Liebe Gemeinde,

Jesus feierte mit seinen Jüngern das Passahmahl – das Festessen, das das Gottesvolk an die Befreiung aus Ägypten erinnert. Damit halten sie sich an die ewige Ordnung Gottes. Bei diesem letzten gemeinsamen Abendessen führt Jesus dann eine neue Ordnung ein. Er deutet Brot und Wein und weist damit auf seine Hingabe hin. Er fordert seine Nachfolger auf, das auch weiter zu seinem Gedächtnis zu tun. Deshalb tun wir es bis heute – wir teilen Brot und Wein. Dabei denken wir zurück an seinen Opfertod am Kreuz. Wir schauen voraus auf seine Wiederkunft. Und wir schauen uns um und freuen uns an der Gemeinschaft mit allen anderen, die auch zu Jesus gehören. Nicht umsonst feiern unsere katholischen Glaubensgeschwister Kommunion – das kommt von lateinisch communio und heißt Gemeinschaft.  Gerade dieser Aspekt, die Tischgemeinschaft, kommt seit Corona und bei der aktuellen Form der Abendmahlsfeier zu kurz. Umso wichtiger, dass unser heutiger Predigttext daran erinnert. Beim Abendmahl geht es um Gemeinschaft:

Ich lese aus dem 1. Korintherbrief im 10. Kapitel die Verse 16 und 17:

Der Kelch des Segens, den wir segnen, ist der nicht die Gemeinschaft des Blutes Christi? Das Brot, das wir brechen, ist das nicht die Gemeinschaft des Leibes Christi? Denn ein Brot ist’s. So sind wir, die vielen, ein Leib, weil wir alle an einem Brot teilhaben.

1. Korinther 10, 16-17

Liebe Gemeinde,

wenn ein Grundschüler einen Einkaufszettel schreibt, kann es schnell passieren, dass aus dem Laib Brot ein Leib wird. Was bei dem Kind auf die noch fehlenden Rechtschreibkenntnisse zurückzuführen ist, ist das, was Paulus hier ganz bewusst verkündigt. Weil wir alle an dem einen Brotlaib teilhaben, wird aus uns vielen ein Leib. Es geht beim Brotbrechen, bei der Feier des sogenannten Heiligen Abendmahles um die Gemeinschaft. Um die Gemeinschaft mit Christus und um die Gemeinschaft untereinander in und durch Christus.

Diese beiden Aspekte möchte ich heute Abend mit Ihnen in den Blick nehmen:

1. Die Gemeinschaft mit Christus

Im Kontext des heutigen Predigttextes geht es Paulus gar nicht explizit um das Abendmahl. Sein Anliegen in diesem Briefabschnitt ist es, zu begründen, warum Christen nicht bedenkenlos am Götzenopfer teilnehmen. Auch wenn für die Christen in Korinth klar ist, dass es nur einen Gott gibt und die anderen Götter Götzen sind, so treten sie beim Essen von Götzenopferfleisch doch in andere Machtsphäre ein. Es entsteht eine reale Gemeinschaft mit dämonischen Mächten, so Paulus. Um das zu begründen, führt er das Abendmahl an, bei dem eine reale Gemeinschaft mit Christus entsteht. Der Kelch ist die Gemeinschaft des Blutes Christi und das Brot ist die Gemeinschaft des Leibes Christi.

Beim Abendmahl schenkt sich Christus uns in Brot und Wein und vergewissert uns damit, dass unsere Sünden durch seine Hingabe vergeben sind und wir ewiges Leben haben. So real wie wir das Brot und den Wein oder Saft schmecken, so real ist uns durch Jesus Christus vergeben. So real haben wir das ewige Leben. Dass Christus „für dich“ und „für mich“ gestorben ist, wird im Abendmahl mit allen Sinnen erfahrbar. Wir hören die Zusage der Vergebung, wir sehen und schmecken, seine liebende Hingabe für uns. Und dabei fühlen wir, wie er uns ganz nahe ist. Wir haben erfahrbare Gemeinschaft mit Jesus Christus.

