Es war am Anfang der Regierungszeit Jojakims, des Sohnes Joschijas, des Königs von Juda. Damals kam dieses Wort vom Herrn zu Jeremia: So spricht der Herr: Stell dich in die Halle im Haus des Herrn! Rede zu allen, die aus den Städten Judas kommen, um im Haus des Herrn Gott anzubeten! Verkünde ihnen alle Worte, die ich dir für sie aufgetragen habe! Lass ja nichts davon weg! Vielleicht hören sie zu und kehren um und jeder verlässt seinen bösen Weg. Dann bereue ich es, dass ich Unheil über sie bringen wollte, weil sie Böses tun. Das sollst du ihnen sagen: So spricht der Herr: Hört auf mich! Geht auf meinen Wegen, die ich euch gezeigt habe! Hört auf die Worte meiner Knechte, der Propheten, die ich zu euch geschickt habe. Unermüdlich sende ich sie zu euch, obwohl ihr nicht auf sie gehört habt. Wenn ihr weiterhin nicht auf mich hört, mache ich es mit diesem Haus wie mit Schilo. Und den Namen Jerusalems mache ich zu einem Fluch: Bei allen Völkern der Erde wird er für Unheil stehen. Die Priester, Propheten und das ganze Volk hörten, was Jeremia im Haus des Herrn verkündete. Jeremia gab ihnen jedes dieser Worte weiter, die der Herr ihm für das ganze Volk aufgetragen hatte. Als er damit fertig war, ergriffen ihn Priester, Propheten und das ganze Volk. Sie riefen: »Du musst sterben! Warum hast du so etwas im Haus des Herrn geweissagt? Du hast gesagt, dass es diesem Haus hier wie Schilo ergehen soll. Diese Stadt soll zerstört werden und unbewohnt sein.« Da versammelte sich das ganze Volk um Jeremia im Haus des Herrn. Als die hohen Beamten von Juda davon hörten, verließen sie das Haus des Königs und gingen zum Haus des Herrn hinauf. Dort nahmen sie Platz im neuen Tor des Tempels. Dann erhoben die Priester und Propheten Anklage. Sie sagten zu den Beamten und zum ganzen Volk: »Dieser Mann verdient das Todesurteil! Er hat gegen diese Stadt geweissagt. Das habt ihr mit euren eigenen Ohren gehört.« Da ergriff Jeremia das Wort und sagte zu allen Beamten und dem ganzen Volk: »Der Herr hat mich gesandt, um die Worte zu verkünden, die ihr gehört habt. Gegen dieses Haus und gegen diese Stadtsollte ich weissagen. So bessert jetzt euer Leben und euer Tun! Hört auf den Herrn, euren Gott! Dann wird der Herr es bereuen, dass er euch Unheil angedroht hat. Seht her: Ich bin in eurer Hand! Macht mit mir, was euch gut und recht erscheint! Doch bedenkt: Wenn ihr mich tötet, vergießt ihr unschuldiges Blut. Dieses Blut wird über euch kommen, über diese Stadt und ihre Bewohner. Denn das ist die Wahrheit: Der Herr hat mich zu euch geschickt, um euch alle diese Worte zu sagen. Ihr sollt sie hören.«
Jeremia 26, 1-15
Liebe Gemeinde,
Jeremia hatte keinen einfachen Job. Das war schon bei seiner Berufung klar. Schon als Gott ihn beauftragt hat, ein Sprachrohr für sein Volk zu sein, machte er ihm nichts vor. Schon ganz am Anfang sagte er ihm deutlich, was dieser Job ihn kosten wird. Er verheimlicht ihm nicht, dass er auf großen Widerstand stoßen wird. Und doch ist seine Zusage größer:
„Sie werden gegen dich kämpfen, aber dich nicht bezwingen können. Denn ich bin mit dir und werde dich retten.“ Deshalb: Fürchte dich nicht vor ihnen, denn ich bin mit dir und werde dich retten.
