Unser Thema heute – Gebet, wenns hakt!

In diesem Titel stecken zwei Themen, die ich heute mit euch beide anhand von verschiedenen Bibelstellen in den Blick nehmen möchte.

Zuerst möchte ich euch fragen: Was tut ihr, wenns hakt? Was tust du, wenn es mal wieder so gar nicht läuft bei dir? Im Job oder in der Ausbildung? In der Schule oder im Studium? In der Familie oder im Freundeskreis? Wenn es dauernd Stress gibt? Was tust du, wenn es hakt?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie wir mit solchen Situationen umgehen können. Manche machen so etwas gerne mit sich selbst aus. Sie suchen frustriert irgendeine Art von Ablenkung, um die Probleme und Sorgen möglichst gut zu verdrängen. Andere gehen sofort zu ihrer besten Freundin oder ihrem Mann und kotzen und heulen sich erstmal so richtig aus. Wieder andere brauchen, wenn es hakt, einen guten Blitzableiter. Jemand, an die sie ihren Frust und Ärger einfach mal kurz rauslassen können, auch wenn die Person völlig unbeteiligt ist.

Eine andere Möglichkeit wäre: Gebet.

Gebet, genau dann wenn es hakt! Das können wir zum Beispiel in den Psalmen lernen. Die Psalmen sind ohnehin ein super Buch, um beten zu lernen. Zugegeben kommen uns manche Psalmen auf den ersten Blick eher befremdlich vor. Die Worte sind nicht mehr unsere, die Bilder teilweise irritierend. Aber die Psalmen sind ganz besondere Gebete, weil sie sind Menschengebete und gleichzeitig Gottesworte. Die Psalmen sind teil der Bibel. Und wenn wir davon ausgehen, dass die Bibel Gottes Wort ist, sind auch die Psalmen Gottes Wort. Das heißt, wenn wir Psalmen beten, dann beten wir mit Gottes eigenen Worten zu Gott. Und in den Psalmen sehen wir, dass die Menschen in jeder Lage zu Gott geschrien haben. Vor allem dann, wenn es gehakt hat.

Ich möchte heute Abend immer wieder auf Psalm 22 eingehen. Ein Gebet von David. Es ist meines Erachtens ein Mustergebet, wenns hakt. Bei David hat es mehr als gehakt. Ihm ging es richtig übel. Seine Situation beschreibt er in den Versen 7-9 und 13-19. Ich lese sie euch mal vor:

Ich aber bin ein Wurm und kein Mensch, ein Gespött der Leute und veachtet vom Volk! Alle, die mich sehen, lachen nur über mich. Sie spitzen die Lippen, sie schütteln den Kopf: „Soll er doch seine Last auf den Herrn abwälzen! Der soll ihn auch retten! Der soll ihn aus dem Elend reißen. Er ist ja sein Freund!“

Stiere ohne Zahl haben mich umstellt. Baschan-Büffel halten mich umringt. Da sperrt einer sein Maul auf, um mich zu packen – es ist ein reißender und brüllender Löwe! Ich fühle mich wie ausgeschüttetes Wasser. Ich habe keine Gewalt mehr über meine Glieder. Mein Lebensmut ist weich wie Wachs, dahingeschmolzen in meinem Innern. Trocken wie ein Tonscherbe ist meine Kehle und die Zunge klebt mir am Gaumen. So legst du mich in den Staub zu den Toten. Ja, Hunde rotteten sich um mich zusammen, eine Meute von Bösen hat mich eingekreist – wie ein Löwe, der bereit ist zum Sprung, um mich an Händen und Füßen zu packen. Schon zähle ich alle meine Knochen. Sie aber schauen zu, sie gaffen mich an. Sie verteilen meine Kleider unter sich und werfen das Los über mein Gewand.