Möglich ist diese Gemeinschaft, weil Jesus Christus, der Gastgeber, alles Trennende durch seinen Tod weggenommen hat. Durch seine Hingabe sind wir rein und würdig mit ihm Tischgemeinschaft zu haben.

Diese Gemeinschaft endet jedoch nicht, wenn wir vom Tisch aufstehen oder beim Hinausgehen in die Kirche. Nein, Gemeinschaft mit Jesus Christus ist etwas Alltägliches. Wir nennen sie auch unsere persönliche Beziehung zu Jesus. Im Abendmahl wird sie bewusst gefeiert, erneuert und vertieft. Das ist etwas ganz Persönliches, etwas, das zwischen Jesus Christus und mir geschieht.

Das ist aber noch nicht alles. Beim Abendmahl geht es nicht nur um meine persönliche Christusbeziehung, sondern auch um die Beziehungen zwischen uns Gotteskindern. Und damit kommen wir zum zweiten Aspekt:

2. Die Gemeinschaft untereinander

Der Leib Christi ist zugleich auch eine gegenwärtige Größe: die Gemeinde. Und damit ist nicht nur die evangelische Kirchengemeinde in Ruit gemeint, sondern die Gemeinschaft aller Nachfolger Jesu Christi, die weltweite Kirche Jesu Christi.

Ein Leib, ein Körper ist umso gesünder, je besser die einzelnen Organe, Gliedmaßen und was sonst zu ihm gehört, reibungslos zusammenwirken. Einigkeit macht stark. Schon mancher Titel im Sport wurde vor allem durch eine geschlossene Teamleistung gewonnen. Wenn wir gemeinsam an den Tisch Gottes kommen, dann geht es auch um diese Einigkeit unter uns. Das Wir, das Paulus in dem Predigttext so betont, das sind wir alle. Wir sind die Vielen. So unterschiedlich wie wir sind, ob wir uns gut, nur flüchtig oder gar nicht kennen. Ob wir zur sogenannten Kerngemeinde gehören oder nur punktuell dabei sind. Alle, die sich einladen lassen, sind eingeladen und gehören dazu. Dabei ist unser Wir ganz vielfältig. Ganz unterschiedlich kommen wir zum Festmahl. Wir bringen die Erlebnisse dieses Tages, unsere aktuelle Situation und Laune mit. Wir bringen unsere eigenen Glaubens- und Lebenserfahrungen mit. Letztlich bringen wir uns selbst mit – mit unserer je eigenen Geschichte, mit unseren ganz persönlichen Erfahrungen und Bedürfnissen.  Doch wir viele, die wir heute das eine Brot und den einen Kelch miteinander teilen, werden gerade dadurch auf geheimnisvolle Weise zu einem neuen Ganzen. Alle Unterschiede werden am Tisch des Herrn irrelevant. Denn wir alle bedürfen der gleichen Annahme, Gnade und Vergebung durch Jesu Christus. Im Angesicht seiner Gnade verschwinden alle Unterschiede zwischen uns. Wir könnten uns vermutlich nicht auf denselben Film oder den gleichen Musikstil einigen, noch würden wir ein Essen finden, mit dem alle zufrieden sind – das ist es nicht, was unsere Gemeinschaft verbindet. Auch unsere Theologie muss nicht zwangsläufig deckungsgleich sein. Das ist nicht entscheidend. Das Einzige, was uns verbindet, ist, dass wir vom gleichen Vater adoptiert worden sind. Wir alle sind durch den Tod Jesu Kinder Gottes. Das macht uns zu Geschwistern, das bringt uns an einen Tisch. Darauf kommt es an.

Schön wäre es, mag sich der ein oder die andere jetzt denken. Kaum ein Thema spaltet die Christenheit doch so, wie das Abendmahl. Ja, leider ist es so: Das Mahl der Gemeinschaft führte und führt immer noch zu viel Streit und Uneinigkeit unter den Nachfolgern Jesu Christi. Wie ist das Abendmahl zu verstehen? Symbolhandlung, Wandlung auf dem Altar oder erst im Mund? Wer kann es würdig austeilen und wer nicht? Mit wem können wir Tischgemeinschaft haben und wo steht uns die Theologie im Weg?  Wein oder Saft? Brot, Hostie oder auch Chips? Nur analog oder auch digital?