Jeremia 1, 8
Und nun war Jeremia mal wieder in so einer Situation, in der es gut war, dass er die Zusage Gottes fest in seinem Herzen verankert hatte:
„Fürchte dich nicht vor ihnen. Ich bin mit dir und werde dich retten.“
Jeremia 1,8b
In der Psychologie wird manchmal mit sogenannten Spines gearbeitet. Spine ist Englisch und heißt übersetzt eigentlich einfach nur Wirbelsäule. In der Psychologie meint Spine einen Satz, der uns ein Rückgrat gibt. Ein Motto, dass uns durch Situationen durchträgt. Ein Spine kann ein ganz banaler, plumper Satz sein. So vom Typ schlauer Kalenderspruch wie „Es ist immer zu früh um aufzugeben.“ Oder: „Die Kunst ist, einmal mehr aufzustehen, als man umgeworfen wird.“ – Wie weit einen solche Sprüche bringen, weiß ich nicht. Jeremias Spine war jedenfalls von einer anderen Kategorie. Es war ein Wort des allmächtigen Gottes: „Fürchte dich nicht vor ihnen!“ Dieses Wort Gottes gab ihm ein echtes Rückgrat. Sein Leben lang war er von Verfolgung bedroht, weil er unbequeme Wahrheiten verkündigen musste. Er klagte die Verehrung fremder Götter, Ungerechtigkeit und Unterdrückung an und drohte mit dem kommenden Gottesgericht. Immer im Auftrag des Herrn. Einige Jahre musste er in irgendwelchen Verstecken verbringen. Einmal wird er in einen leeren Brunnen geworfen, wo er im Schlamm versinkt und fast ums Leben kommt.
In unserem heutigen Textabschnitt sollte er wieder einmal dem Volk im Vorhof des Tempels Gottes Botschaft ausrichten. Dieses Mal steht das Hören im Vordergrund: „Hört auf mich. Hört auf die Worte meiner Knechte. Wenn ihr nicht hört, dann wird es euch über ergehen.“ Die Priester, Propheten und das ganze Volk hörten zwar akustisch, was Jeremia verkündigte, aber sie wollten nicht darauf hören. Statt Konsequenzen aus dem Gehörten zu ziehen, klagen sie Jeremia für seine Worte an. Dass er im Auftrag Gottes redete und es nicht seine, sondern ihre eigene Schuld war, dass der Untergang vor der Tür stand, das konnten oder wollten sie nicht begreifen. Jeremia sollte dafür bezahlen.
Wie ernst dabei die Lage Jeremias war, zeigt das Ergehen seines Kollegen Urias. Von ihm wird uns im Anschluss berichtet. Auch er hatte im Tempel geweissagt. Das hatte dem König und den Mächtigen missfallen und sie wollten ihn töten lassen. Uria floh daraufhin nach Ägypten. Der König ließ ihn von dort zurückholen und dann durchs Schwert hinrichten.
Die Geschichten von Jeremia und Uria gehören leider nicht der Vergangenheit an. Heute noch werden Menschen verhaftet, angeklagt und gefoltert, weil sie Gott treu sind. Weil sie Jesusnachfolger sind. Heute noch sterben Menschen dafür, dass sie Gottes Wort unters Volk bringen. Rund 309 Millionen Menschen sind einem sehr hohen bis extremen Maß an Diskriminierung und Verfolgung ausgesetzt, weil sie sich zu Jesus Christus bekennen.
Dabei hat die Verfolgung unterschiedliche Gründe. Es gibt politische motivierte Verfolgung wie in China oder Nordkorea. Jesus, das Kind der in der Krippe, der neue, mächtige König, dessen Reich kein Ende hat. Jesus, der scheinbar hilflose Verlierer am Kreuz als Sieger gegen den Tod. Das passt nicht ins System. Die Schwachen sollen schwach und die Kleinen klein sein und bleiben. Ein Umbruch, Wert und Würde für jeden Menschen sind nicht gewünscht.
Und es gibt religiöse Gründe für Verfolgung. Das ist vor allem im nahen und mittleren Osten und in vielen Ländern Afrikas, aber auch Indien der Grund, warum unsere Glaubensgeschwister leiden. Menschen, die Jesus als den Weg, die Wahrheit und das Leben erkennen und deshalb ihren alten Glauben verlassen, erleiden Schlimmstes.
