keinen Fall kaputtgehen darf.
In der Bibel kommt die Bezeichnung „heilig“ nur Gott und den von Gott ausgewählten und eingesetzten Dingen und Menschen zu. Gott ist heilig. Das wird ihm an vielen Stellen von Menschen zugesprochen. Aber auch Gott selbst sagt das von sich. Petrus zitiert in seiner Argumentation so eine Stelle aus dem Alten Testament, wo Gott sich selbst als heilig bezeichnet und sein auserwähltes Volk Israel deshalb auffordert, auch heilig zu sein:

Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig.

1. Petrus 1,16


Und jetzt gilt diese Aufforderung auch uns. „Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig.“ Um zu verstehen, was das für uns heißt und wie wir denn als Heilige so sein sollen, müssen wir anschauen, wie Gott als Heiliger so ist. Was heißt es, wenn Gott von sich sagt, dass er heilig ist? –
Vielleicht kann man es so umschreiben: Gott hat eine absolut weiße Weste. Ohne Flecken, ohne Falten und ohne sonst einen Makel. Und diese reine Weste, die zieht er sich nicht nur über, um den Dreck darunter zu verbergen. Nein, Gott IST heilig, das heißt Gott ist durch und durch rein.  An ihm gibt’s nichts Unheiliges, nichts Unreines. Deshalb passt zu Gott auch nichts Unheiliges und Unreines. Aus diesem Grund gab es im Stiftszelt und dann auch im Tempel einen Vorhang, der das Allerheiligste, den Ort der Präsenz Gottes vom Rest abgetrennt hat. Hinter diesen Vorhang durfte nur der Hohepriester treten, nachdem er sich durch verschiede Rituale gereinigt und geheiligt hatte. Das Heilige durfte niemals in Berührung mit dem Unreinen kommt.  Der Heilige passt mit dem Unreinen nicht zusammen. Ein strahlend weißes Hemd, hängt man ja auch nicht neben eine Garten- oder neben eine Werkstatthose.

Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig.

1. Petrus 1,16

Als Kinder Gottes sollen wir unserem Vater entsprechend sein. Das heißt dann, wir sollen auch diese weiße Weste tragen. Diese Weste, die ohne Fehler und Makel ist. Aber auch bei uns, soll das nicht nur ein Kleidungsstück zur drüberziehen sein, sondern diese Reinheit soll unser ganzes Sein ausmachen.
Wir sollen nicht nur so aussehen oder so tun, als wären wir Heilige, nein unser ganzes Denken, Sein und Tun soll dementsprechend sein.
Die Aufforderungen, die Petrus in dem Abschnitt nennt, gehören zu einem Träger einer solchen weißen Weste. Petrus spricht beispielsweise von Begierden, denen die Kinder früher in ihrer Unwissenheit, das heißt bevor sie Kinder Gottes waren, nachgegeben haben. Jetzt als Kinder Gottes wissen sie es besser. Sie sollen nicht mehr so leben wie zuvor. Dinge, die man früher gut, gern und ganz selbstverständlich getan hat, passen nicht mehr zum Kind-Gottes-Sein. Und Als Heilige, als Weiße-Westenträger spielt man nicht im Dreck, so wie man das vorher gemacht hat. Alte Gewohnheiten passen nicht zum neuen Sein.
Petrus schreibt ja an Christen der ersten Generation. Das heißt, es sind Menschen, bei denen es tatsächlich ein Vorher und ein Nachher gab. Die Menschen haben im Laufe ihres Lebens zu Christus gefunden und sich bewusst für ihre Taufe und ein Leben in seiner Nachfolge entschieden. Bei uns ist das ja meistens nicht mehr so. Eltern und Paten, die ihre Kinder zur Taufe bringen, entscheiden stellvertretend für das Kind, dass es zur Familie Gottes gehören soll.
Durch die Erziehung im Glauben wachsen die Kinder dann Stück für Stück in den Glauben und in ihre Gotteskindschaft hinein.
Vermutlich war es bei vielen von uns so. Wir wachsen in unsere Rolle als Kind Gottes hinein und verstehen immer mehr, was das heißt und dann gibt es sicher auch in unserem Leben Bereiche, wo es ein vorher und ein nachher gibt. Vielleicht ist es die Habgier und der Geiz, die ich an mir trage, aber irgendwann lern ich, dass ein Kind Gottes großzügig ist. Oder mein Dreckloch heißt Neid und ich begreife, dass ich mich daran immer wieder schmutzig mach und so nicht so richtig zu meinem heiligen Vater passe.
Das ist der Unterschied zwischen dem Baby, das mit Ähnlichkeiten zu seinen Eltern geboren wird und uns, die wir Kinder Gottes und heilig werden sollen. Wir sind nicht einfach so, wie unser Vater. Das Heiligsein wird uns nicht vererbt. Und auch mit der Taufe passiert es scheinbar nicht automatisch, dass wir die Ähnlichkeit zu unserem Vater zeigen. Petrus verwendet in seinem Textabschnitt nur Befehlsformen. Er macht es uns scheinbar zur Aufgabe, wie unser Vater zu sein.
Müssen wir uns die Verwandtschaft also erarbeiten? Müssen wir unsere Weste selber sauber kriegen und sauber halten?

