Liebe Gemeinde,
heute geht es um einen der bekanntesten Propheten der Bibel. Die meisten von uns kennen ihn schon seit der Kinderkirche. Zahlreiche Kindermusicals und Singspiele erzählen seine Geschichte. Auch ich habe sofort einen Ohrwurm aus meiner Kinderchorzeit, wenn ich den Namen höre. Das Vorsingen lasse ich aber lieber bleiben… Heute geht es um Jona – um den Propheten, der eigentlich gar keiner sein wollte.
Ich lese uns die ersten beiden Kapitel des Buches Jona, unseren heutigen Predigttext vor:
Es geschah das Wort des HERRN zu Jona, dem Sohn Amittais: Mache dich auf und geh in die große Stadt Ninive und predige wider sie; denn ihre Bosheit ist vor mich gekommen. Aber Jona machte sich auf und wollte vor dem HERRN nach Tarsis fliehen und kam hinab nach Jafo. Und als er ein Schiff fand, das nach Tarsis fahren wollte, gab er Fährgeld und trat hinein, um mit ihnen nach Tarsis zu fahren, weit weg vom HERRN. Da ließ der HERR einen großen Wind aufs Meer kommen, und es erhob sich ein großes Ungewitter auf dem Meer, dass man meinte, das Schiff würde zerbrechen. Und die Schiffsleute fürchteten sich und schrien, ein jeder zu seinem Gott, und warfen die Ladung, die im Schiff war, ins Meer, dass es leichter würde. Aber Jona war hinunter in das Schiff gestiegen, lag und schlief. Da trat zu ihm der Schiffsherr und sprach zu ihm: Was schläfst du? Steh auf, rufe deinen Gott an! Vielleicht wird dieser Gott an uns gedenken, dass wir nicht verderben. Und einer sprach zum andern: Kommt, wir wollen losen, dass wir erfahren, um wessentwillen es uns so übel geht. Und als sie losten, traf’s Jona. Da sprachen sie zu ihm: Sage uns, um wessentwillen es uns so übel geht? Was ist dein Gewerbe, und wo kommst du her? Aus welchem Lande bist du, und von welchem Volk bist du? Er sprach zu ihnen: Ich bin ein Hebräer und fürchte den HERRN, den Gott des Himmels, der das Meer und das Trockene gemacht hat. Da fürchteten sich die Leute sehr und sprachen zu ihm: Was hast du da getan? Denn sie wussten, dass er vor dem HERRN floh; denn er hatte es ihnen gesagt. Da sprachen sie zu ihm: Was sollen wir denn mit dir tun, dass das Meer stille werde und von uns ablasse? Denn das Meer ging immer ungestümer. Er sprach zu ihnen: Nehmt mich und werft mich ins Meer, so wird das Meer still werden und von euch ablassen. Denn ich weiß, dass um meinetwillen dies große Ungewitter über euch gekommen ist. Doch die Leute ruderten, dass sie wieder ans Land kämen; aber sie konnten nicht, denn das Meer ging immer ungestümer gegen sie an. Da riefen sie zu dem HERRN und sprachen: Ach, HERR, lass uns nicht verderben um des Lebens dieses Mannes willen und rechne uns nicht unschuldiges Blut zu; denn du, HERR, tust, wie dir’s gefällt. Und sie nahmen Jona und warfen ihn ins Meer. Da wurde das Meer still und ließ ab von seinem Wüten. Und die Leute fürchteten den HERRN sehr und brachten dem HERRN Opfer dar und taten Gelübde. Aber der HERR ließ einen großen Fisch kommen, Jona zu verschlingen. Und Jona war im Leibe des Fisches drei Tage und drei Nächte. Und Jona betete zu dem HERRN, seinem Gott, im Leibe des Fisches. und sprach: Ich rief zu dem HERRN in meiner Angst, und er antwortete mir. Ich schrie aus dem Rachen des Todes, und du hörtest meine Stimme. Du warfst mich in die Tiefe, mitten ins Meer, dass die Fluten mich umgaben. Alle deine Wogen und Wellen gingen über mich, dass ich dachte, ich wäre von deinen Augen verstoßen, ich würde deinen heiligen Tempel nicht mehr sehen. Wasser umgaben mich bis an die Kehle, die Tiefe umringte mich, Schilf bedeckte mein Haupt. Ich sank hinunter zu der Berge Gründen, der Erde Riegel schlossen sich hinter mir ewiglich. Aber du hast mein Leben aus dem Verderben geführt, HERR, mein Gott! Als meine Seele in mir verzagte, gedachte ich an den HERRN, und mein Gebet kam zu dir in deinen heiligen Tempel. Die sich halten an das Nichtige, verlassen ihre Gnade. Ich aber will mit Dank dir Opfer bringen. Meine Gelübde will ich erfüllen. Hilfe ist bei dem HERRN. Und der HERR sprach zu dem Fisch, und der spie Jona aus ans Land.
