Liebe Gemeinde,

jedes Baby ist süß. Jedes Baby ist irgendwie besonders und viele von uns schauen gerne kleine Babies an. Wir bewundern ihre kleinen Fingerchen und ihre perfekten Öhrchen. Wir freuen uns über ihre Stupsnäschen und daran, wie sie selig schlafen. Jedes Baby ist ein neues Wunder. Einzigartig gemacht und erdacht.

Das Baby im Stall in Bethlehem ist das alles auch und doch noch so viel mehr. Deshalb fallen Hirten vor ihm nieder. Deshalb gibt es anlässlich seiner Geburt ein außergewöhnliches astronomisches Ereignis. Deshalb feiern wir noch über 2000 Jahre später die Geburt dieses Kindes. Warum dieses Kind in der Krippe mehr als nur ein süßes Baby ist, erklärt unser heutiger Predigttext. Ich lese aus Kolosserbrief, Kapitel 2, die Verse 3+6-10:

In ihm (Christus) sind alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis verborgen. Ihr habt Christus Jesus, den Herrn, angenommen. Richtet also euer Leben an ihm aus! Bleibt in ihm verwurzelt und gründet euch als Gemeinde ganz auf ihn. Werdet fest im Glauben, wie ihr gelehrt worden seid. Und hört nicht auf, Gott zu danken. Gebt acht, dass euch niemand in die Falle lockt! Weder durch seine Philosophie noch durch falsche Lehren, die nur auf menschlicher Überlieferung beruhen. Ihre Grundlage sind die Elemente dieser Welt –und nicht Christus! In ihm ist die ganze Fülle Gottes leibhaftig gegenwärtig.10Und an dieser Fülle habt ihr Anteil, weil ihr zu Christus gehört. Der steht als Haupt über allen Mächten und Gewalten.

Kolosserbrief 2, 3+6-10

Das Baby in der Futterkrippe, liebe Gemeinde, ist so viel mehr, weil in ihm die ganze Fülle Gottes leibhaftig gegenwärtig ist. Das Wort wird Fleisch. Gott wird Mensch – und zwar nicht nur irgendwie ein Bissle, nicht nur zu 35%, nicht zu 55% und auch nicht zu irgendeinem anderen Prozentsatz. Nein, die ganze Fülle Gottes ist leibhaftig gegenwärtig in Jesus Christus. In einem kleinen hilflosen, schreienden, zerknitterten Baby in einem Stall in einem kleinen Dorf. So kommt Gott höchstpersönlich in diese Welt. In Jesus ist Gott zu 100% da – mitten in der Welt. Das heißt, wenn wir die Worte Jesu hören, dann hören wir Gottes Worte. Seine Kraft ist die Kraft Gottes. Seine Liebe die Liebe Gottes.

Und weil Jesus Christus ganz Gott ist, findet sich in ihm auch alles Wertvolle, Wahre, Notwendige und Heilvolle. Paulus schreibt:

In ihm sind alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis verborgen.

Kolosser 2,3

Nicht materielle Reichtümer, die man kaufen kann, sondern Schätze, die unbezahlbar sind, liegen in Jesus Christus verborgen: Weisheit und Erkenntnis.

Zwei große Begriffe. Zwei Dinge, die wir nicht unbedingt zuerst bei Christus suchen, oder?

Wenn wir Schätze der Weisheit und der Erkenntnis brauchen, dann gehen wir heutzutage doch in den Bibliotheken und Hörsälen von Unis und Hochschulen oder noch einfacher im Internet auf die Suche. Nie war es leichter, Zugang zu den menschlichen Wissens- und Erkenntnisschätzen zu haben und nie war mehr davon vorhanden. Wir produzieren immer schneller immer mehr Wissen, weil es in uns Menschen angelegt ist, zu forschen und zu denken. Der Mensch fragt nach Ursprung, Sinn und Ziel.  Das Fragen nach dem Warum, dem Woher und Wohin unterscheidet uns von den Tieren. Schon kleine Kinder wollen unglaublich viel wissen, die Welt und ihre Zusammenhänge verstehen. Und das ist ja auch gut so. Gott hat uns einen Verstand geschenkt, den wir benutzen sollen. Er hat uns Begabungen geschenkt, die wir selbstverständlich auch in der Wissenschaft und Forschung einbringen dürfen. Die entscheidende Frage ist nur, was unsere Forschungsgrundlage ist und von welchem Weltbild wir bei unserem Denken und Forschen ausgehen.

Paulus nennt die Philosophie und die falschen Lehren als Kontrast zur Weisheit und Erkenntnis in Christus.

