Liebe Gemeinde,
Jesus Christus spricht: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.“
Johannes 6, 37
Welches Bild haben Sie vor Augen, wenn Sie dieses Versprechen von Jesus hören? Wie würden Sie ein Poster zu dieser Jahreslosung gestalten?
Wenn ich die Worte der neuen Jahreslosung höre, habe ich sofort dieses Bild vor Augen. Der Vater, der mit offenen Armen dasteht und seinen zerlumpten und irgendwie kaputten Sohn herzlich willkommen heißt. Dieses Bild aus der Kinderbibel von Kees de Kort kennen sicher viele von Ihnen. Es gehört zum Gleichnis des Verlorenen Sohnes aus dem Lukasevangelium.
Die Jahreslosung aus dem Johannesevangelium steht in einem anderen Zusammenhang. Aber sie drückt das aus, was wir hier sehen. Das Willkommensein. Offene Arme. Jesus, als Türsteher, der alle willkommen heißt. Alle, wirklich alle sind bei ihm willkommen. Einfach so. Ohne Vorbedingung und ohne Vorleistung. Nicht nur die, die die passenden Klamotten tragen, die richtige Nationalität oder die exklusive Einladung haben. Nicht nur die, die sich immer angemessen verhalten, anständig reden und keinen Dreck am Stecken haben. Bei Jesus ist jeder willkommen. Einlass ohne irgendwelche Gs, ohne Perso und ohne Visum.
Jesus Christus verspricht: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.“
Johannes 6, 37
Jesus sagt diese Worte, nachdem er mit fünf Broten und zwei Fischen 5000 Männer satt gemacht hatte. Nach diesem Zeichen suchen die Leute Jesus. Sie wollen mehr von diesem Wunderbrot haben. Und Jesus sieht ihr wahres Anliegen. Er sagt: ihr sucht mich, weil ihr noch mehr Brot wollt, aber sucht lieber Speise die unvergänglich ist. Das wahre Brot, dass ihr eigentliches Grundbedürfnis, das Bedürfnis nach erfülltem Leben mit Ewigkeitswert, stillt, ist Jesus selbst:
Ich bin das Brot, wer zu mir kommt, wird keinen Hunger mehr haben und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben.
Johannes 6, 35
Essen und Trinken sind Grundbedürfnisse. Und genauso ist es ein Grundbedürfnis von uns Menschen dazuzugehören. Das ist eine tiefe Sehnsucht unseres menschlichen Lebens. Angenommen zu sein. Das Gegenteil schmerzt und verletzt uns. Ausgeschlossensein. Nicht dazugehören. Abgewiesen werden. Die Fragen: „Bin ich gewollt? Bin ich gut genug?“ beschäftigen uns unser ganzes Leben. Als Kind möchte man unbedingt auch zum Kindergeburtstag eingeladen werden und wie bitter fühlt es sich an, wenn nur die Klassenkameraden eine Einladung bekommen. Später die Frage: Bin ich gut genug für meine Traumfrau? Will mich mein Traummann? Bin ich gut genug für diesen Job, auf den ich mich beworben habe? Werde ich genommen?
Und manch einen treibt sicher auch diese Frage um: Bin ich gut genug für Jesus?
Jesus sagt: JA, wenn du zu mir kommst, dann werde ich dich nicht fortschicken. Wenn du zu mir kommst, dann bist du willkommen.
Dass dieses Versprechen nicht nur leere Worte sind, zeigt Jesus durch sein Leben. Er nimmt sich allen an. Gerade auch denen, die sonst nicht dazugehören. Der Ehebrecherin, die er zwar zurechtweist, aber nicht verurteilt, und der samaritanischen Frau, die immer allein zum Wasserholen gehen muss, weil sie von den anderen verschmäht wird. Die Leprakranken, die draußen vor der Stadt hausen müssen, nimmt er in den Arm. Mit den Zöllnern hat er Tischgemeinschaft. Jesus lebt, was er sagt: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.
Jesus lädt alle ein. Und wir? Sind wir als Kirche auch einladend für alle oder gibt es bei uns Einlasskriterien? Das Milieu? Der Intellekt? Der Frömmigkeitsstil? Beschäftigt man sich mit Milieuforschung, dann stellt man schnell fest, dass ein großer Teil der Bevölkerung kaum von unseren Angeboten erreicht wird. Woran liegt es, dass sich von Kirchens immer nur die ungefähr gleichen Menschen einladen lassen, wenn doch alle die Sehnsucht nach echtem Angenommensein in sich tragen? Warum schaffen wir es nicht, alle einzuladen, wenn die Einladung Jesu doch allen gilt?
Ich denke, Viele erreicht die Einladung Jesu nicht, weil wir keine Formen finden, sie für alle einladend zu gestalten. Deshalb ist es unsere Aufgabe, die Einladung Jesu immer und immer wieder neu, anders, kreativ und auch unkonventionell in die Welt zu tragen. Falls Sie Ideen zur Umsetzung haben – nur her damit. Ich bin gerne dabei.