Jona 1+2
Liebe Gemeinde,
was sich hier abspielt, ist ein Drama in drei Akten. Der erste Akt ist ganz kurz: Der Auftrag. Der zweite Akt thematisiert die Flucht und der dritte: Die Rettung. Schauen wir uns diese drei Teile etwas genauer an.
Erster Akt: Der Auftrag
Es geschah das Wort des HERRN zu Jona.
Jona 1,1
So beginnt das Buch und die Geschichte Jonas. Wie er bisher gelebt hat, wissen wir nicht. Über seinen Beruf, seinen Familienstand, seine aktuelle Situation und auch über seine Frömmigkeit erfahren wir nichts. Jona war vermutlich ein ganz gewöhnlicher Hebräer. Der nette, ganz gewöhnliche Typ von nebenan.
Ein Normalo wie du und ich, dessen Leben plötzlich sehr turbulent wird, weil ihn der HERR höchstpersönlich anspricht und beauftragt:
Mache dich auf und geh in die große Stadt Ninive und predige wider sie; denn ihre Bosheit ist vor mich gekommen.
Jona 1,2
Ganz klar bekommt Jona gesagt, was er tun soll. Er soll nach Ninive gehen und gegen die Stadt predigen, deren böses Tun Gott zu Ohren gekommen war.
Ninive, die Hauptstadt des assyrischen Großreiches. Heidnisches Land. Wer will denn da einen hebräischen Propheten hören? Definitiv kein einfacher Job, den Jona da von Gott aufgetragen bekommt.
Es geschieht das Wort des HERRN zu Klara, Simon, Peter und Hanna. Zu Ihnen und zu mir.
Oft fragen wir Christen uns ja, wozu Gott uns beauftragt. Was sein Wille für unser Leben ist. Vor allem junge Menschen ringen häufig mit der Frage. „Was ist Gottes Plan für mein Leben?“ Viele wünschen sich, dass Gott ihnen so einen klaren und eindeutigen Auftrag an die Hand gibt, wie Jona ihn bekam. Manchmal gibt Gott solche Aufträge. Manchmal aber auch nicht. Das heißt aber nicht, dass wir unbeauftragt sind und planlos durchs Leben gehen müssen.
Nein, Gott hat uns sein Wort gegeben und in seinem Wort finden wir so einige Aufträge für uns. Als seine Nachfolger sind wir beispielsweise beauftragt, Salz und Licht für diese Welt zu sein. Wir sollen in der ganzen Welt die gute Nachricht verkündigen und Menschen einladen, Jesus nachzufolgen und sie taufen. Wir sind aufgefordert, einander zu lieben und für die Schwachen in unserer Gesellschaft einzustehen. Und das sind nur ein paar wenige Beispiele. Das Wort des Herrn geschieht zu uns – immer wenn wir in seinem Wort lesen. Und wenn wir alles tun, was er möchte, dann sind wir schon ganz schön beschäftigt. Wie gehen wir mit unseren Aufträgen um?
Jona wäre es lieber gewesen, Gott hätte ihm keinen Auftrag gegeben.
Zweiter Akt: Die Flucht
Jona will den Auftrag des Herrn nicht ausführen. Statt nach Ninive, geht er genau in die entgegengesetzte Richtung. Sein Ziel ist Tarsis – der westlichste Zipfel der den Hebräern damals bekannten Welt. Warum er flieht, erfahren wir hier noch nicht. Wir können uns denken, dass er Angst hat. Gegen eine große Stadt voll Bosheit zu predigen ist kein einfacher,
kein ungefährlicher Job. Er kann Gott nicht vertrauen. Lieber läuft er ihm davon.
