Liebe Gemeinde,
wir leben in einer außergewöhnlichen Zeit. Ein Virus stellt seit nun fast genau einem Jahr Vieles, ja fast alles auf den Kopf. Im privaten Bereich und auch in unserer Kirchengemeinde. Geduld und Durchhaltvermögen sind gefragt – wie lange müssen wir noch warten, bis wir uns wieder zur Chorprobe treffen können? Wann können wir endlich mal wieder richtig Jungschar machen? Wird bald wenigstens wieder Hauskreis „live“ möglich sein? Das zehrt an den Nerven. Und zusätzlich kostet das ständige Umplanen und Neuüberlegen unglaublich viel Kraft. Noch mehr Kraft als Mitarbeit ohnehin schon kostet. Wie überstehen wir diese Krise? Wie gehen wir mit dieser besonderen Stresssituation um?
In den Medien begegnet uns im Zusammenhang mit diesen Fragen immer wieder das Stichwort Resilienz. Das Resilienz-Konzept wird vielfach in Bezug auf die Pandemie diskutiert. Manche reden auch von einer globalen Resilienz-Prüfung. Der Begriff Resilienz geht auf ein lateinisches Wort zurück, das „zurückspringen“ bedeutet und kommt ursprünglich aus der Biologie.
Dort bezeichnet Resilienz die Spannkraft einer Pflanze, die sich biegt und danach wiederaufrichtet. Diese Resilienz von Pflanzen war in den letzten Wochen gut an den Bäumen zu beobachten, die unter dem schweren Schnee gebogen waren und nun wieder zurückgesprungen sind.
In der Psychologie wird mit Resilienz die psychische Widerstandskraft bezeichnet. Welche Ressourcen habe ich? Was kann ich anzapfen, um mit besonderen Herausforderungen umzugehen? Werfen sie mich aus der Bahn oder habe ich einen guten Stand, weil ich auf ein festes Fundament gebaut habe? Wie komme ich, wie kommen wir durch diese Krise?
Eine besondere Stresssituation hatte auch das Volk Israel hinter sich. Exil in Babylonien. Danach Rückkehr und Wideraufbau von Tempel und Stadtmauer – alles unter Anfeindungen und mit Problemen verbunden. Dann die Rückbesinnung auf den Bund mit Gott und das Gesetz, das diesen Bund besiegelt. Das Gesetz, das sie so oft übertreten hatten. Dem sie nicht gerecht geworden waren. Das Volk war aufgewühlt. Mit den Nerven auch irgendwie am Ende. So weinte alles Volk, als sie die Worte des Gesetzes hörten.
„Seid nicht bekümmert!“, ruft Esra dem Volk in dieser Situation zu. „Seid nicht bekümmert, denn die Freude am Herrn ist eure Stärke.“ Wir haben es vorhin gehört.
„Seid nicht bekümmert!“, so will ich es auch Ihnen und euch heute zurufen.
„Seid nicht bekümmert, denn die Freude am Herrn ist eure Stärke.“
Nehemia 8, 10b
Das ist nicht nur ein locker daher gesagtes „Mach dir keine Sorgen. Ist doch alles gar nicht so schlimm. Wird schon wieder. Es kommen auch wieder andere Zeiten.“ Nein, dieser Zuspruch ist bestens begründet.
Wir, die wir mit Jesus Christus als unserem Herrn und Heiland verankert sind, haben eine Resilienz, die nicht aus uns kommt, und die deshalb umso mehr Halt bietet. „Denn die Freude am Herrn ist unsere Stärke.“
Interessanterweise gibt es auch in der Psychologie verschiedene Studien, die einen Zusammenhang zwischen Freude und Resilienz herstellen. Beispielsweise sind Kinder, die in den ersten drei Lebensjahren viel lachen, später in Krisensituationen resilienter.
Doch hier geht es um mehr als irgendeine Freude. Die Freude am Herrn ist mehr als ein emotionales Hochgefühl. Es ist eine Freude, die von innen kommt. Freude, die mir niemand nimmt. Jetzt haben alle der Feiert Jesus 2 Generation vermutlich ein Lied im Ohr. Ja, die Freude am Herrn ist eine besondere Freude, weil sie situationsunabhängig ist. Egal, ob Corona alles Geplante umschmeißt oder ob es in der Jungschar mal wieder gar nicht nach Plan abgelaufen ist. Egal, ob ich gesund bin oder nicht. Die Freude am Herrn ist unabhängig von den äußeren Umständen. Selbst ein Christ im nordkoreanischen Arbeitslager kennt sie.
