Aufregung, Ablenkung, Ablehnung – alles ist wichtig, außer dem wichtigsten.
Das ist unser Thema heute.
Ein bekanntes, schwäbisches Sprichwort sagt es so:„D’Haubdsach isch, dass d’Haubdsach Haubdsach isch.“ Für die nicht Muttersprachler: „Die Hauptsache ist, dass die Hauptsache, die Hauptsache ist.“
Dieser Weisheit kann und muss man, denke ich, zustimmen. In der Theorie sind wir uns da einig. Die Frage ist nur: Was ist die Hauptsache? Und ist in der Praxis auch immer die Hauptsache, die Hauptsache? Wie schaffen wir es, dass die Hauptsache nicht zur Nebensache wird, weil sich etwas anderes in den Vordergrund drängt?
Im Grunde muss jeder von uns ständig ausloten, was gerade Priorität hat. Im Job: Welches To-Do muss ich zuerst erledigen? In der Familie: Welches schreiende Kind braucht mich zuerst und in der jeweiligen Situation dringender? In der Gemeinde: Wie setzen wir unsere Zeit und unsere Ressourcen ein? – Was ist gerade am wichtigsten? – Das entscheiden wir tagtäglich. Mal mehr, mal weniger bewusst.
Und wenn wir dann eine Entscheidung getroffen und die Prioritäten geordnet haben, gibt es da noch so manche Dinge, die uns von unserem eigentlichen Plan ablenken. Wenn man beispielsweise gerade entschieden hat, welches to Do zuerst erledigt werden muss, und dann das Handy vibriert, kann es sein, dass man ruckzuck wieder eine halbe Stunde auf Insta vertrödelt oder kurz, so 10-20min nachgelesen, was es im britischen Königshaus Neues gibt. Schließlich hat der Newsfeed gemeint, das sei jetzt gerade das Wichtigste. Kennt ihr das?
„D’Haubdsach isch, dass d’Haubdsach Haubdsach isch.“ – Aber was ist denn nun die Hauptsache? Was ist das Wichtigste?
Jesus erzählte dazu mal ein Gleichnis. Das möchte ich euch nun vorlesen. Es steht in Lukas 14, 16-24:
16Jesus antwortete: »Ein Mann veranstaltete ein großes Festessen und lud viele Gäste ein.17Als das Fest beginnen sollte, schickte er seinen Diener los und ließ den Gästen sagen: ›Kommt, jetzt ist alles bereit!‹18Aber einer nach dem anderen entschuldigte sich. Der erste sagte zu ihm: ›Ich habe einen Acker gekauft. Jetzt muss ich unbedingt gehen und ihn begutachten. Bitte, entschuldige mich!‹19Ein anderer sagte: ›Ich habe fünf Ochsengespanne gekauft und bin gerade unterwegs, um sie genauer zu prüfen. Bitte, entschuldige mich!‹20Und wieder ein anderer sagte: ›Ich habe gerade erst geheiratet und kann deshalb nicht kommen.‹ 21Der Diener kam zurück und berichtete alles seinem Herrn. Da wurde der Hausherr zornig und sagte zu seinem Diener: ›Lauf schnell hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt. Bring die Armen, Verkrüppelten, Blinden und Gelähmten hierher.‹22Bald darauf meldete der Diener: ›Herr, dein Befehl ist ausgeführt, aber es ist immer noch Platz.‹23Da sagte der Herr zu ihm: ›Geh hinaus aus der Stadt auf die Landstraßen und an die Zäune. Dränge die Leute dort herzukommen, damit mein Haus voll wird!‹24Denn das sage ich euch: Keiner der Gäste, die zuerst eingeladen waren, wird an meinem Festessen teilnehmen!«
Lukas 14, 16-24
Stell dir vor, es gibt eine große, tolle Party und keiner geht hin. Keiner will kommen. Alle geladenen Gäste haben schon etwas anderes vor. Jeder bringt eine andere Entschuldigung vor, warum er denn nicht kommen kann. Und das, obwohl die Eingeladenen mit der Einladung nicht völlig überrascht oder überrumpelt worden waren. Die Einladungen waren schon im Voraus verteilt worden. Vielleicht so wie heute vorab Save the Date – Karten verteilt werden, hatte der Gastgeber schon angekündigt: „Ich mache ein großes Fest und du bist eingeladen!“ Als dann alles fertig war, schickte der Gastgeber dann seinen Diener los, um zu sagen: „Let’s get the party started. Alles ist hingerichtet. Jetzt geht es wirklich los. Also auf geht’s – kommt!“
Aber plötzlich bringen die Geladenen allerlei Entschuldigungen vor. Einer nach dem anderen sagt ab. Die erste, noch nicht so konkrete Einladung war für sie in Ordnung gewesen. Vielleicht sogar eine Ehre. Jetzt waren aber doch andere Dinge wichtiger. Der Acker, die Ochsengespanne, die Frau. Das war für die Eingeladenen jetzt die Hauptsache. Das hatte Priorität.