Mit seiner Flucht beginnt sein unaufhaltsamer Abstieg. Sein Weg weg von Gott führt in die Tiefe. Es ist das gleiche hebräische Verb, das hier dreimal verwendet wird. Zuerst steigt er hinab in die Hafenstadt Jafo, dann steigt er hinab in das Schiff und als der Sturm auf hoher See losbricht, geht er hinab in das Innere des Schiffes und legt sich schlafen.
Das Meer tobt. Das Schiff droht zu zerbrechen. Die Seeleute sind in Panik. Jona schläft. Jona wird aufgefordert, auch zu seinem Gott um Rettung zu beten. Der, der beauftragt war, die Heiden zu rufen wird jetzt von den Heiden an seinen Gott und an das Gebet zu diesem Gott erinnert. Doch Jona wendet sich an dieser Stelle Gott noch nicht zu. Immer noch will er weg von ihm und seinem Auftrag. Lieber will er sterben. Sein Leben und das Leben der Seeleute sind im gleichgültig.
Schließlich wird Jona als Schuldiger ausgemacht. Er muss eingestehen, dass er auf der Flucht vor Gott ist. Und dass ihm diese Flucht wohl offensichtlich nicht gelingt. Denn Jona entkommt Gott nicht. Und das müsste er doch eigentlich wissen.
Es ist geradezu ironisch, dass sich Jona vor den Schiffsleuten zum Herrn, dem Gott des Himmels, der das Meer und das Trockene gemacht hat, bekennt. Gott ist auch da, wo Menschen keinen festen Grund mehr unter ihren Füßen haben. Jona hätte das wissen müssen und doch hat er versucht, diesem Gott zu entkommen.
Den Sturm begreift er nun als Ausdruck des Zorns und der Strafe Gottes. Er weiß, dass alle seinetwegen in Lebensgefahr sind und so schlägt er selbst vor, ihn über Bord zu werfen. Dann wird das Ganze ein Ende haben – der Sturm, die Flucht und auch sein Leben.
Ist es so? Will Gott Jona für seine Flucht und seinen Ungehorsam strafen?
Zunächst hält er Jona ja gar nicht von seiner Flucht ab. Schon viel früher hätte er seinen Fluchtversuch unterbinden können. Aber so ist Gott nicht. Er lässt uns Freiheit, unseren eigenen Weg zu gehen. Er erzwingt keine Beziehung zu ihm. Er lässt uns Menschen Freiheit, dahin zu laufen, wo wir wollen. Auch von ihm weg. Er zwingt niemanden. Aber er kämpft um uns. Und er lässt uns trotzdem nicht alleine. Er geht auch Irrwege mit. So ist Gott. Und deshalb lässt er auch Jna nicht einfach ziehen. Er geht ihm nach.
Wie der Hirte aus der Schriftlesung das verlorene Schaf sucht und nicht aufgibt, gibt Gott Jona nicht auf. Er begleitet ihn auf seinem Weg. Er geht mit ihm bis in die tiefsten Tiefen. Und er kämpft um ihn. Gott setzt wortwörtlich alles in Bewegung, um ihn zurück zu holen. Er beauftragt nicht irgendjemand anderes, nein, er möchte Jona haben. Das ist sein Mann für diesen Job. Es geht Gott nicht um Strafe. Es geht Gott darum, Jona als seinen Mann nicht zu verlieren.
Und deshalb hatte Jona Gott das zweite Mal falsch eingeschätzt, als er dachte, mit seinem Wurf ins Meer sei nun alles aus. Die Geschichte ist hier noch nicht zu Ende. Es folgt:
Der dritte Akt: Die Rettung
Die Rettung Joans ist spektakulär. Der HERR sendet einen großen Fisch, der ihn verschlingt. In diesem Fisch sitzt Jona und drei Tage und drei Nächte. Jetzt kann er nicht mehr entkommen. Am Tiefpunkt seines Wegs muss er sich mit Gott auseinandersetzen. Und so bringen diese drei Tage im Bauch des Fisches für Jona die Wende. Jetzt wendet er sich Gott wieder zu. Vorhin haben wir mit seinen Worten gebetet. Jona erkennt:
Hilfe ist bei dem Herrn.
