Liebe Gemeinde,

alles begann mit einem lustvollen Blick auf die nackte Frau, die auf dem Dach des Nachbarhauses ein Bad nahm. Gut, wenn man König ist und alles haben kann, was man möchte. Auch die Frau eines anderen. Blöd nur, wenn die dabei schwanger wird. Und schlecht, wenn Plan A: Ich hole ihren Mann unter einem Vorwand von der Front nach Hause, damit nicht auffällt, dass ich sie geschwängert habe, nicht aufgeht. Plan B hat allerdings gut funktioniert. Der Mann wird bei der nächsten Schlacht so positioniert, dass er auf jeden Fall fällt. Das klappt und der großzügige König nimmt die arme Witwe zu sich und zu seiner Frau. Der König hatte die Lage im Griff, die richtigen Weichen gelegt und alles zu seinen Gunsten arrangiert. Kurze Aufregung, aber am Ende ging doch jetzt alles gut aus. Oder?

Doch die Sache, die David getan hatte, war schlimm in den Augen des Herrn.

2. Samuel 11, 27b

So heißt es am Ende der von mir soeben in Kurzform wiedergegebenen Geschichte von David und Batseba.

Die Sache, die David getan hatte, war schlimm in den Augen des Herrn.

2. Samuel 11, 27b

 Und deshalb geht die Sache auch noch weiter. Ich lese unseren heutigen Predigttext aus 2. Samuel 12, die Verse 1-15a:

Der Herr schickte Natan zu David. Als er zu ihm kam, erzählte er ihm eine Geschichte: »Zwei Männer lebten in einer Stadt. Der eine war reich, der andere arm. Der Reiche hatte sehr viele Schafe und Rinder. Der Arme aber hatte nichts als ein kleines Lamm. Das hatte er sich gekauft und aufgezogen. Es wuchs bei ihm heran, zusammen mit seinen Kindern. Es aß von seinem bisschen Brot, trank aus seinem Becher und schlief in seinem Schoß. Es war für ihn wie eine Tochter. Eines Tages kam ein Reisender zu dem reichen Mann. Und es war üblich, ein Essen für den Gast zuzubereiten, der zu ihm gekommen war. Doch der reiche Mann wollte seinen Besitz schonen und keines von seinen Schafen und Rindern nehmen. Deshalb nahm er das Lamm des armen Mannes. Das bereitete er zu und setzte es dem Gast vor, der zu ihm gekommen war. David wurde sehr zornig über den Mann und sagte zu Natan: »So gewiss der Herr lebt! Ein Kind des Todes ist der Mann, der das getan hat! Und das Lamm muss er vierfach ersetzen –zur Strafe dafür, dass er das getan hat und das Lamm des Armen nicht verschonte.« Doch Natan entgegnete David: »Du bist der Mann! So spricht der Herr, der Gott Israels: Ich habe dich zum König über Israel gesalbt und dich aus der Hand Sauls gerettet. Den Besitz deines Herrn habe ich dir gegeben und die Frauen deines Herrn dir in den Schoß gelegt. Ich habe dir das Haus Israel und Juda gegeben. Und wenn das zu wenig gewesen ist, dann will ich dir noch dies und das dazugeben! Warum hast du das Wort des Herrn verachtet? Warum hast du getan, was er verurteilt: Den Hetiter Urija hast du mit dem Schwert getötet und dann seine Frau geheiratet. Ja, du hast ihn durch das Schwert der Ammoniter aus dem Weg geräumt. So soll jetzt das Schwert für alle Zeit gegen dein Haus gerichtet sein –zur Strafe dafür, dass du mich verachtet hast: Du hast dir die Frau des Hetiters Urija genommen und sie zu deiner Frau gemacht. So spricht der Herr: Ich werde dafür sorgen, dass aus deinem eigenen Haus Unheil über dich kommt. Vor deinen Augen nehme ich dir die Frauen weg und gebe sie einem, der dir nahesteht. Der wird mit deinen Frauen schlafen im hellen Licht der Sonne. Du hast es im Geheimen getan. Ich aber lasse es im hellen Licht der Sonne geschehen, sodass ganz Israel zuschauen kann. Da bekannte David vor Natan: »Ich habe Unrecht getan gegenüber dem Herrn!« Und Natan antwortete David: »Der Herr sieht über deine Schuld hinweg, sodass du nicht sterben musst. Doch der Sohn, der dir geboren ist, muss sterben. Denn du hast den Herrn dadurch verhöhnt, dass du ein solches Unrecht begangen hast.« Und Natan ging nach Hause.