Der Gastgeber ist zornig, nachdem sein Diener ihm von den ganzen Absagen berichtet. Das können wir vielleicht nachempfinden. Da organisiere ich etwas Tolles und Großes und dann kommt eine Abmeldung nach der anderen. Das enttäuscht und verletzt. Was nun? Jetzt ist doch alles vorbereitet!
Der Gastgeber denkt nicht mal daran, das Fest zu verschieben und auf sie zu warten. Er verteilt keine Reserviert-Schildchen und hält den Eingeladenen ihre Plätze frei und damit die Möglichkeit offen, später dazuzustoßen. Nein, stattdessen fordert er seinen Diener zweimal auf, andere Leute einzuladen. Jetzt wird aufgelesen, wer auf der Straße sitzt, mitgenommen, wer an den Wegen und Zäunen steht. Das Fest wird gefeiert. Wer besseres vorhat, verpasst das Beste.
Vielleicht dachte so manch einer der Eingeladenen, die die Einladung ablehnten, „Der wird schon mal wieder ein Fest veranstalten. Vielleicht passt es mir dann besser rein. Vielleicht wenn ich älter bin, nicht mehr so viel zu tun habe oder das erste Verliebtsein verflogen ist. Zuerst muss ich jetzt dies und das, dann kümmere ich mich um meine Beziehung zum Gastgeber. Denn indem die Eingeladenen die Einladung ablehnen, verpassen sie ja nicht nur das Fest, sie zeigen damit auch dem Gastgeber: „Du bist uns nicht wichtig.“ – beziehungsweise andere Dinge oder Menschen sind uns wichtiger.
Wenn wir uns die Entschuldigungen nochmal genauer ansehen, dann sind die Begründungen, mit denen die Leute absagen, gar nicht mal so absurd. Das sind nicht nur faule Ausreden, sondern doch eigentlich wichtige Gründe, warum sie verhindert sind. Es ist nicht nur ein Fußballspiel, ein Konzert oder eine sonstige andere Freizeitbeschäftigung, die sie vom Kommen abhält. Nein, es sind grundlegende und wenn man so will auch lebensnotwendige Dinge, weshalb sie nicht kommen können. Acker und Ochsen – in einer landwirtschaftlich geprägten Kultur die Lebensgrundlage. Eine Hochzeit – die Gründung einer neuen Familie. Das ist ein absoluter Meilenstein und ein Highlight in einem Leben. Das muss doch Priorität haben. Ist doch nachvollziehbar und verständlich, dass man erstmal die Flitterwochen und die die Zweisamkeit genießen möchte.
Die Dinge, die sich bei uns an die erste Stelle schieben und zur Hauptsache werden, sind in der Regel auch keine schlechten oder verwerflichen Sachen. Was uns wichtig ist, ist auch de facto wichtig. Nicht alles, aber Vieles, was uns ablenkt, hat absolut seine Berechtigung. Ich denke da zuerst mal an die Familie, an den Partner und die Kinder – die bringen ganz schön viel Aufregung und Ablenkung ins Leben.
Dann der Beruf, die Ausbildung oder das Studium. Leistung ist wichtig und dafür geben wir viel. Der Freundeskreis und und und. Bei manchen Sachen denken wir vielleicht sogar, dass wir sie priorisieren müssen, weil das unser Herr von uns möchte. Doch auch da können wir daneben liegen. Das zeigt uns die Geschichte von Martha zeigt.