Jona 2, 10b
Er hat das erlebt. Gott hat ihn gerettet. Aus den tiefen Fluten. Und so wird seine Erkenntnis zu seinem Bekenntnis:
Hilfe ist bei dem Herrn.
Jona 2, 10b
Gott rettet.
Drei Tage bringen für Jona die Wende. – Jesus bezeichnet diese drei Tage später als Zeichen des Jonas. Er selbst zieht eine Parallele zu sich und seinem Ergehen. Auch er wird drei Tage im Grab verborgen sein und dann wieder lebendig werden. Auch diese drei Tage bringen die Wende. Nicht für Jesus, sondern für uns alle.
Hilfe ist bei dem Herrn.
Jona 2, 10b
Durch Jesu Tod und Auferstehung wird das konkret. Für uns alle gültig.
Die Natur von uns Menschen ist es, von Gott wegzulaufen. Der Tod und die Auferstehung Jesu machen es uns möglich, zu Gott hinlaufen. Mit ihm zu leben. Jeder hat durch Jesu Tod und Auferstehung die Chance im Auftrag des Herrn unterwegs zu sein. Seine Hilfe ganz persönlich zu erfahren.
Jona musste für die Wende erst einmal ganz tief hinabsteigen. Erst am absoluten Tiefpunkt hat er sich Gott wieder zugewandt. Dass Gott unsere Rettung ist, erkennen wir manchmal zwar auch erst an einem Tiefpunkt in unserem Leben, doch ganz hinabgestiegen ist ein anderer für uns: Jesus Christus.
Mit seinem Abstieg hat er auch alle Strafe auf sich genommen, die wir für unseren Ungehorsam durchaus verdienen würden. Denn Gott geht es nicht um Strafe. Gott geht es darum uns nicht zu verlieren.
Und wenn wir von Gott weglaufen, dann laufen wir nicht vor einem grausamen und unberechenbaren Gott weg, der unser Unheil will. Nein, dann laufen wir vor dem Weg, der das absolut Beste für uns möchte. Auch Jona wusste das. Später im Jonabuch erfahren wir den eigentlichen Grund für seine Flucht.
Ach Herr, genau das habe ich mir schon gedacht, als ich noch zu Hause war. Deshalb wollte ich auch nach Tarsis fliehen. Ich wusste ja: Du bist reich an Gnade und Barmherzigkeit, unendlich geduldig und voller Güte. Du bist ein Gott, dem das Unheil leidtut.
Jona 4, 2b
Verrückt, weil Gott gnädig und barmherzig ist, deshalb will Jona Gottes Auftrag nicht ausführen. Weil er schon geahnt hat, dass Gott Ninive am Ende doch verschonen könnte. Und gleichzeitig ist es genau diese Gnade, Barmherzigkeit und unendliche Geduld, die Jona rettet.
Weil Gott so ist – gnädig, barmherzig, unendlich geduldig und voller Güte, deshalb ging er Jona nach und deshalb geht er auch jedem einzelnen von uns nach. Deshalb hat er Jona und später auch Ninive nach deren Umkehr gerettet. Und deshalb hat Gott auch uns die Rettung durch seinen Sohn Jesus Christus ermöglicht.
Weil Gott so reich an Gnade ist, steht Jona am Ende des Dramas wieder am Ausgangspunkt. Er wird vom Fisch an Land ausgespien und nochmal von Gott beauftragt. Dieses Mal läuft er nicht mehr weg. Er geht mit Gott.
Durch Jesu Tod und Auferstehung werden wir wieder auf Los gestellt. Auch wir haben die Möglichkeit mit Gott zu gehen und sein Rettungsangebot anzunehmen. In welche Richtung laufen wir?
Amen.
Die Predigt wurde im Gottesdienst 6. Juni 2021 in Waldenbuch in der Stadtkirche St. Veit gehalten.
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