„KOPF HOCH“ – nicht, weil es irgendwann sowieso auch wieder bergauf geht. Nicht, weil die Ferien vor der Tür stehen und eine Pause in Sicht ist und auch nicht, weil es bald Sommer wird. Nein, KOPF HOCH aus und mit gutem Grund: der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden.
Und das verändert die Perspektive von uns Christen grundlegend. Ich lese uns dazu die ersten 4 Verse aus dem 3. Kapitel des Kolosserbriefes vor:
Wenn ihr also zusammen mit Christus auferweckt worden seid, dann richtet euch nach oben hin aus. Dort sitzt Christus an der rechten Seite Gottes. Wendet euch dem zu, was dort oben ist, und nicht dem, was auf der Erde ist! Denn ihr seid gestorben, und euer Leben ist mit Christus bei Gott verborgen. Es kommt aber die Zeit, in der Christus, euer Leben, erscheint. Und dann wird auch offenbar, dass ihr zusammen mit ihm Anteil an Gottes Herrlichkeit habt.
Kolosser 3, 1-4
KOPF HOCH – für Paulus ist es ganz klar: Ein Christ, eine Christin richtet sich nach oben aus, weil er oder sie mit Jesus Christus auferweckt worden ist. Ein Christ richtet sich nach oben aus, weil dort Christus an der Rechten Gottes sitzt. Er thront. Ein Christ richtet sich nach oben aus, weil er sich an Christus orientiert. Er richtet sich nach ihm aus. Wie eine Kompassnadel immer nach Norden zeigt, so richtet sich unsere Kompassnadel immer nach Christus aus.
Was heißt das im Konkreten? Ich möchte es unter drei Punkten zusammenfassen, was es heißt, unsere Kompassnadel auf Christus auszurichten:
Es heißt erstens:
1. Ein Christ wird nicht von der Angst geleitet.
Wer sich an Christus orientiert, der schaut nicht auf den Abgrund, sondern nach oben – auf das (Gipfel-)Kreuz. Jesus sagt:
In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.
Johannes16, 33
Mit seinem Tod und seiner Auferstehung hat Christus den Tod entmachtet und ihm den Schrecken genommen. Damit hat auch jede Angst letztlich ihre Berechtigung verloren.
Denn wenn wir unsere Ängste mal in den Blick nehmen und anschauen, was hinter diesen Ängsten steckt, dann ist es doch so, dass wir letztlich immer davor Angst haben, dass uns oder denen, die uns lieb sind, etwas Schlimmes passiert. Das kann ganz banal und irrational sein: „Hilfe, die kleine Spinne wird mich auffressen.“ Oder auch ganz schön groß und nachvollziehbarer. Die Angst vor einer Diagnose oder die Angst vor großen Prüfungen. Hinter jeder oder hinter fast jeder Angst steckt am Ende die Angst vor dem sozialen oder dem echten Tod. „Was werden meine Eltern sagen, wenn ich durchs Abi flieg?“ „Was, wenn unsere Oma sich mit Corona ansteckt?“ usw. –
Jesus sagt uns zu: „Habt keine Angst. Ich habe die Welt überwunden.“ – Weil Jesus lebt und der Tod damit seine Schrecken verloren hat, deshalb können wir angstbefreit leben.
Das geht nicht auf Knopfdruck. Das weiß ich selbst. Oft genug sausen mir seit dem Krieg in der Ukraine beängstigende „Was wäre wenn..“- Gedanken durch den Kopf.
Die Frage ist dann: „Kopf runter“ oder „Kopf hoch“? Starre ich auf diese Welt wie das Kaninchen auf die Schlange oder schaue ich hoch zu Christus, der auferstanden ist, neben seinem himmlischen Vater sitzt und letztlich alle Macht in Händen hält?
Wer auf Christus blickt, der wird nicht von der Angst geleitet. Das ist das Erste.
Unsere Kompassnadel auf Christus ausrichten heißt zweitens:
2. Wendet euch dem zu, was dort oben ist und nicht dem, was auf der Erde ist.
So schreibt es Paulus. Das Verb „zuwenden“ deutet bereits an, dass wir Christen uns auch von anderen Dingen „abwenden“ müssen. Wenn wir uns Christus zuwenden, dann heißt das gleichzeitig, dass wir uns von dem, was auf der Erde ist, abwenden. Ein Christ orientiert sich an Christus – das heißt, er orientiert sich nicht am Zeitgeist, an der lautesten Stimme, am aktuellen Trend oder dem, was den Menschen gefällt und gut ankommt. Für uns Christen zählt, was Christus über uns sagt und denkt.