Das Problem, so sagt er, ist, dass die Grundlage dieser Lehren menschliche Überlieferungen sind. Die Lehren beschränken sich auf Elemente dieser Welt und rechnen nicht mit Christus. Und genau da wird der Unterschied zwischen dem Schätze heben in Christus und der Schatzsuche der menschlichen Wissenschaft deutlich.

Es gibt zwei Möglichkeiten, diese Welt zu betrachten:

Entweder man geht davon aus, dass die Welt, ja das ganze Universum, ein absolut geschlossenes System ist und alles mit der Logik dieser Welt in dieser Welt erklärt werden muss und kann. In dieser Denkweise gibt es keine Wunder, Gebet ist reine Psychologie und Religion per se menschengemacht. In diesem geschlossenen System gibt es keinen Platz für einen Gott, der als Kind in diese Welt kommt und alles verändert. Wenn es überhaupt einen Gott gibt, dann sitzt der außerhalb des Systems und hat keinen Einfluss darauf. Das ist der eine Denkansatz – der Denkansatz vieler Philosophen und Denker, deren Lehren auf menschlichen Gedanken und Überlieferungen beruhen.

Der andere Blick auf diese Welt geht davon aus, dass diese Welt kein geschlossenes System ist, sondern dass es einen Schöpfergott gibt, der diese Welt gemacht hat und erhält bis zu dem Tag, an dem er einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen wird. Dieser Gott wirkt bis heute in dieser Welt und dieser Gott ist vor 2000 Jahren in Jesus Christus wirkmächtig in diese Welt gekommen. Wenn das die Grundannahme, ja die Forschungsgrundlage ist, dann muss man bei der Suche nach Antworten auf die entscheidenden Fragen bei Jesus Christus ansetzen. Paulus fordert die Kolosser auf, ihr Leben an Jesus Christus auszurichten und in ihm verwurzelt und gegründet zu bleiben. Das soll das Fundament ihres Lebens und Glaubens sein und das ist auch die Basis des Schätzehebens in Christus.

Denn das Fragen und Forschen an sich ist nicht der Fehler, sondern die Antwort, die Gott ausklammert, die liegt völlig daneben. Im Matthäusevangelium sagt Jesus:

Wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.

Matthäus 6,21

Wer sich anderswo auf Schatzsuche begibt, der lebt an Jesus, dem größten Schatz vorbei und wird der wahren Erkenntnis und Weisheit nie näherkommen.

Weil in Jesus die ganze Fülle Gottes ist, weil in ihm alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis verborgen liegen, ist es also sinnvoll bei ihm Schätze zu suchen. Und Achtung, das heißt jetzt nicht: Kopf ausschalten, denken verboten und fragen unerwünscht. Nein, Schätze heben in Christus geschieht zurecht auch an Universitäten und in Hochschulen. Die Erkenntnisse über Christus sind zurecht auch in vielen Büchern und Schriften festgehalten. Es ist auch richtig, dass wir unsere Bibeln ganz tief durchforschen, dass wir Fragen und Anfragen stellen und in die Diskussion gehen. Aber es gibt etwas, dass wir bei alldem unbedingt beachten müssen: Gott ist nicht als Buch vom Himmel gefallen, sondern als Mensch in diese Welt hineingeboren. Seine Fülle finden wir in Jesus Christus und nicht in noch so vielen Büchern und Schriften, ja nicht einmal in der Bibel.

Alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis liegen in Jesus Christus verborgen. Das Wort wurde Fleisch, das heißt Gott hat sich in einer Person offenbart – nicht in einem Gegenstand. Als Person erschließt sich Jesus uns immer wieder neu. So wie wir an anderen Personen selbst nach vielen Jahren der Freundschaft oder Beziehung noch Neues entdecken, so können wir immer wieder etwas Neues an Jesus entdecken.

Wir können Neues mit ihm erleben. Ihn in unterschiedlichen Lebenssituationen ganz unterschiedlich erfahren. Das Schätze heben in Jesus Christus ist etwas Lebendiges, etwas Dynamisches, mit dem wir nie fertig sind. Jesus Christus, das ultimative Geschenk will immer weiter und immer wieder ausgepackt werden.

Das tun wir, indem wir über Jesus nachdenken, in der Bibel forschen, geistliche Literatur lesen, Predigten hören – das ist alles nicht falsch und durchaus wichtig. Das tun wir aber vor allem auch, wenn wir in einer lebendigen Beziehung mit Jesus leben. Denn die höchste Weisheit erschließt sich uns nicht mit unserem Verstand, sondern im Vertrauen. Im Buch der Sprüche lesen wir:

Der Weisheit Anfang ist die Furcht des HERRN, und den Heiligen erkennen, das ist Verstand.