2. Samuel 12, 1-15a

Da hat der große König David ganz schön großen Mist gebaut. Das kann und will Gott so nicht stehen lassen. Deshalb schickt er seinen Propheten Natan zu David. Dieser geht ganz geschickt vor. Anstatt David direkt anzuklagen, schildert er ihm einen fiktiven Rechtsfall von einem reichen und einem armen Mann. Der Reiche nutzt seine Macht aus und nimmt dem Armen sein einziges Lamm, weil er zu geizig ist, eines seiner Tiere für seinen Gast zu schlachten. David hört aufmerksam zu. Er ärgert sich. So etwas wird in seinem Königreich nicht geduldet. Er fühlt sich in seiner Rolle als Richter angesprochen und fällt direkt ein Urteil: „Der Mann hat den Tod verdient. Und das Lamm muss vierfach ersetzt werden.“

Sein Urteil passt zu seinem Regierungsprogramm. Das können wir in Psalm 101 nachlesen. Dort schreibt David Sätze wie:

Ich will einen vorbildlichen Weg gehen. Ich will mich so in meinem Haus verhalten, wie es mein ehrliches Herz verlangt. Ich fasse keine Vorhaben ins Auge, die Verderben mit sich bringen. Ich hasse es, wenn Gebote übertreten werden. Damit will ich nichts zu tun haben. Verkehrte Gedanken lasse ich nicht zu. Böses kommt mir gar nicht erst in den Sinn. Meine Augen suchen die Treuen im Land. Sie sollen in meiner Nähe wohnen. Doch wer betrügerisch handelt, den dulde ich nicht in meinem Haus. Und wer sich aufs Lügen verlegt, darf mir nicht unter die Augen treten.

Psalm 101, 2-7

Nach diesen Prinzipien will er – theoretisch – herrschen. So soll es in seinem Königreich zugehen.

Du bist der Mann.

2. Samuel 12, 7

Natan konfrontiert David nun mit seiner eigenen Schuld. Und David merkt, dass er als Richter gerade sein eigenes Urteil gesprochen hat. Er hätte die Macht gehabt, Natan abführen und einsperren oder sogar hinrichten zu lassen. Doch er lässt ihn weiterreden, denn Natan spricht das aus, was er irgendwo in sich drin dann vielleicht doch gewusst hatte. Das, was er da mit Batseba und deren Mann Urija getan hatte, war nicht richtig gewesen. Und so stellt er sich der Kritik des Propheten, der nun nichts mehr beschönigt. Mord und Ehebruch werden benannt und die Folgen der Tat werden angekündigt: Weil David Urija mit dem Schwert hat töten lassen, wird das Schwert von nun an gegens ein Haus gerichtet sein.

Jetzt liegt die ganze Wahrheit auf dem Tisch, die David bis dahin so fein säuberlich vertuscht hat. Jetzt steht David zu dem, was er getan hat. Er erkennt: Wo er durch den Missbrauch seiner Macht Menschen und ihre Rechte verletzt hat, da hat er auch Gott verletzt. Er sieht nicht nur seine Schuld gegenüber Batseba und Urija. Er erkennt sie als Sünde. Und so bekennt er:

Ich habe Unrecht getan gegenüber dem Herrn!

2. Samuel 12, 13a

Genau das wollte und sollte Natan erreichen. David musste seine Schuld erkennen und bekennen. Jetzt ist der Weg frei für Vergebung.

Der Herr sieht über deine Schuld hinweg, sodass du nicht sterben musst.

2. Samuel 12, 13b

Natan spricht ihm die befreiende Vergebung Gottes zu. Wer ihm die Schuld bekennt, den spricht er frei davon. Dem ermöglicht er es, wieder aufzuatmen und zu leben.

David lässt weiterleben und sogar weiterregieren. Obwohl er seine Macht missbraucht hat, belässt er die Macht in seinen Händen. David ist ein Mann nach dem Herzen Gottes – und das obwohl er nicht perfekt ist. Obwohl er großen Mist baut. Gott gestaltet seine Geschichte nicht mit makellosen Helden, sondern mit fehlsamen Menschen.

Und da kommen wir ins Spiel. Denn auch wir sind nicht perfekt. Auch wir bauen viel Mist. Auch wir sind meisterhafte Schuldvertuscher und -verschweiger. Das fängt schon bei den kleinen Kindern an, dass immer gleich ganz laut geschrien wird: „Ich war das nicht. Ich habe nichts gemacht. Ich habe nicht angefangen.“ Wir Großen schreien es nicht rum, aber wir reden es uns leise selbst ein. Schuld einzugestehen und vor Gott und anderen zu bekennen, das fällt uns schwer.

Oder uns geht es so wie dem Pharisäer, vom dem wir vorhin in der Schriftlesung gehört haben. Wir wähnen uns bei den Guten, den Anständigen, den Frommen. Und im Vergleich sind wir das doch auch, oder? Ich mein im Gegensatz zu einem harten Steuerbetrug sind doch die paar Fehlerchen in der eigenen Steuererklärung pillepalle. Im Vergleich zu einem echten Mord, sind doch die paar fiese Gedanken gegenüber meinen Kollegen nicht schlimm. Im Vergleich zu meinen geizigen Nachbarn, die nie etwas spenden, bin ich doch immerhin an Weihnachten recht großzügig. Gott vergleicht aber nicht. Gott geht es um die Sünde als solche. Nicht um die große oder die kleine. Nicht um mehr oder weniger.