Und der sagt:
Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein.
Jesaja 43, 1b
Das ist es, was zählt. Wir sind mit Jesus gestorben und auferstanden. Wir gehören zu Jesus Christus.
Damit sind wir, wie Paulus sagt, neue Menschen. Den alten Menschen haben wir abgelegt wie eine kaputte, aus der Mode gekommene und zu enggewordene Jeans: Wir lassen den Lebensstil, der nicht zu Christus passt, hinter uns. Dinge wie Zorn, Wut, Habgier, Bosheit. Das alles gehört unters Kreuz. Jesus hat das für uns mit in den Tod genommen.
Angezogen haben wir, weil wir zusammen mit Christus auferweckt worden sind, den neuen Menschen – das neue wunderschöne Kleid oder auch den einzigartig schönen Anzug. Der neue Mensch strahlt herzliches Erbarmen, Güte, Demut und Freundlichkeit aus.
Wer seine Kompassnadel auf Christus ausrichtet, der orientiert sich in seinem Leben nicht an den Maßstäben dieser Welt, sondern an Christus – in seiner Haltung und ganz konkret auch in seinem Lebensstil und seinen Entscheidungen.
Und damit komme ich zum dritten Punkt: Kennt ihr die Bändle noch? In meiner Jugend waren die unter Christen voll im Trend:
3. w.w.j.d. – Was würde Jesus tun?
Wer sich an Christus orientiert, lebt und handelt nach seinem Vorbild. Jesus Christus ist mehr als ein Vorbild, aber er ist auch unser Vorbild, an dem wir uns als seine Nachfolger orientieren. Wir haben die Bibel als Zeugnis über sein Leben. Dort können wir nachlesen, wie ein Jesusgemäßes Leben aussieht: Jesus hat die in den Arm genommen, die als unberührbar galten. Er hat Menschen satt gemacht. Er war für die Unbeliebten und Unbedeutenden da. Jesus hat stets in Liebe und Wahrheit gehandelt und geredet. Sehr anschaulich wird das in der Begegnung mit der Ehebrecherin. Jesus verurteilt die Frau nicht, sagt ihr aber auch, dass sie ihren Lebensstil ändern soll.
Auf Jesus Christus schauen, heißt auch, zu überlegen, wie ein Leben als Nachfolger aussieht. Wer sich an Jesus Christus orientiert, fragt bei kleinen und großen Entscheidungen: Was würde Jesus tun?
Ich weiß nicht, wie groß euer ABER mittlerweile ist, aber ich denke, bei allen drei Punkten, kann man aber sagen. Aber warum schaffe ich es nicht, angstfrei zu leben? Aber warum bin ich immer noch unfreundlich und manchmal so voller Wut, obwohl ich doch den alten Menschen ausgezogen habe? Und warum weiß ich zwar oft, was Jesus tun würde und tue dann doch genau das Gegenteil?
Wie ist das zu erklären? Dazu müssen wir das von Paulus etwas kompliziert Formulierte in den Blick nehmen. Er schreibt:
Denn ihr seid gestorben, und euer Leben ist mit Christus bei Gott verborgen.
Kolosser 3, 3
Man könnte auch übersetzen versteckt, vergraben oder verhüllt. Was meint Paulus damit?
Diese Formulierung beinhaltet zwei Aspekte:
Zum einen ist dieses Verborgensein ein Schutz – im Sinne von Geborgensein. Christus weiß, dass wir zu ihm gehören. Wir sind seine Schafe und niemand kann uns aus seiner Hand reißen. Deshalb können uns die weltlichen Dinge und Mächte letztlich nichts mehr anhaben. Sie beeinflussen unser Leben zwar noch, solange wir noch in dieser Welt sind. Sie können uns sogar unser irdisches Leben nehmen.
Aber unser neues Leben, unser Leben bei und mit Christus, das können sie uns nicht mehr nehmen. Das ist an einem absolut sicheren Ort – verborgen mit Christus in Gott.