Bei allem Aktionismus und bei allen Bemühungen dürfen wir aber nicht vergessen, dass es nicht alleine an uns liegt, ob jemand der Einladung Jesu folgt oder nicht. Denn die große Einladung Jesu ist nur ein Halbvers, der nicht völlig aus dem Kontext gerissen werden kann. Im Versteil davor sagt Jesus: Alles, was mir der Vater gibt, wird zu mir kommen. Und ein paar Verse später sagt Jesus noch expliziter: Es kann niemand zu mir kommen, es sei denn der Vater zieht ihn.
Also doch nur eine exklusive Sache? Wir finden hier – und wir finden im ganzen Neuen Testament beide Seiten. Eine aktive und eine passive Seite. Auf der einen Seite sind alle eingeladen zu kommen, alle sind eingeladen an Jesus zu glauben – das meint „zu ihm kommen“ im Johannesevangelium. Alle sind eingeladen, sich aktiv für ein Leben mit Jesus Christus zu entscheiden. Auf der anderen Seite können aber nur die glauben, denen der Vater das ins Herz legt, können nur die kommen, die der Vater zieht.
Das heißt auf der einen Seite kann sich der, der glaubt, nicht auf die Schulter klopfen, sondern nur dankbar und staunend dieses Geschenk annehmen. Aber es heißt auf der anderen Seite auch, dass sich jemand, der nicht glaubt, nicht einfach schulterzuckend rausreden kann, indem er darauf verweist, dass es ja Gottes Entscheidung war, ihn nicht auszuwählen. Das hat immer auch etwas mit der eigenen Verschlossenheit zu tun.
Ein bekanntes Bild von Spurgeon finde ich ganz hilfreich, diese beiden Linien, die hier sogar in einem Vers stecken, zusammen zu denken. Er sagt: Über dem Eingangstor zum ewigen Leben steht: „Wer glaubt, wird gerettet.“ Geht man aber hindurch und sieht zurück, so sieht man von innen das Schild: „Erwählt von Anbeginn der Welt.“
Ja, zwischen den zwei Seiten besteht eine Spannung, die wir nicht aufgelöst bekommen. Und diese Spannung bringt uns manchmal auch zum Verzweifeln. Wenn wir nicht verstehen, warum ein uns lieber Mensch, die Einladung Jesu nicht annehmen kann. Warum er die gute Nachricht schon so gehört hat, aber er der Einladung Jesu nicht folgt. Was tun wir in so einem Fall? Dranbleiben. Die Einladung immer und immer wieder weitergeben und beten und hoffen, dass sie einmal in sein Herz dringt. Gott will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen (1Tim 2,4). Gottes Anliegen ist ein Heilsplan und kein Vernichtungsplan. Darauf vertraue ich.
Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.
Johannes 6, 37
Wörtlich steht da: Den werde ich niemals mehr hinauswerfen. Es geht um das Jüngerwerden und um das Jüngersein. Es geht zum einen darum, dass niemand, der zu Jesus kommen möchte, abgewiesen wird, zum anderen geht es aber auch darum, dass eine Zugehörigkeit zu Jesus nicht einfach so wieder beendet wird. Wenn wir bei Jesus sind, dann werden wir nicht wieder hinausgeworfen. Auch nicht, wenn wir uns danebenbenehmen. Bei Gott gibt es kein Willkommen auf Probe. Wir müssen nicht zeigen, dass wir es wert sind. Wir sind willkommen in Ewigkeit.
Das ist die sogenannte Heilsgewissheit, die uns Sicherheit im Leben und auch im Sterben gibt. Niemand und nichts kann uns mehr aus der Hand des Vaters reißen. Und er wird uns ganz sicher nicht mehr hinauswerfen. Das heißt nicht, dass nicht die Möglichkeit besteht, Jesus Christus auch wieder den Rücken zuzukehren. Aber selbst dann ist ein Neuanfang mit ihm möglich. Selbst dann steht er noch mit offenen Armen da, hängt die Girlanden und Luftballons an die Tür und heißt dich herzlich willkommen, wenn du zu ihm kommst. Die Eintrittskarte hat Jesus längst bezahlt. Als Jesus am Kreuz gestorben ist, hat er erlebt, wie es sich anfühlt, nicht willkommen zu sein. Von Gott und Menschen verlassen stirbt er und gerade dadurch hat er die Tür für uns geöffnet. Für jeden von uns. Egal, wie dreckig und verlumpt wir daherkommen.
Jesus Christus spricht: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.“
Johannes 6, 37
Herzlich willkommen bei Jesus. Lass dich einladen. Und bitte fühl dich wie du Zuhause – denn du bist nirgends mehr daheim als bei ihm.
Amen.
Die Predigt wurde im Gottesdienst am 26. Dezember 2021 in Ruit in der Auferstehungskirche gehalten.
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