Am Abendmahl wird die Menschheit bis zum Ende ihrer Tage zu kauen haben.“, so sagte es der Philosoph und Schriftsteller Gregor Brand.

Mir gefällt dieses Zitat, weil es zum einen sagt, dass wir bis zum Ende der Tage das Abendmahl nie in seiner ganzen Bedeutung durchdrungen haben werden. Und zum anderen wird klar, dass wir das Abendmahl feiern werden, bis der Herr wiederkommt. Bis dahin können wir Gemeinschaft mit ihm und untereinander erleben und sehen und schmecken, wie freundlich unser Herr ist. Und darauf kommt es bei allen Streitigkeiten und Unterschieden an. Deshalb meine ich auch, dass wir großzügig und nicht rechthaberisch sein sollten, wenn es um das Abendmahl geht. Dass wir uns auf das Verbindende und nicht das Trennende konzentrieren und die Gemeinschaft der Kinder Gottes nicht durch Besserwisserei und Rechthaberei auflösen sollten. Denn echte Gemeinschaft lebt auch immer von Vergebung und Demut. Unsere Gemeinschaft mit Christus lebt von seiner Vergebungsbereitschaft uns gegenüber – die haben wir persönlich – und ich meine auch unsere Theologie -alle gleich nötig.

Man mag jetzt einwenden, dass aber Paulus nur ein Kapitel später davor warnt, das Abendmahl unwürdig zu sich zu nehmen und sich damit am Herrn schuldig zu machen. Das stimmt. Aber dort steht:

Jeder Mensch soll das für sich selbst überprüfen.

1. Korinther 11, 28

Und eben nicht: „Die Gemeinschaft prüfe, wer würdig, fromm oder rechtgläubig genug ist.

Jesus Christus lädt an seinen Tisch ein. Er lädt ein, mit ihm reale Gemeinschaft zu haben. Wer sind wir, da wieder Leute auszuladen?

Das gilt für die Abendmahlsfeier selbst und das gilt auch darüber hinaus. Denn auch dieser zweite Aspekt, die Gemeinschaft untereinander, endet nicht mit der Mahlsfeier oder dem Gottesdienst. Beim Abendmahl geht Christus neu auf uns zu und wir gehen neu aufeinander zu. Das erneuert unsere zwischenmenschlichen Beziehungen. Das stärkt uns als Gemeinde der Kinder Gottes und hilft uns trotz und mit allen unterschiedlichen Meinungen weiter gemeinsam unterwegs zu sein. Das ermöglicht uns, als ein Leib gut zu funktionieren und zusammen zu wirken. Zu Gottes Ehre und den Menschen zum Wohl. Beim Abendmahl erleben wir Gemeinschaft, die verändert. Das nehmen wir mit nach Hause, mit in unseren Alltag, in unsere Familien, Gruppen und Kreise. Diese Veränderung strahlen wir aus und leben damit einladend – einladend zur Gemeinschaft mit Jesus Christus, in die Gemeinschaft der Kinder Gottes und damit auch an den Tisch des Herrn.

Die Tischgemeinschaft, die wir beim Abendmahl erleben, ist jedes Mal ein Vorgeschmack auf die himmlische Tischgemeinschaft. Ja, wir werden einmal gemeinsam mit Jesus am Tisch sitzen. Das wird ein richtiges und ewiges Freudenfest. Und ich bin mir sicher, wir werden überrascht sein, wer da alles mit uns am Tisch sitzen wird. Ich freu mich auf dieses Fest. Und ich freu mich über die Gemeinschaft, die wir heute und hier erleben, wenn wir gemeinsam das Abendmahl feiern.

Amen.

Die Predigt wurde am Gründonnerstag, den 12. April 2022, in der Auferstehungskirche in Ruit gehalten. 

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