Martha dachte, wenn Jesus und seine Jünger in ihrem Haus zu Besuch sind, ist die Hauptsache, dass die Männer gut um- und versorgt sind. Die Männer brauchen doch etwas Ordentliches zum Essen. Für sie war ganz klar, dass das absolute Priorität hat. Ihre Schwester Maria sah das anders. Sie wollte lieber hören, was Jesus sagte. Bei ihm sein und Zeit mit ihm verbringen. Das war für sie die Hauptsache. Das konnte Martha nicht verstehen und irgendwann – die meisten von uns kennen die Geschichte – wird es Martha zu blöd und sie beschwert sich bei Jesus. „Herr, findest du das eigentlich okay, dass ich hier alles allein machen muss und meine Schwester mir nicht hilft? Sag ihr doch mal bitte, dass sie mir helfen soll!“ – Doch Jesus kommt der Bitte Marthas nicht nach. Er weist nicht Maria, sondern Martha zurecht.
Marta, Marta! Du bist so besorgt und machst dir Gedanken um so vieles. Aber nur eines ist notwendig: Maria hat das Bessere gewählt, das wird ihr niemand mehr wegnehmen.
Lukas 10, 42
Wäre er Schwabe gewesen, hätte er vielleicht gesagt: „Martha, d’Haubdsach isch, dass d’Haubdsach Haubdsach isch.“ Und dann hätte er Martha erklärt, was die Hauptsache ist: Es ist die Gemeinschaft mit ihm. Mit Jesus Christus. Seine Einladung, bei ihm zu sein, anzunehmen, das ist das Allerwichtigste.
Martha hatte es sicher absolut gut gemeint. Sie war total bemüht und wollte alles so gut wie möglich machen. Dabei sind ihr aber ihre Prioritäten verrutscht.
Maria hat das Bessere erwählt, weil sie verstanden hat, dass es um Jesus geht. Dass es das Wichtigste ist, nahe bei ihm zu sein und auf ihn zu hören.
Jesus ist da ziemlich kompromisslos – das zeigt uns das Gleichnis und das zeigt und auch eine Begegnung kurz vor dem Besuch bei Martha und Maria. Als ein Jünger darum bittet, zuerst noch seinen Vater begraben zu dürfen, bevor er Jesus nachfolgt, sagt er:
Überlass es den Toten, ihre Toten zu begraben. Du aber geh los und verkündige das Reich Gottes.
Lukas 9,60
Und ein anderer, der sich zuerst noch von seiner Familie verabschieden will, bekommt zu hören:
Wer die Hand an den Pflug legt und zurückschaut, der eignet sich nicht für das Reich Gottes.
Lukas 9,62
Ich finde das sehr hart. In einem Kommentar habe ich die schlichte Erklärung gelesen: „Sofort folgen! Familie und Freunde bremsen oft den Eifer für Jesus.“ Ganz schön krass, dass so zu sagen. Aber de facto ist es so. Familie und Freunde werden ganz schnell zur Hauptsache, weil sie viel Zeit und Kraft beanspruchen. Weil wir ihnen – sicher auch zurecht viel Aufmerksamkeit schenken – aber Jesus muss die Nummer 1 sein und bleiben. Die Hauptsache.
Das eine ist, dass wir in unserem Leben unsere Prioritäten klar haben und die Beziehung zu Jesus, die Hauptsache bei uns ist und bleibt.
Das andere ist, dass wir auch eine Verantwortung haben, die Menschen um uns herum auf das Wichtigste, auf Jesus Christus und seine Einladung hinzuweisen. Es kann ja durchaus passieren, dass vor lauter Aufregung und Ablenkung unsere Freunde das Wichtigste gar nicht mal ernsthaft in Betracht ziehen. Dass sie gar nie richtig zum Fest eingeladen werden, weil es immer andere mehr oder weniger aufregende Dinge gibt, die stattdessen im Mittelpunkt stehen, über die geredet und diskutiert wird.