Psalm 22 7-9 & 13-19

David geht es richtig, richtig schlecht. Und er bringt das radikal ehrlich vor Gott. Genauso offen und ehrlich können wir unsere Gefühle vor Gott bringen. Sicher, wir werden heute andere Bilder haben. Die Baschan-Büffel sind halt doch nicht mehr Teil unsere Alltags- und Erlebniswelt. Aber genauso radikal ehrlich, bringen wir unsere Gefühle vor Gott. Wir müssen keine geschönten Worte finden oder unsere Wut und unseren Zorn runterschlucken. Sogar Rachegedanken sind im Gebet nicht verboten. Gott etwas vorzumachen, ist sinnlos. Er kennt unser Herz und unsere Gedanken.  Vor ihm können und vor ihm brauchen wir nichts zu verstecken.

Und bei ihm, bei Gott sind unsere Gedanken und Gefühle am besten aufgehoben. Gerade dann, wenn es hakt, ist es entscheidend, wer über mich, über meine Gedanken und Gefühle bestimmen darf. Meine Wut, meine Angst und meine Sorgen, die sich wie ein Karussell in meinem Kopf drehen und mich spiralförmig immer tiefer nach unten ziehen oder Gott, der mir Frieden schenken kann und meinen Blick und Horizont wieder weit machen will?

Also Gebet – gerade dann wenn es hakt!

Doch was ist, wenn gerade das auch hakt? Wenn ich Schwierigkeiten habe, zu beten? Weil ich das Gefühl habe, mein Gebet kommt gar nicht bei Gott an. Gott hört mich nicht. Schon solange betest du für etwas, aber Gott scheint dich einfach zu ignorieren. Du hast das Gefühl, Gott lässt dich hängen. Er lässt dich im Stich. Auch David hatte das Gefühl. Aber anstatt die Gebetsbeziehung abzubrechen, sagt er genau das zu Gott. Er schreit es ihm entgegen:

„Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“ Fern ist meine Rettung, ungehört verhallt mein Hilfeschrei. „Mein Gott“, rufe ich am Tag, doch Antwort gibst du mir nicht. Und ich rufe in der Nacht, doch Ruhe finde ich nicht.

Psalm 22, 2 & 3

David ist hier genau in so einer Situation. Er hat das Gefühl: „Gott hört mein Gebet nicht.“  Er fühlt sich von Gott verlassen. „Ungehört verhallt mein Hilfeschrei.“ Doch was macht er? Er hört deshalb nicht auf zu beten, sondern er benennt genau dieses Gefühl gegenüber Gott. Auch wenn er sich verlassen fühlt, weiß er dennoch, wenn es eine Rettung für ihn gibt, dann bei Gott. Er krallt sich sozusagen gegen alles Augenscheinliche bei Gott fest. Warum tut er das? Ich lese die nächsten beiden Verse:

Du aber, du bist der Heilige! Du thronst über den Lobgesängen Israels! Auf dich vertrauten schon unsere Vorfahren. Sie vertrauten darauf, dass du sie rettest. Sie riefen zu dir und wurden gerettet. Auf dich haben sie sich verlassen und wurden nicht enttäuscht.

Psalm 22, 4-6

Weil er weiß, dass auch seine Vorfahren schon diesen Weg gegangen sind. Und sie Gott als treuen Gott erlebt haben. Wenn David das im Gebet erwähnt, dann erinnert er sich selbst daran, dass Gott treu ist und rettet und er nagelt Gott auf seine Rettungstaten fest. Uns zeigt das, dass auch wir Gott an sein bisheriges Eingreifen erinnern können. An die Zusagen, die wir in der Bibel lesen, aber auch an das, was wir schon persönlich mit ihm erlebt haben.

Und trotz allen Zweifelns ist David sicher seiner existentiellen Angewiesenheit auf Gott bewusst.

Ja, du hast mich aus dem Mutterleib gezogen. An der Mutterbrust lehrtest du mich Vertrauen. Auf dich bin ich angewiesen seit meiner Geburt. Vom ersten Atemzug an bist du allein mein Gott! Bleib nicht fern von mir! Denn die Not ist so nahe, und ich habe sonst keinen, der mir hilft. Doch du, Herr, bleib nicht fern von mir! Du bist meine Stärke, hilf mir schnell! Bewahre mein Leben vor dem Schwert, mein einziges Gut vor der Gewalt der Hunde! rette mich aus dem Rachen des Löwen und vor den Hörnern der Wildstiere.