„Ihr sollt heilig sein.“

1. Petrus 1,16a

Das stellt sich als unmögliche Aufgabe heraus, wenn wir bedenken, was Heiligsein heißt. Das ist doch eine Aufforderung, die so unmöglich ist, wie die Aufforderung zum sofortigen Einschlafen oder zur Freude. „Schlaf jetzt!“ oder „Sei jetzt fröhlich!“ das funktioniert leider nicht auf Knopfdruck. Selbst wenn ich der Anweisung Folge leisten möchte, kann ich es einfach nicht. Genauso ist es mit dem heilig sein. Ich kann mich darum bemühen, möglichst so zu leben, wie es Gott gefällt. In seinem Wort finde ich viele darüber, wie Gott sich mein Tun und Sein als Kind Gottes vorstellt. Aber so sehr ich mich auch anstrenge, muss ich sagen: Ich schaffe es nicht. Ich seh, dass beispielsweise der Neid zu mir als Kind Gottes nicht passt und ich will aufhören, neidisch zu sein, aber ich schaffe es nicht. Die Verwandtschaft, die Ähnlichkeit zu Gott, die kann ich nicht machen.
Ich will meinem Vater schon ähnlich sein, aber so eine ganz weiße, reine Weste habe ich leider nicht. Die Matschlöcher dieser Welt sind zu groß und zu verlockend für mich.
Petrus ist sich dieser Überforderung durchaus bewusst. Deshalb lässt er diese Anforderung auch nicht einfach so stehen. Er fordert seine Leser nicht nur einfach auf, so zu sein, wie unser himmlischer Vater. Er schiebt die Begründung, warum er das so fordert und die Erklärung, wie das gehen kann hinterher. Ich lese nun ab V.18 weiter:

18 denn ihr wisst, dass ihr nicht mit vergänglichem Silber oder Gold erlöst seid von eurem nichtigen Wandel nach der Väter Weise,
19 sondern mit dem teuren Blut Christi als eines unschuldigen und unbefleckten Lammes.
20 Er ist zwar zuvor ausersehen, ehe der Welt Grund gelegt war, aber offenbart am Ende der Zeiten um euretwillen,
21 die ihr durch ihn glaubt an Gott, der ihn von den Toten auferweckt und ihm die Herrlichkeit gegeben hat, sodass ihr Glauben und Hoffnung zu Gott habt.