 „Du bist der Mann. – Du bist die Frau.“, sagt er auch uns ins Gesicht. „Du hast dich nicht an meine Gebote gehalten und dich damit von mir abgewandt.“ Auch wir müssen immer wieder aus unserer uns immer nur bejahenden Blase herausgerissen und heilsam erschüttert werden. Auch wir müssen mit unserem Fehlverhalten konfrontiert werden. Das tut Gott auf unterschiedliche Art und Weise. Er benutzt Boten wie Nathan. Er spricht uns durch sein Wort an. Er lässt uns nicht zur Ruhe kommen und keinen Frieden finden, weil immer noch das Unrecht in uns rumort.

Und dann haben wir zwei Möglichkeiten. Wir können es entweder ignorieren und weitermachen als wäre nichts gewesen oder wir können wie David der Wahrheit ins Auge blicken und bekennen: „Ja, Herr, ich habe gesündigt. Vergib mir.

Und das tut er.

Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade.

Jakobus 4, 6b

Deshalb ist es so wichtig, dass wir regelmäßig mit Gott reinen Tisch machen. Dass wir alles vor ihn hinlegen und unsere Schuld bei ihm abladen. Beim Abendmahl machen wir das ganz bewusst, aber auch im Alltag können wir vor Gott treten und ihm bekennen, wo wir gegen seine Gebote rebelliert haben. Wir können uns einen Mitchristen oder eine Mitchristin suchen und vor ihnen unsere Schuld aussprechen. Wir können Gott gemeinsam um Vergebung bitten und der andere kann uns diese hörbar zusprechen. Das nennen wir Beichte. Auch wir Pfarrer stehen dazu jederzeit zur Verfügung. Sünde, die wir mit uns rumschleppen, frisst uns innerlich auf. Sie zerstört unsere Gottesbeziehung und die Beziehung zu unseren Mitmenschen. Vergebung dagegen ermöglicht uns einen Neuanfang.

David erfährt dies und so schreibt er in Psalm 32 seine Erfahrungen auf:

Wohl dem, dem die Übertretungen vergeben sind, dem die Sünde bedeckt ist! Wohl dem Menschen, dem der HERR die Schuld nicht zurechnet, in dessen Geist kein Falsch ist! Denn da ich es wollte verschweigen, verschmachteten meine Gebeine durch mein tägliches Klagen. Denn deine Hand lag Tag und Nacht schwer auf mir, dass mein Saft vertrocknete, wie es im Sommer dürre wird. Darum bekannte ich dir meine Sünde, und meine Schuld verhehlte ich nicht. Ich sprach: Ich will dem HERRN meine Übertretungen bekennen. Da vergabst du mir die Schuld meiner Sünde.

Psalm 32, 1-5

Eine Frage ist für mich noch offen: Der Herr vergibt David seine Schuld und doch muss das Kind von Batseba und David sterben. Warum? Ist Gott nachtragend? Braucht es doch noch eine weitere Strafe? Straft Gott uns auch für unsere bekannten und vergebenen Sünden?

Von der Wunde der Sünde bleibt eine Narbe zurück. Einfach so: Schwamm drüber geht nicht. Es ist nicht einfach alles wieder gut, denn es ist nicht mehr so, wie es vorher war. Urija ist tot. Und aus seiner Perspektive wäre Schwamm drüber grausam. Außerdem, und das führt Natan als Begründung an, außerdem hat David den Feinden Gottes durch sein Tun Anlass zur Gotteslästerung gegeben. Beim Sündigen wird die Ehre Gottes verletzt, indem auch andere dazu verleitet werden, Gott zu missachten.

Schuld und Sünde sind nichts Triviales. Sie kosten Großes – bei David den Tod seines Sohnes.

Auch unsere Schuld hat den Tod des Sohnes gekostet – des Sohnes Gottes. Die Strafe hat er am Kreuz getragen. Für uns auf sich genommen. Wir brauchen also keine Angst haben, dass Gott uns Strafen auferlegt. Und dennoch können auch unsere Sünden Narben hinterlassen. Manches können wir nicht mehr gutmachen. Wir können die Dinge nicht ungeschehen machen. Damit müssen wir leben, solange wir in dieser Welt sind. Aber mit der Schuld, mit der Trennung von Gott müssen wir nicht leben. Diese laden wir bei ihm ab im Vertrauen darauf, dass er uns durch seinen Sohn Jesus Christus voll Gnade und Liebe ansieht und uns wie David zuspricht: „Ich sehe über deine Schuld hinweg, sodass du nicht sterben muss.“ – Denn ich bin für dich gestorben. Amen.

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Die Predigt wurde am 9. September 2022 in der Auferstehungskirche in Ruit gehalten.
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