Vor einer Woche war ich beim Geburtstag einer Freundin. Es war eine nette Runde und wir haben uns den ganzen Nachmittag nett unterhalten. Es ging um amerikanische Politik, ums Häusle umbauen, um Kindergartenplätze und mehr oder weniger beliebte Vornamen. Wir haben Januar, deshalb ging es, bei manchen meiner Freunde ganz wichtig, natürlich auch um die „Fasnet“. Über das Thema der „Narrengottesdienste“ wurde an mich plötzlich die Frage gerichtet, ob ich „Highway to hell“ in einem Gottesdienst zulassen würde. Eine super Vorlage, um über das Wichtigste ins Gespräch zu kommen. Um zu bezeugen, dass es mir gerade darum geht, dass die Menschen nicht diesen Highway nehmen, sondern Jesus Christus als Weg, Wahrheit und Leben erkennen. Ich hätte an dieser Stelle wunderbar das Evangelium verkündigen und von Jesus Christus erzählen können. – Ihr merkt, ich rede im Konjunktiv. Ich gestehe, das habe ich nicht getan. Stattdessen habe ich gesagt: Oh, ein beliebtes Diskussionsthema in der Pfarrerausbildung. Da wird immer wieder diskutiert, ob Highway to Hell und Hell’s bells bei Trauerfeiern gespielt werden darf.
Mit dieser Ablenkung waren meine Freunde nicht zufrieden und haben sogar nochmal nachgehakt. „Und wie siehst du das?“ – Und wieder weiche ich aus, lenke ab und bleibe ganz ungefährlich oberflächlich. – Sehr gut. – Genauso geht es! Genauso wird die Aufmerksamkeit meiner Freunde vom Wichtigsten abgelenkt. Aber genauso soll es eben nicht sein!
Aber wie soll es dann sein? Vielleicht muss es uns wieder zur Aufregung werden, dass alle, die Jesus Christus nicht kennen- und lieben lernen, nicht beim großen Fest dabei sein werden. Dass alle, die bewusst oder unbewusst, die Einladung ablehnen in der Ewigkeit nicht am Tisch des Herrn sitzen werden. Wenn wir da mal darüber nachdenken, wer uns am Herzen liegt und später einmal – stand jetzt – beim großen Fest in der Ewigkeit nicht dabei sein wird, dann wird es uns wieder ganz neu wichtig, über die Hauptsache, nämlich Jesus Christus, ins Gespräch zu kommen und nicht mit Nebensächlichkeiten und scheinbaren Aufregern abzulenken. Natürlich liegt es letzten Endes nicht in unserer Hand, ob jemand die Einladung von Jesus Christus für sich annimmt. Auch hat Jesus mit Sicherheit andere Wege und Mittel als uns, um Menschen einzuladen. Wenn wir versagen, heißt das noch nicht automatisch, dass jemand nicht in der Ewigkeit dabei sein wird. Und doch ist es so, dass es zur Nachfolge gehört, am Reich Gottes mitzubauen. Und das heißt eben auch, über die Hauptsache zu reden! Die Einladung Jesu weiterzugeben. Weiterzusagen, was bzw. wer in unserem Leben Priorität hat und das auch so zu leben.
Das hört sich jetzt alles ziemlich fordernd und nach Zwang und harter Disziplin an. „Du musst immer kontrollieren, dass Jesus die Nummer 1 in deinem Leben ist und prüfen, ob deine Prioritäten dementsprechend geordnet sind. Achtung, du kannst auch mit guten Absichten am Ziel vorbeileben. Du musst am Reich Gottes mitbauen und deinen Freunden und am besten auch allen anderen, zu einem Leben mit Jesus einladen. Belanglose Gespräche verboten. Leben auch mal vielleicht sinnfrei genießen, verboten.“
Ja, es ist fordernd und herausfordernd, Jesus nachzufolgen. Manchmal hat es tatsächlich auch mit Disziplin zu tun.
Aber gleichzeitig – und darauf will ich jetzt zum Schluss nochmal ganz bewusst aufmerksam machen – gleichzeitig ist das Wichtigste nichts Belastendes, nichts Einengendes und auch nichts Langweiliges. Wir sind zum Fest eingeladen. Das ist etwas absolut Großartiges und Geniales. Jesus will Gemeinschaft mit dir haben – jetzt und in Ewigkeit. Das ist für ihn das Wichtigste. Dafür hat er alles gegeben – sogar sich selbst.
Wenn wir das Bedenken und wenn uns das immer wieder und immer neu groß wird, dann ist es für uns kein Zwang und kein Druck, die Gemeinschaft mit ihm zu priorisieren – sondern pure Freude. Dann ist es kein erzwungenes und verdruckstes Reden über unseren Glauben, sondern ein Schwärmen von unserem größten Liebhaber.
Dann ist uns das Wichtigste am wichtigsten.
Amen.
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