1. Petrus 1, 18-21

Ohne diesen zweiten Teil kann der erste nicht stehen bleiben. Die Umwandlung von den Dreckspatzen in die Träger von Weißen Westen ist nichts, was wir selbst vollbringen können. Wir brauchen jemand, der uns reinwäscht.  Von dem nichtigen Wandel unserer Väter, das meint von unseren alten Gewohnheiten und Zwängen, die so gar nicht zu einem Kind Gottes passen, müssen wir befreit werden. Und dafür hatte Gott einen Masterplan.
Es stand von Anfang an fest, dass es nicht unsere eigene, sondern Gottes Aufgabe war, uns zu erlösen und damit zu seinen Kindern zu machen. Petrus schreibt, noch ehe der Welt Grund gelegt war, hatte Gott das Mittel zur Erlösung, das Waschmittel für unsere reinen Westen schon ausersehen. Er hat kein Silber und kein Gold dafür zur Seite gelegt, nein, er wusste, dass sein Sohn Christus diese Erlösung vollbringen muss. Nichts Vergängliches, nichts zu dieser Welt Gehöriges konnte diese Erlösung bewirken, Gott selbst musste in seinem Sohn Jesus Christus in diese Welt kommen und die Aufgabe erledigen. Das Blut des unschuldigen und unbefleckten Lammes hat uns reingewaschen und damit zu Kindern Gottes gemacht. Die Botschaft klingt sehr gut! Zum auf der Zunge zergehen lassen: Durch das Blut des Lammes bist du erlöst und ein Kind Gottes.
Doch der ein oder andere wird jetzt einen bitteren Nachgeschmack empfinden und fragen: Warum eigentlich Blut? Wenn Gott von Anfang an wusste, dass er sich um die Erlösung von uns Menschen kümmern muss, warum hat er dann sich nichts Anderes überlegt. Ist Gott so blutrünstig? Ist das alles nicht zu grausam?
Es wird ja heute viel darüber diskutiert, ob diese biblische Botschaft dem modernen Menschen überhaupt noch zumutbar ist. Oft wird sie deshalb auch einfach ausgeklammert. Da sind wir dann alle einfach so geliebte Kinder Gottes. Was dafür notwendig war, wird nicht mehr gesagt. Warum auch? Wenn Gott so großzügig und liebend ist, dann reicht doch die Botschaft, dass Gott uns liebt und er uns annimmt, so wie wir sind. Dass dazu Blut fließen musste, das ist uns irgendwie unangenehm. Vielleicht auch weil es uns irgendwie unverständlich ist. Hätte nicht auch ein „Schwamm drüber“ aus Gottes mächtigen und schöpferischen Mund gereicht? – Man kann verschiedene Gründe aufführen, warum das nicht reicht. Ich möchte zwei an dieser Stelle nennen. Ein sehr wichtiger ist, denke ich, dass bei einem einfachen „Schwamm drüber“ alle Opfer ignoriert würden. Schwamm drüber ist gut für die Täter, aber ein weiterer Schlag für die Opfer. Gott kann nicht einfach an alle weiße Westen verteilen, ohne dass eine Strafe für alles Böse und Unrechte gibt. Das wäre ungerecht und aus Opferperspektive unverständlich. Deshalb gibt es eine Strafe, die er aber selbst trägt.
Indem Jesus Christus als Mitleidender und als Opfer stirbt, teilt er die Schmerzen und das Leid all derer, denen Unrecht getan wurde und wird.
Ein weiterer Grund ist die vorhin beschriebene Heiligkeit Gottes. Als Jesus am Kreuz stirbt reißt der Vorhang im Tempel in zwei Teile. Die Verbindung zwischen dem heiligen Gott und den Menschen wird wiederhergestellt. Das geht nicht einfach so. Dazu braucht es eine Reinigung, ja eine Heiligung von uns dreckigen Menschen. Durch das Blut des Lammes, wurden wir zu heiligen Kindern Gottes. Nur so kam die Verwandtschaft, die Ähnlichkeit zustande. Nur deshalb können wir dem heiligen Gott nahe sein und ihn unseren Vater nennen. Die Aufgabe, heilig zu sein, funktioniert nicht ohne die Hingabe Gottes.
Durch unser Tun werden wir zwar nicht heilig – und trotzdem hat unser Tun etwas mit unserem Heiligsein zu tun. Für Petrus ist ganz klar, dass das neue Sein ein neues Handeln mit sich bringen muss. Deshalb seine Ausführungen im ersten Teil. Weil wir durch Gottes Gnade heilig sind, sollen wir auch so leben. Unserem Sein entsprechend. Man könnte auch sagen, unserer Kleidung entsprechend. Die weiße Weste und das Spielen im Matsch passen nicht zusammen.
Aus dem alltäglichen Leben wissen wir aber alle, dass so eine weiße Weste nicht lange weiß bleibt. Wir sind eben auch als Heilige noch in dieser Welt unterwegs. Petrus schreibt wir sind Fremde. Er meint damit, dass wir mit unseren weißen Westen nicht mehr in die unreine Welt passen. Aber doch leben wir hier. Immer wieder machen wir deshalb unsere schöne weiße Weste dreckig. Immer wieder leben wir ganz und gar nicht unserer Kleidung entsprechend. Wir sind zu schusselig oder lassen uns zu sehr vom Matsch locken.
Gott weiß das. Und so räumt er uns die Möglichkeit ein, wieder und wieder dreckig zu ihm zu kommen und ihn zu bitten, uns zu reinigen. Wir dürfen Gott unsere Schuld gestehen und ihn um Vergebung bitten. Mit der Taufe haben wir alle das Siegel der Kinder Gottes. Wir können uns darauf berufen und das Blut Jesu als Waschmittel für unser Leben annehmen. Gottes Waschmittel geht nicht aus. Seine Geduld mit uns hat – Gott sein Dank – kein Ende.

Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig.

1. Petrus 1,16

Auch wenn wohl nie jemand zu uns sagen wird: „Ganz der himmlische Papa“, so lassen Sie uns doch in dem Bewusstsein leben, ein Kind Gottes zu sein. Wenn wir bedenken, was es Gott gekostet hat, uns reinzuwaschen, kann es uns vielleicht auch helfen, dem ein oder anderen Matschloch zu widerstehen. Das wird unser Denken und Tun verändern und die Menschen in unserem Umfeld zum Nachdenken bringen. Wie genial wäre es denn, wenn sie in uns Gotteskindern zumindest in klitzekleinen Ansätzen, das Sein unseres himmlischen Vaters erkennen würden?!

Amen.

Die Predigt wurde am 4. März 2018 in der Stadtkirche St. Veit in Waldenbuch gehalten.

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