Es ist eben nicht die Freude an etwas Vergänglichem. Diese vergängliche Freude ist natürlich auch berechtigt und letztlich ein Geschenk. Grund zum Danken und Loben.
Die Freude am Herrn aber ist mehr. Es ist die Freude am einzig wahren Gott, der, wie es die Leviten dem Volk später sagen, ein Gott ist, der vergibt, gnädig, barmherzig, geduldig und von großer Güte ist. Die Freude, dass er sein Wertvollstes – seinen Sohn für mich in den Tod gegeben hat. Die Freude darüber, dass Jesus Christus auferstanden ist und dem Tod und allem Widergöttlichen damit letztlich die Macht genommen hat. Die Freude darüber, dass er Gemeinschaft mit mir unbedeutenden Menschlein haben möchte. Die Freude, zu ihm zu gehören.
Diese Freude am Herrn macht stark. Diese Freude am Herrn macht widerstandfähig. Diese Freude, und das wird im hebräischen Text explizit betont, sie ist unsere Stärke. Wörtlich steht da Bollwerk, Bergfeste oder auch Zufluchtsstätte. Für die Israeliten, die gerade die Stadtmauer fertiggestellt hatten, war das natürlich ein ansprechender Begriff. Auch für uns ist diese Freude ein sicherer Ort der Zuflucht. Ein Ort, um Kraft zu tanken. Ein Bollwerk, das auch noch feststeht, wenn alles andere ins Wanken gerät. Ein Resilienz-Konzept, das uns in persönlichen Lebenskrisen Halt gibt und mit dem wir auch eine Pandemie durchstehen können.
Jetzt könnten wir als Christen einfach mit einem ständigen Grinsen durch diese Welt laufen. Gut behütet in unserer Zufluchtsstätte. Was in der Welt um uns los ist, tangiert uns nicht mehr. Wir können uns zwar auch nicht mehr treffen. Unsere Gruppen und Kreise funktionieren nicht mehr wie gewohnt. Aber was solls? Wir sind erlöst. Wir gehören zu Jesus.
Was wollen wir mehr? In unserer Zufluchtsstätte ist es gemütlich und warm.
Ich meine, die Freude am Herrn ist keine Zufluchtsstätte, um uns zu verkriechen, sondern ein Ort, um aufzutanken und dann für den Herrn tätig zu werden. So wie das Volk den Auftrag bekam, das Festmahl, die fetten Speisen und süßen Getränke auch mit denen zu teilen, die sich nichts zubereitet hatten, ist es auch unsere Aufgabe zu teilen. Freude zu teilen. Und damit Hoffnung zu teilen. Deshalb ist es schmerzlich, dass unser Gemeindeleben im Moment so eingeschränkt ist. Und deshalb ist es so wichtig, dass wir kreativ sind und werden, um Freude und Hoffnung in und trotz allem zu teilen.
Liebe Mitarbeiter, liebe Mitchristen – jetzt, genau jetzt ist unsere Zeit. Selten war unsere Botschaft, die gute Nachricht von der Liebe Gottes so wichtig wie genau jetzt. Selten war unser Dienst so wichtig.
Ja, die Pandemie schränkt uns enorm ein. Aber das Wichtigste kann sie uns nicht nehmen – die Freude am Herrn, die unsere Kraft ist. Die uns geduldig macht, uns unter der Last zu beugen und später auch wieder zurückzuspringen und wieder zu alter Kraft und Stärke zu finden. Die uns aber auch kreativ macht, weil sie andere anstecken will. Weil sie auf andere überspringen will. Wie gut, dass wir uns als Gemeinde gegenseitig haben und ermutigen können. Wie gut, dass Sie, dass ihr als Mitarbeiter an Bord seid und auf viele neue und auch ungewöhnliche Weise Freude und Hoffnung teilt.
Wir sind Freudenboten. Wir sind Hoffnungsträger.
Seid nicht bekümmert, denn die Freude am Herrn ist unsere Stärke. Amen.
Die Predigt wurde im Gottesdienst am 28. Februar 2021 in Ruit gehalten.
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