Sprüche 9,10

Gott erkennen heißt, sich auf ihn einlassen. Ihm vertrauen. Ein Leben mit ihm zu leben.

Deshalb braucht Gotteserkenntnis keinen Mindest-IQ. Ein kleines Kind, ein behinderter oder ein dementer Mensch kann sie haben und einem hochintelligenten Professor kann sie fehlen. Gotteserkenntnis heißt: Ich vertraue Jesus Christus. Ich lasse mich auf eine Beziehung mit ihm ein.

Ich werfe mich, so wie ich bin, in seine Arme, weil ich glaube, dass er mein Retter und Erlöser ist. Um das zu erkennen, brauche ich allerdings den Geist Gottes, der mir die Augen aufmacht. Der mir hilft, in dem Kind in der Krippe mehr als nur ein süßes und vielleicht irgendwie besonderes Baby zu sehen. Um die Fülle Gottes in Jesus Christus zu erkennen, muss Gott selbst mir das Herz aufmachen.

Schätze heben in Christus ist deshalb immer ein Doppeltes: Zum einen ist es ein aktives Suchen und sich auf den Weg machen und zum anderen ist es ein passives Beschenktwerden.

Für das aktive Suchen ist es wichtig, sich daran zu erinnern, dass Schätze heben in Christus ist keine Sache für Einzelgänger und Privatchristen, sondern ein Gemeinschaftsprojekt ist. Wenn Paulus an seine Gemeinden schreibt, dann hat er immer eine enge und verbindliche Gemeinschaft von Jesusnachfolgern vor Augen. Er denkt an geteilten und gemeinsam gelebten Glauben und nicht an Christen, die ihren Glauben so für sich halt leben.  Natürlich ist es auch gut, wenn ich selbst meine Beziehung zu Jesus Christus pflege und in Kontakt mit ihm bin.

Auch allein kann ich Schätze heben – im Gespräch mit Jesus, wenn ich sein Leben und Wirken in der Bibel studiere oder wenn ich mit ihm einen Spaziergang mache. Aber um weitere Schätze zu heben, um Jesus Christus mehr und mehr kennenzulernen, brauche ich die Gemeinschaft mit anderen Christen, den Austausch über Gottes Wort, das gemeinsame Gebet, das Teilen von Erlebnissen und Erfahrungen mit Jesus Christus und auch das Teilen von Brot und Wein.

Um aber bei alldem unsere Grundlage nicht aus den Augen zu verlieren und nicht nach und nach selbstgewiss zu werden, ist es wichtig, den passiven Teil bei unserer Schatzsuche nicht zu vergessen: Jeder Schatz, den wir heben, ist und bleibt auch ein Geschenk, das uns auf den Schenker hinweist. Ein guter Indikator, um zu prüfen, ob wir noch richtig unterwegs sind, ist das Danken. Paulus mahnt:

Hört nicht auf zu danken.

Kolosser 2,7

weil er die Gefahr kennt. Wenn wir denken, den Schatz ganz ausgegraben zu haben, Gott vollständig erkannt und durchschaut zu haben, dann überheben wir uns über Gott und unser Danken wird verstummen. Bleiben wir aber die Beschenkten, dann heißt Schätze in Christus heben: Wir erkennen mehr und mehr, wie reich Jesus Christus uns beschenkt. Seine Liebe leuchtet immer heller und klarer in unsere Gemeinde und in unser Leben. Das begeistert uns und das bringt uns zum Danken und zum Loben.

Christus ist reich und er macht uns reich – das erleben wir bei der Schatzsuche. Wir bekommen Anteil an der Fülle Gottes, so formuliert es Paulus. Wir können und sollen aus der Fülle Christi leben. Das heißt, dass wir nicht länger verbitterte, verzweifelte und irgendwie in sich selbst verkrümmte Geschöpfe sind, die auf sich selbst gestellt sind und dem Gesetz der Selbstoptimierung unterliegen. Nein, wir sind stattdessen freie Kinder Gottes, die in einer lebendigen Beziehung zu ihrem himmlischen Vater und Bruder einzigartige Schätze heben können, und gleichzeitig immer Beschenkte bleiben.

Amen.

Die Predigt wurde am 1. Weihnachtsfeiertag 2022 in der Auferstehungskirche in Ruit gehalten.
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