Psalm 22, 10-22

David, erlebt diese Rettung, um die er Gott anfleht. In zweiten Vers von Psalm 22 heißt es dann plötzlich: Mein Gebet hast du erhört. Und von da ab ändert sich der ganze Ton und die Thematik grundlegend. Aus der Klage und der Bitte wird Dank und Lob.

Mit Sicherheit war das bei David ein Prozess. Mit Sicherheit hat sich seine Situation nicht von jetzt auf gleich grundlegend geändert. Wie lange hatte er wohl schon geschrien? Wieviel Tage und Nächte gebetet? – Aber er erlebt es: Gott greift ein. Gott rettet ihn. Das will er allen erzählen.

Auch das können wir von David lernen. Wenn es gehakt hat und Gott die Situation wendet, dann können wir Gott loben und wir bekennen und erzählen es. Nicht, um zu zeigen, was für tolle Glaubenshelden wir sind. Nicht um zu demonstrieren, wie toll unser Gebetsleben ist und welch wirkmächtige Beter wir sind, nein, um auf Gottes Größe und Macht zu verweisen und andere zu ermutigen auf dieses zu vertrauen. Gerade dann wenn es hakt.

Das ist das eine: Dranbleiben, wenns hakt und offen, ehrlich und ungeschönt alles vor Gott ausbreiten.

Das andere ist, dass einem manchmal die Worte fehlen, um zu beten. Dass man einfach nicht weiß, wie man das, was einen beschäftigt vor Gott bringen soll. Oder dass die Not so groß ist, dass man nicht mehr weiß, was man sagen soll. Nicht mal mehr zu Gott. Oft fehlen uns ja vor allem dann die Worte, wenn es richtig hakt bei uns. Oft brechen wir genau dann die Gebetsbeziehung zu Gott ab.

Jesus leiht sich in so einem Moment Worte von David. Als er am Kreuz hängt, schreit er zu Gott:

„Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?

Matthäus 27, 46b

Jesus betet am Kreuz Worte aus Psalm 22. Und genau das können wir auch tun, wenn uns die eigenen Worte fehlen. Wenn mir die eigenen Worte fehlen, kann ich Worte anderer Beter zu meinen Worten, zu meinem Gebet machen. Auch hier will ich noch einmal auf die besondere Qualität der Psalmen hinweisen. Oder das Vaterunser. Manchen mag das zu einfach vorkommen.

Manchmal wird ein vorformuliertes Gebet auch als Gebet zweiter Klasse angesehen. Aber zum Vaterunser sagt Jesus: „So sollt ihr beten“ und die Psalmen betet er selbst. Ich denke, als zweitklassig können wir diese Gebete keinesfalls bezeichnen. Vielmehr als großen Schatz – gerade auch dann, wenn die eigenen Worte fehlen.

Zum Schluss möchte ich euch noch zwei Verse aus dem Römerbrief mitgeben. Aus Zeitgründen kann ich jetzt nicht mehr näher auf diese Verse eingehen. Aber sie sollen euch ermutigen zu beten, auch dann, wenns hakt, wenn ihr nur noch wirres Zeug stammeln könnt. Paulus schreibt in Römer 8:

In gleicher Weise steht uns der Geist Gottes da bei, wo wir selbst unfähig sind. Wir wissen ja nicht einmal, was wir beten sollen. Und wir wissen auch nicht, wie wir unser Gebet in angemessener Weise vor Gott bringen. Doch der Geist selbst tritt mit Flehen und Seufzen für uns ein. Dies geschieht in einer Weise, die nicht in Worte zu fassen ist. Aber Gott weiß ja, was in unseren Herzen vorgeht. Er versteht, worum es dem Geist geht. Denn der Geist tritt vor Gott für die Heiligen ein.

Römer 8, 26+27

Amen.

Die Predigt wurde am 12. Dezember 2021, in der Auferstehungskirche in Ruit im Rahmen eines jungen Gottesdienstes gehalten.

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