Trotzdem halten sie an ihrem Glauben fest. Kompromisse kommen für viele von ihnen trotz allem nicht in Frage, auch wenn das ihr Leben oft leichter machen würde. Das kam auch für Jeremia nicht in Frage. Im Text fällt auf, dass Gott gegenüber Jeremia betont, dass er nichts von der Botschaft weglassen soll. Alles soll das Volk zu hören bekommen, auch wenn sie es nicht hören wollen. Wenn unsere bedrohten und verfolgten Glaubensgeschwister ihre Botschaft anpassen und abrunden würden, dann eckten sie weniger an. Dann passt sie vielleicht besser ins System. Wäre das nicht auch klüger? Zu sagen, was verlangt wird? Oder wenigstens diplomatisch zu formulieren, um Konfrontation zu vermeiden? Wenn unsere Glaubensgeschwister sich ans System anpassen, dann können sie ihren Glauben ja doch irgendwie leben. Wenn statt des Gekreuzigten ein Bild des kommunistischen Führers in der Kirche hängt. Oder wenn sie Jesus als Prophet und nicht als Gottessohn und Messias verkündigen. Dann erfahren sie weniger Widerstand. Es klingt verlockend. Aber auf diese Kompromisse können und wollen sich viele nicht einlassen. Sie haben Jesus als ihren Herrn und Erlöser erlebt. Sie haben verstanden, dass Gott sie liebt und erlebt, wie Jesus sie verändert hat. Dahinter wollen sie nicht mehr zurück – koste es, was es wolle.
Auch sie haben dabei Spines, die mehr sind, als plumpe Menschenworte. Sie haben Worte Gottes im Ohr und im Herzen wie
In der Welt habt ihr Angst, doch seid getrost, ich habe die Welt überwunden.
Johannes 16,33
Oder die Botschaft der Engel:
Fürchtet euch nicht, denn siehe, ich verkündige euch große Freude. Euch ist heute der Heiland geboren:
Lukas 2, 10b+11a
Oder den Spine Jeremias:
Fürchtet euch nicht vor ihnen. Ich bin mit dir.
Jeremia 1,8
Was ist Ihr Spine? Welches Bibelwort gibt Ihnen Mut, Jesus Christus zu bekennen?
Im Gegensatz zu Jeremia und unseren verfolgten Glaubensgeschwistern ist das für uns ja völlig harmlos. Während unsere verfolgten Geschwister ihr Bekenntnis teilweise sogar mit ihrem Leben bezahlen, bekommen wir höchstens einen dummen Kommentar oder ein müdes Lächeln ab, wenn wir von Jesus erzählen. Während Jeremia und sein Kollege Uria die unangenehme Aufgabe hatten, Gottes Gericht anzukündigen und zur Umkehr und Buße aufzurufen, ist es unsere Aufgabe Jesu Liebe und die Möglichkeit des göttlichen Neuanfangs zu verkündigen. Das kann man tun, indem man den Menschen Angst vor der Hölle macht und den Zorn Gottes predigt – man kann es aber auch tun, indem man erzählt, wie aufopfernd und hingebungsvoll unser Gott ist. Wie seine Liebe berührt und verändert. Wie lohnenswert ein Leben mit Jesus ist. Einladend. Werbend. Begeistert von und für Jesus. Manche mögen uns auch mit dieser Botschaft schräg ansehen. Vielleicht, weil sie so viel Leid erfahren haben, dass sie das nicht glauben können. Vielleicht auch, weil sie viele Christen erleben, die hartherzig und kalt sind. Aber gerade diese Menschen müssen die rettende Botschaft von Gott, der in Jesus Christus in diese Welt gekommen ist und uns durch ihn seine große Liebe gezeigt hat, immer und immer wieder hören. Authentisch, ehrlich und mit Liebe verkündigt.
Deshalb lasst uns Jesus mutig bekennen. Auch wenn es nach den Feiertagen wieder zurück in den Alltag geht. Der Spine Jeremias kann auch uns den nötigen Mut und das nötige Rückgrat dafür geben: „Fürchte dich nicht vor ihnen. Ich bin mit dir.“ Amen.
Die Predigt wurde im Gottesdienst am 26. Dezember 2021 in Ruit in der Auferstehungskirche gehalten.
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