Zum anderen sagt Paulus, dass das, was an uns Christen geschehen ist – dass wir mit Christus gestorben und auferweckt worden sind, so verborgen ist, wie Christus. Christus ist auferstanden, aber er ist in dieser Welt seit Himmelfahrt nicht mehr sichtbar – er sitzt zur Rechten Gottes. So ist es auch mit uns Christen: Unser altes Sein ist mit Christus gestorben und als neue Menschen sind wir mit Christus auferstanden – nur sieht man uns Christen das nicht auf Anhieb an. Das neue Sein ist noch verborgen, aber es ist eine Wirklichkeit, so wie Christus eine Wirklichkeit ist.
In dieser Welt und Zeit werden wir es nicht schaffen, 100% so zu leben, wie es unserem neuen Sein entspricht. So lange noch in dieser Welt sind, werden wir auch immer von den Dingen in dieser Welt berührt und beeinflusst. Kopf hoch – ja, aber unsere Füße stehen noch auf dem Boden einer Welt, in der die Sünde und das Böse eben auch noch wüten dürfen. Wir leben noch mitten in dieser Welt.
Wenn wir es nicht schaffen, nach den Maßstäben Christi zu leben oder wenn uns die Angst überfällt, dann heißt das nicht, dass der Tod und die Auferstehung Jesu uns nicht zu neuen Menschen gemacht haben. Es heißt aber, dass unser neues Leben noch nicht vollkommen sichtbar ist, sondern mit Christus noch verborgen in Gott ist. Das entlastet.
Und gleichzeitig darf es nicht zu einer faulen Ausrede für uns werden. Denn so wie Christus zwar unsichtbar, aber nicht unwirksam ist, so ist es auch mit unserem neuen Sein.
Weil wir Ostern kennen und weil wir glauben, dass Jesus für uns gestorben und auferstanden ist, leben wir mit einer anderen Perspektive. Wir leben mit dem Kopf nach oben. Wir schauen auf Christus.
Und wir leben mit Christus, der uns befähigt, schon jetzt das Neue in uns zum Vorschein zu bringen. In dem kurzen Abschnitt, den ich uns vorhin vorgelesen habe, kommt dreimal die Verbindung „mit Christus“ vor. Ein Christ durchlebt und erlebt alles in Verbindung mit Christus. Er lebt mit Christus.
Es ist die von Jesus geschilderte Verbindung vom Weinstock und den Reben, die das Leben von uns Christen ausmacht:
Wie die Rebe keine Frucht bringen kann aus sich selbst, wenn sie nicht am Weinstock bleibt, so auch ihr nicht, wenn ihr nicht an mir bleibt. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun.
Johannes 15, 4b+5
Ohne Christus sind alle Vorsätze und Ermahnungen sinn- und nutzlos, denn ohne Christus sind wir nicht fähig, auch nur in Ansätzen so zu leben, wie es uns als neue Menschen entspricht.
Es kommt aber die Zeit, in der Christus, euer Leben, erscheint. Und dann wird auch offenbar, dass ihr zusammen mit ihm Anteil an Gottes Herrlichkeit habt.
Kolosser 3, 4
Wenn Christus einmal wieder kommt, dann wird vollkommen sichtbar, dass wir zu ihm gehören und mit ihm Anteil an Gottes Herrlichkeit haben. Dann sind wir neue Menschen im vollen Umfang und Sinn. In der gleichen Erwartungs- und Hoffnungshaltung wie Paulus leben auch wir heute noch. Christus wird eines Tages wiederkommen – in Herrlichkeit.
Im Moment leben wir in der Spannung zwischen Ostern und der Wiederkunft Jesu. Damit wissen wir auf der einen Seite schon, dass das Spiel entschieden ist. Es ist gewonnen. Christus ist auferstanden. Er hat dem Tod die Macht genommen. Er ist der Sieger.
Er ist der, der im Regiment sitzt und alle Macht in Händen hält. Und wir gehören zu ihm. Gleichzeitig ist das noch nicht vollkommen sicht- und spürbar. Nicht bei uns und erst recht nicht in der Welt. Wir leben noch auf die Wiederkunft Christi und das mächtige Ziel unserer Verherrlichung mit ihm hin.
Bis Christus wiederkommt, gilt für uns aber jetzt schon: KOPF HOCH.
Weil Jesus lebt. Und wir leben durch ihn, mit ihm und mit Blick auf ihn. Deshalb: Kopf hoch!
Amen.
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Die Predigt wurde in der Osternacht am Ostersonntag, den 17. April 2022, in der Auferstehungskirche in Ruit gehalten.
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